Eine Frau sitzt mit verdecktem Gesicht in einem dunklen Flur. © picture alliance/Zoonar Foto: Alain de Maximy

Posttraumatische Belastungsstörung nach Krieg und Flucht

Stand: 21.03.2022 14:58 Uhr

Nicht nur die Psyche leidet unter traumatischen Erfahrungen. Der extreme Stress einer posttraumatischen Belastungsstörung, etwa durch Krieg und Flucht, kann auch körperlich krank machen. Welche Therapien können PTBS-Betroffenen helfen?

Zerstörung, Gewalt, Angst, Tod: Immer mehr Menschen aus der Ukraine sind auf der Flucht, um dem Krieg zu entfliehen. Doch auch wenn sie den Bomben entkommen sind, haben sie oft seelische Verletzungen erlitten. Solch schwere traumatische Erfahrungen können sich ins Gedächtnis einbrennen und die Menschen immer wieder quälen. Doch bei einer PTBS leidet nicht nur die Psyche. Traumatisierungen sind extremer Stress - und der kann körperlich krank machen.

Reaktionen auf außerordentliche Ereignisse

Zurzeit sind Millionen Kriegsflüchtlinge unterwegs. Oftmals konnten sie einen sicheren Ort erst nach großen Anstrengungen und unter Lebensgefahr erreichen. Wie auch für Soldaten, die in einem Krieg gekämpft haben, haben sie Erschütterndes erlebt, worauf Körper und Psyche in der Regel mit verschiedenen Beschwerden reagieren: Ängste, Alpträume oder Herzklopfen. Experten sprechen von völlig normalen Reaktionen auf außerordentliche Ereignisse. Wenn Betroffene verständnisvoll aufgenommen und allmählich in einen sicheren Alltag zurückkehren können, verbessert sich oftmals auch die psychische Situation.

PTBS-Betroffene müssen ernst genommen werden

Doch manchmal bleiben die Beschwerden über Wochen und Monate bestehen, neue Symptome kommen dazu. Dann hat sich eine sogenannte PTBS (Posttraumatischen Belastungsstörung) entwickelt. Insbesondere Menschen, deren Trauma mit sexualisierter Gewalt oder völligem Kontrollverlust verbunden war, haben ein erhöhtes Risiko, dass es zu dieser Erkrankung kommt.

Von außen ist nichts zu sehen - aber Betroffene fühlen sich leer und angespannt, brechen immer wieder zusammen und zweifeln am Sinn ihres Lebens. Sogenannte Trigger erinnern an das Erlebte - ein Bild, ein Geruch oder ein Geräusch können Menschen, die an einer PTBS leiden, immer wieder aus der Bahn werfen.

Sie ziehen sich immer weiter zurück, um möglichst selten in Situationen zu geraten, die ihrer traumatischen Situation ähneln könnten. Auch innerlich kommt es zu einem Vermeidungsverhalten, Betroffene wirken emotional erstarrt. Gleichzeitig erleben sie eine ungeheure Anspannung, sind gereizt und unruhig.

Therapie bei traumatischen Störungen

Eine Psychotherapie ist für traumatisierte Menschen lebenswichtig und wirkt nicht nur psychisch, sondern auch körperlich. Nach der Diagnose beginnt die Behandlung mit stabilisierenden Maßnahmen: Dazu gehören neben Einzel- und Gruppengesprächen auch Therapie-Angebote wie Entspannungsverfahren oder Ergotherapie.

Ziel ist es zu lernen, die überwältigenden Gefühle selbständig im Alltag herunter zu regulieren. Dabei helfen sogenannte Skills wie Wiederholungsrituale, Düfte oder Berührungsreize. Wer zum Beispiel einen Igelball knetet, kann sich damit im Hier und Jetzt verankern und vermeidet, sich gänzlich in der Angst zu verlieren. Gegen PTBS gibt es keine Medikamente, bei der Behandlung von einzelnen Komponenten der Erkrankung, wie Schlafstörungen oder Depressionen, kommen aber auch Arzneimittel zur Anwendung.

Die zweite Behandlungsphase ist die Konfrontationstherapie. Obwohl das Trauma das gesamte Leben beherrscht, können sich viele Betroffene gar nicht an den detaillierten Ablauf erinnern. Zu überwältigend war die Situation, sodass einzelne Bruchstücke im Gehirn wie ungeordnete Gegenstände in einem sonst aufgeräumten Erinnerungsregal chaotisch verteilt herumliegen und immer wieder zu Flashbacks führen. Im sicheren Rahmen der psychotherapeutischen Sitzung werden einzelne Erinnerungsbruchstücke benannt und zu einem detaillierten Ablaufprotokoll zusammengefügt. Dabei werden alle Ebenen - Gedanken, Gefühle, Gerüche oder körperliche Reaktionen - betrachtet und zu einer beschreibbaren Erinnerung zusammengefügt. Mit der Zeit lässt die Angst nach und die Betroffenen finden den Weg zurück in den Alltag.

Durch die Psychotherapie werden die Erlebnisse chronologisch abgearbeitet und im Gedächtnis in der Vergangenheit abgelegt, damit sie in der Gegenwart keine entscheidende Rolle mehr spielen.

EMDR: Erinnerungsarbeit und Augenbewegungen

Eine besondere Form der Psychotherapie ist die Methode EMDR (englisch: Eye Movement Desensitization and Reprocessing, deutsch: Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegungen) Damit kann erwiesenermaßen Menschen mit einer posttraumatischen Belastungsstörung geholfen werden, ihr Trauma zu überwinden.

Zunächst werden, wie bei einer herkömmlichen Psychotherapie, das Trauma und die auslösende belastende Situation besprochen und analysiert. Dann versetzten sich Betroffene gedanklich in die traumatische Situation, während sie mit den Augen dem Finger der Therapeutin oder des Therapeuten folgen, der sich nach links und rechts bewegt. So wird versucht, die Bilder und Situationen von den belasteten Gefühlen abzukoppeln.

Ziel ist es, dass die Betroffenen das belastende Ereignis zukünftig nicht mehr als traumatisch empfinden, wenn ähnliche Situationen oder Bilder auftauchen. Die Kombination aus Erinnerungsarbeit und Augenbewegungen zur gleichen Zeit kennzeichnet EMDR und gibt der Methode ihren Namen. Wie genau EMDR wirkt, ist noch nicht sicher erforscht. Eine Sitzung dauert etwa 60 bis 90 Minuten - meistens reichen bis zu 25 Sitzungen aus, um gute Resultate zu erzielen. Die Krankenkasse zahlt Erwachsenen mit einer posttraumatischen Belastungsstörung die Behandlung mit EDMR.

Traumatische Störung verursacht DNA-Schaden

Traumatische Ereignisse verursachen auch Schäden an Körperzellen. Der Stress wirkt bis in die Zellkerne hinein: Dort liegt in den Chromosomen die Erbsubstanz in Form der DNA. Darauf ist der Bauplan des Körpers mit allen seinen Funktionen gespeichert. Stress nagt an der DNA: Es entstehen Brüche, die den Informationsfluss stören. Die Zelle kann nicht mehr richtig funktionieren.

Laut einer Studie können biomolekulare Veränderungen durch traumatischen Stress mithilfe der Psychotherapie rückgängig gemacht werden. Psychotherapie stärkt die Reparaturmechanismen in den Zellen und die Schäden an der DNA können zurückgehen.

 

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