Minimalinvasive Operation eines Leistenbruchs © IMAGO/Funke Foto Services Foto: Diana Roos

Leistenbruch-OP: Welches Verfahren ist für wen geeignet?

Stand: 09.04.2024 13:04 Uhr | vom Rundfunk Berlin-Brandenburg-Logo

Ein Leistenbruch heilt nicht von allein. Es hilft nur eine Operation. Wie lange darf man abwarten? Wie verhält man sich vor und nach dem Eingriff? Welche OP-Verfahren gibt es?

von Carola Welt

Ein ziehender Schmerz in der Leistenregion, eine ungewöhnliche Schwellung: So macht sich häufig ein Leistenbruch bemerkbar. Er kann sich im Lauf der Zeit entwickeln - vom harmlosen Knubbel bis hin zum lebensgefährlichen Darmverschluss. Es wird daher empfohlen, einen Leistenbruch zügig zu behandeln. Für eine Leistenbruchoperation gibt es verschiedene Methoden.

Leistenbruch-OP: Die Fakten in Kürze

In Deutschland werden jedes Jahr rund 275.000 Patienten wegen eines Leistenbruchs operiert.

Was ist ein Leistenbruch?

Erkennbar ist eine Leistenhernie an einer weichen, verschiebbaren Vorwölbung in der Leiste. Sie kann - muss aber nicht - schmerzen. Ein Leistenbruch entsteht durch einen Riss in der Bauchwand. Er entwickelt sich oft langsam, im Lauf von Jahren oder Jahrzehnten.

Ursache ist meist ein schwaches Bindegewebe: Die in der Leistenregion ohnehin nicht so stabile Bauchwand hält dem Druck beim Heben oder Pressen nicht mehr stand. Aus der Bruchlücke in der Bauchdecke können das Bauchfell oder Teile des Darms durch den Leistenkanal hervortreten. Es bildet sich ein sogenannter Bruchsack. Eine Hernie in der Leistenregion kann auch angeboren sein.

Wie kann man einen Leistenbruch behandeln?

Ein Leistenbruch wächst nicht von allein wieder zusammen, sondern muss immer chirurgisch behandelt werden. Die Operation muss meist nicht sofort erfolgen. Bei leichten Symptomen kann man einige Wochen oder Monate abwarten. Frauen wird schneller zur Operation geraten, da bei ihnen eher Komplikationen entstehen.

Wer zu lange abwartet, riskiert, dass sich der Darm in der Bruchpforte einklemmt. Dann hilft nur noch eine Notoperation, damit nicht Teile des Darms absterben. Durch die Operation wird der Bruchinhalt in den Bauchraum zurückverlagert. Die Bruchlücke wird verschlossen und das Gewebe durch eine spezielle Naht oder durch ein Kunststoffnetz gestützt.

Leistenbruch-OP: Diese Methoden gibt es

Eine einheitliche Operationstechnik für alle Leistenhernien gibt es nicht. Man operiert heute mit verschiedenen Operationsverfahren: konventionell offen oder minimalinvasiv, mit Einfügen eines Kunststoff-Netzes, das die Bruchstelle stabilisieren soll, oder ohne. Die Behandlung kann ambulant erfolgen. Bei stationärer Aufnahme bleibt man etwa zwei Tage im Krankenhaus.

Welches Operationsverfahren ist das beste?

Welche OP-Methode die Beste ist, kann man nicht pauschal sagen. Die Operationsmethode muss individuell an den Patienten oder die Patientin sowie die jeweilige Situation angepasst werden: Je nachdem wo und wie groß der Leistenbruch ist, ob er zum ersten Mal auftritt oder als Rezidiv (erneuter Leistenbruch), wie alt und gesund der Patient oder die Patientin ist, ob Mann oder Frau betroffen ist und ob es Begleiterkrankungen gibt. Experten und Expertinnen empfehlen, sich in einem zertifizierten Hernienzentrum informieren und behandeln zu lassen.

