Hämophilie: Symptome, Diagnostik und Therapie
Die Bluterkrankheit ist eine Erbkrankheit. Betroffenen fehlt ein Protein für die Blutgerinnung. Eine lebenslange Behandlung ist nötig, die Lebenserwartung ist bei Hämophilie aber nahezu gleich wie bei Gesunden.
Meist sind Männer von einer Hämophilie betroffen, denn die Gene für die Bildung von Gerinnungsfaktoren (Proteine) liegen auf dem X-Chromosom. Während Männer nur ein X-Chromosom haben, besitzen Frauen zwei X-Chromosomen. Ist bei Frauen das Gerinnungsfaktor-Gen auf einem X-Chromosom defekt, ist es in den meisten Fällen auf dem zweiten X-Chromosom intakt. Auch wenn Frauen also meist nicht erkranken, können sie aber als Überträgerinnen (Konduktorinnen) den Defekt vererben.
Hämophilie A und Hämophilie B treten am häufigsten auf
Die bekanntesten Formen der Hämophilie sind die Typen Hämophilie A und Hämophilie B. Bei der Hämophilie A fehlt der sogenannte Gerinnungsfaktor VIII. Es ist die häufigste schwere Form. Laut Paul-Ehrlich-Institut ist einer von 5.000 Männern an diesem Typ erkrankt. Hämophilie B ist seltener. Hier fehlt der Gerinnungsfaktor IX, einer von 25.000 bis 30.000 Männern erkrankt.
Symptome bei einer Hämophilie
Das Blut der Betroffenen gerinnt nicht oder nur langsam - folgende Symptome sind typisch:
- Blutungen dauern länger.
- Blaue Flecken treten vermehrter und größer auf, besonders an Rumpf, Armen und Beinen.
- spontane Blutungen ohne sichtbare Wunden
- schmerzhafte und dauerhafte Einblutungen, zum Beispiel in Gelenke (häufig betroffen: Knie- und Ellenbogengelenk, Sprunggelenk), Muskeln, innere Organe
- häufiges Nasenbluten
- blutiger Urin
Bei leichten, oberflächlichen Schnittverletzungen oder Schürfwunden kommt die Blutung - entgegen der allgemeinen Annahme - aber meist von selbst zum Stillstand.
Diagnostik bei Hämophilie: Vererbung spielt wichtige Rolle
Die Diagnose beginnt mit einer Anamnese. Das heißt, die Krankengeschichte wird im Gespräch mit Ärztin oder Arzt erhoben. Sind bereits Fälle von Blutererkrankung in der Familie bekannt, kann dies ein wichtiger Hinweis sein. Durch eine Blutuntersuchung kann die Aktivität der Gerinnungsfaktoren VIII oder IX bestimmt und so der Schweregrad ermittelt werden. Auch ein Gentest kann Aufschluss geben.
Behandlung der Bluterkrankheit
Die Therapie ist lebenslang erforderlich. Betroffene müssen bei einer Hämophilie das fehlende Protein regelmäßig von außen zuführen, damit das Blut gerinnt und Betroffene nicht bluten. Neben den traditionell aus Blutplasma hergestellten Präparaten, gibt es auch gentechnisch hergestelltes Plasma. Beides wird injiziert. Wie oft eine Gabe nötig ist, hängt von der Schwere der Erkrankung und dem Präparat ab. Dabei gibt es eine Vielzahl an Therapieoptionen. Die Medikamente sind in der Regel gut verträglich. Der Körper kann unter Umständen mit Antikörpern gegen den Blutgerinnungsfaktor reagieren, dies kann aber auch wirksam behandelt werden.
Wichtig für Betroffene: Die Präparate sind virusfrei. Die Gefahr einer Übertragung von Hepatitis oder HIV, wie sie in den 1970er- und 1980er-Jahren für Bluter bestand, gibt es heute nicht mehr.
Therapie richtet sich nach Schwere der Hämophilie
In der Praxis wird bei einer Hämophilie - je nach Schwere - eine Bedarfs- und eine Dauerbehandlung unterschieden. Bei einer leichten oder mittelschweren Bluterkrankheit wird der Gerinnungsfaktor zugeführt, wenn es akute Blutungen gibt oder eine Operation bevorsteht.
Bei einer Dauerbehandlung injizieren sich Betroffene mit einer schweren Erkrankung den Gerinnungsfaktor in der Regel selbst. Ziel ist es, durch die regelmäßige Gabe die Gerinnung zu verbessern und die Erkrankung abzuschwächen. Das ist wichtig, um zum Beispiel die äußerst schmerzhaften Blutungen - zum Beispiel in Gelenken - zu verhindern.
Gentherapie: Therapeutika für Hämophilie-Behandlung zugelassen
Gegen schwere Formen der Bluterkrankheit vom Typ A sowie bei mittelschwerer und schwerer Hämophilie B sind in Europa jetzt erstmalig die Gentherapeutika Roctavian und Hemgenix für Erwachsene zugelassen worden. Dabei wird das Gerinnungsfaktor-Gen in Leberzellen der Betroffenen einmalig eingebracht. Transportiert wird das Gen mithilfe eines Adeno-assoziierten Virus (AAV). Sobald der Vektor von der Leberzelle aufgenommen wurde, beginnt diese mit der Herstellung des Gerinnungsfaktors - gesteuert vom eingebrachten Gen.
Ziel ist es, dass Betroffene den Gerinnungsfaktor nicht mehr spritzen müssen. Wie lange ein positiver Behandlungseffekt anhält, ist noch nicht bekannt - Langzeiterfahrungen fehlen. Erste Studien zeigen einen Effekt, der bereits bis zu drei Jahre anhält. Häufigste Nebenwirkung sind bisher erhöhte Leberwerte, die zu einer Leberschädigung führen können, aber behandelbar sind.
Gentherapie nicht bei allen Betroffenen wirksam
Allerdings sprechen nicht alle Betroffenen auf die Behandlung an. Und: Wer bereits Antikörper des Adeno-assoziiertes Virus, das in der Natur vorkommen, in sich trägt, bei dem wird der Körper den Vektor vermutlich zerstören. Zudem werden die eingebrachten Gene nicht ins Erbgut integriert. Wenn die Leber also neue Zellen bildet und alte absterben, sterben auch Zellen ab, die das Gen in sich tragen. Die ersten Ergebnisse sind Expertinnen und Experten zufolge aber vielversprechend und eine Therapieoption.
Physiotherapie: Wichtiger Baustein der Behandlung
Unterstützend ist Physiotherapie ein wichtiger Baustein bei der Behandlung von Hämophilie. Dabei werden die Gelenke mobilisiert, Koordinations- und Kräftigungsübungen unterstützen Muskeln und Gelenke. So kann Blutungen vorgebeugt werden, nach Operationen oder Verletzungen wird die Bewegung wieder verbessert.
Hämophilie: Vorsicht bei Wirkstoff Acetylsalicylsäure
Manche Wirkstoffe - wie Acetylsalicylsäure (ASS), Entzündungshemmer oder Schmerzmittel - hemmen die Aktivität der Blutplättchen. Diese Medikamente sollten Menschen mit der Bluterkrankheit unbedingt vermeiden.
Die Hämophilie beeinflusst nach heutigen Erkenntnissen die Lebenserwartung der Betroffenen nicht.
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