Minimalinvasive Leistenbruch-OP mit TAPP- oder TEP-Verfahren

Sehr oft werden Leistenbruch-Operationen in Deutschland minimalinvasiv - also endoskopisch (laparoskopisch) - durchgeführt. Durch drei kleine Schnitte in der Bauchdecke werden eine Videokamera und die OP-Instrumente eingeführt.

Beim TAPP-Verfahren (transabdominelle präperitoneale Plastik) wird ein rund zehn mal fünfzehn Zentimeter großes Kunststoffnetz zwischen dem Bauchfell und der Bauchwand mit Klammern eingesetzt, um die defekte Stelle zu verstärken. Die Chirurgin oder der Chirurg macht während des Eingriffs eine Bauchspiegelung und kann so einen Blick auf die Bauchorgane und die Leistenregion werfen.

Das TEP-Verfahren (total extraperitoneale Plastik) funktioniert ähnlich wie das TAPP-Verfahren und erzielt vergleichbar gute Ergebnisse. Allerdings gehen die operierenden Ärzte oder Ärztinnen weniger tief in die Bauchhöhle hinein und haben deshalb nur einen eingeschränkten Blick auf die Bauchorgane.

Die Vorteile minimalinvasiver Operationen: Die Bauchmuskulatur bleibt intakt. Durch die kleinen Schnitte hat man hinterher nur geringe Schmerzen und es ist eine schnelle Rückkehr in den Alltag möglich. Der Eingriff findet stets in Vollnarkose statt. Deshalb ist die Methode für alte Menschen oder bei Narkoserisiken nicht geeignet.

Offene Leistenbruch-OP nach Lichtenstein und Shouldice

Zum offenen Operationsverfahren wird geraten, wenn eine minimalinvasive Operation nicht möglich ist. Das ist der Fall bei Patienten mit einem Alter über 85 Jahren, bei sonstigen Narkoserisiken, bei einer Therapie mit Blutverdünnern und bei Verwachsungen und Voroperationen im Bauchraum. Der Eingriff kann mit lokaler Betäubung erfolgen. Der Zugang zum Bruch erfolgt direkt über einen Bauchschnitt.

Lange bewährt hat sich die offene Lichtenstein-Operation, die nach dem US-Chirurgen Irving Lichtenstein benannt ist. Dabei wird über einen Hautschnitt die Bruchpforte mit einem Netz verschlossen, sodass sich nicht erneut ein Bruchsack ausstülpen kann. Die Methode hat eine hohe Erfolgsrate. Sie wird bei größeren Bruchpforten oder wiederholtem Auftreten eines Leistenbruchs (Rezidiv) angewandt.

Die Shouldice-Operation ist nach nach dem kanadischen Chirurgen Edward Shouldice benannt. Bei der Shouldice-Operation und bei weiteren offenen Operationsmethoden wird kein Netz genutzt. Die Bruchpforte wird mit körpereigenem Gewebe geschlossen. Zur Stabilisierung wird das Leistenband mit einer Faszie vernäht. Netzfreie OP-Verfahren kommen bei kleinen Brüchen und jüngeren Menschen zur Anwendung.

Leistenbruch-Operation bei Frauen

Frauen mit Leistenbruch wird geraten, sich zügiger operieren zu lassen als Männer - auch wenn sie beschwerdefrei sind. Das Risiko für Komplikationen ist bei ihnen höher. Außerdem kann sich hinter einem Leistenbruch ein Schenkelbruch verbergen. Der wird häufig erst während des Eingriffs ersichtlich. Eine Schenkelhernie kann früher oder später zum Einklemmen des Darms führen. Bei Frauen erfolgt in der Regel eine minimalinvasive Operation, da sie nach einer offenen Leistenbruch-OP häufiger Rückfälle zeigen.

Ein Leistenbruch während einer Schwangerschaft wird nur dann operiert, wenn eine akute Einklemmung des Darms droht. Ansonsten wartet man bis nach der Geburt ab. Die Schwangerschaft wird durch die Hernie nicht beeinträchtigt.

OP mit Netz oder ohne?

Mit der zusätzlichen Stabilisierung durch das Netz ist das Rückfallrisiko bei einer Leistenbruch-OP niedriger. Das Netz ist nach etwa drei Monaten eingewachsen. Die Verträglichkeit des Materials gilt als sehr gut. Doch nicht alle Menschen können mit Netz operiert werden: Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren etwa, weil das Netz nicht mitwächst.

Bei sehr kleinen Leistenbrüchen ist ein Netz oft nicht nötig. Das Netz ist ein Fremdkörper, der in seltenen Fällen Irritationen und Entzündungen auslösen kann. Nachteil der Operation ohne Netz: An der Naht kann es zu Spannungen kommen. Das erhöht die Gefahr eines erneuten Bruchsacks, die Rückfallquote ist statistisch größer. Nach einer OP ohne Netz muss man besonders vorsichtig sein und sich körperlich schonen. Es sollten in den ersten zwei Monaten nach der Operation nicht mehr als acht Kilogramm gehoben werden.

Wie verhalte ich mich bis zur Leistenbruch-OP?

Steht man kurz vor der Operation, darf man bis zu sechs Stunden vor dem Eingriff Nahrung zu sich nehmen. Zwei Stunden davor darf man nichts mehr trinken.

Schmerzen nach einer Leistenbruch-Operation

Die Operationswunde nach einem offenen Eingriff kann länger schmerzen als nach einer minimalinvasiven Operation. Es kann zu Blutergüssen kommen. Auch können vorübergehende Gefühlsstörungen und Wundschmerzen in der Leiste und Ziehen am Hoden auftreten.

Die Dauer und die Intensität der Schmerzen sind bei jedem Menschen verschieden. Aber nach etwa drei Wochen sollten die Schmerzen abklingen. Nach einer minimalinvasiven Operation kann es in den ersten Tagen zu Bauchschmerzen kommen. Ursache ist das Gas, das für die Operation in die Bauchhöhle geleitet wird.

Mögliche Komplikationen nach einer Operation

Leistenbruchoperationen zählen zu den häufigsten chirurgischen Eingriffen. Sie verlaufen meist ohne Komplikationen. Bei minimalinvasiven Eingriffen an der Leiste besteht ein Risiko für Verletzungen am Darm, an den großen Blutgefäßen der Leiste, an den Hoden und der Harnblase.

Bei etwa zehn Prozent der Patienten und Patientinnen werden die Leistenschmerzen chronisch. Sie sind dann nach drei Monaten noch immer nicht abgeklungen. Ursache ist eine Nervenreizung während der Operation oder das Netz wird nicht vertragen. Die Sorge, dass durch den Kunststoff im Netz Krebs ausgelöst werden könnte, ist unbegründet. Polypropylen wird seit mehr als 40 Jahren in der Chirurgie eingesetzt und hat sich bewährt.

Richtiges Verhalten nach einer Leistenbruch-OP

Nach einer minimalinvasiven Operation muss man sich etwa zwei Wochen körperlich schonen. Man sollte so lange auf das Auto- und Radfahren verzichten. Durch schnelle Bewegungen wie scharfes Bremsen können Schmerzen auftreten und man reagiert dadurch verzögert. Lasten über acht Kilogramm zu heben, ist vorerst tabu. Danach ist alles wieder erlaubt.

Nach einem offenen Eingriff mit Netz sollte man sich etwa drei Wochen schonen und mindestens sechs Wochen lang nur maximal acht Kilogramm Gewicht heben. Wurde kein Netz eingesetzt, beträgt die Schonzeit sogar bis zu acht Wochen. So lange darf man auch keinen Sport treiben. Zur Arbeit kann man nach einer minimalinvasiven Leistenbruchoperation nach ein bis zwei Wochen gehen. Nach einer offenen Operation mit Bauchschnitt kann die Genesungszeit länger dauern. Wer eine körperlich sehr schwere Arbeit hat, muss unter Umständen länger pausieren.

 

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SWR | Doc Fischer | 22.05.2023 20:15

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