Coronavirus: Was passiert bei Ausgangssperren?
Um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen, gelten auch in Norddeutschland Kontakbeschränkungen. Weitergehende Ausgangssperren gibt es in Deutschland derzeit nicht. Unter welchen Voraussetzungen wären flächendeckende Ausgangssperren überhaupt möglich? Wer erlässt sie? Und müssen sich die Bürger daran halten? Hier finden Sie Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Haben andere EU-Länder Ausgangssperren beschlossen?
Innerhalb der EU haben mehrere Länder Ausgangssperren verhängt, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen - darunter Frankreich, Belgien, Italien und Spanien.
Was sollen Ausgangsbeschränkungen bewirken?
Ziel von Ausgangsbeschränkungen ist es, die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Mit den Maßnahmen soll erreicht werden, dass Menschen so wenig wie möglich direkten Kontakt zu- oder miteinander haben. Da das Virus von Mensch zu Mensch übertragen wird, könnten die Appelle von Politikern und Wissenschaftlern in dieser Hinsicht in der Corona-Krise eindringlicher nicht sein: "Bleiben Sie zu Hause! Halten Sie Abstand! Vermeiden Sie soziale Kontakte!"
Was ist bei Ausgangssperren verboten?
Grundsätzlich sind die Menschen dann aufgefordert, ihre Häuser, Wohnungen beziehungsweise Grundstücke nicht oder nur aus triftigen Gründen zu verlassen. Bei den Ausnahmen haben Behörden einigen Spielraum, wie ARD-Rechtsexperte Frank Bräutigam sagt.
Was bleibt bei Ausgangsbeschränkungen erlaubt?
Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Ein Beispiel: In Bayern gelten in Wunsiedel und Mitterteich folgende Regelungen: Bürger dürfen ihr Zuhause für wichtige Erledigungen verlassen, also etwa zum Einkaufen, für Post- und Bankenbesuche, Wege zum Arzt oder zur Apotheke oder die Fahrt zur Tankstelle. Auch der Weg zur Arbeit ist erlaubt - allerdings mit Bescheinigung des Arbeitgebers. Und auch das Betreuen Hilfsbedürftiger und Verwandter bleibt gestattet, genauso wie Besuche bei getrennt lebenden Kindern. Die Versorgung von Haustieren bleibt ebenfalls erlaubt, also etwa das Gassigehen mit dem Hund. Privatgärten, eigene Terrassen und Balkone dürfen zum Luftschnappen genutzt werden.
Müssen sich die Bürger an die Verbote halten?
Ja, betont Verfassungsrechtler Michael Sachs. Werde eine Ausgangssperre erlassen, müsse diese auch unmittelbar beachtet werden. Ein Widerspruch sei nicht möglich. Zwar könne man gegen die Sperren vor Gericht gehen, um einstweiligen Rechtsschutz dagegen zu bekommen. Bis dieser aber gewährt sei, müsse man die Regelungen befolgen.
Vermutlich würden Verstöße gegen flächendeckende Ausgangssperren von den deutschen Behörden mit Bußgeldern belegt. In Frankreich zum Beispiel sind bei Verstößen bis zu 135 Euro fällig, in Tirol in Österreich sind es bis zu 3.600 Euro. In Spanien helfen sogar Soldaten bei der Überwachung der Ausgangssperren.
Auf welcher Grundlage können Ausgangssperren erlassen werden?
Eine Grundlage für Ausgangssperren ist Paragraf 28 im Infektionsschutzgesetz. Dort steht, dass die zuständige Behörde - unter gewissen Voraussetzungen - Menschen verpflichten kann, "den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte nicht zu betreten, bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind".
Wie bewerten Rechtswissenschaftler Ausgangssperren?
Aus Sicht des Verfassungsrechtlers Michael Sachs sind Ausgangssperren ohne Weiteres möglich. Im Infektionsschutzgesetz seien solche Maßnahmen im Sinne des Seuchenschutzes schon seit Langem vorgesehen, sagte er im Interview mit NDR Info. Das Infektionsschutzgesetz sei ein Bundesgesetz, auf dessen Grundlage die Landesregierungen, die Landkreise oder auch Kommunen Ausgangssperren erlassen könnten. Die Legitimation sei daher klar gegeben.
Auch Staatsrechtler Stephan Rixen von der Universität Bayreuth hält Ausgangssperren rechtlich für begründbar, da das Robert Koch-Institut die Gefährdung in Deutschland mittlerweile für "hoch" hält. Der Jurist und Rektor der Universität Mannheim, Thomas Puhl, sagt, zur Abwehr einer Pandemie seien auch Eingriffe ins Grundrecht möglich: "Sie müssen aber geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein."
Welche Maßnahmen wären noch über Ausgangssperren hinaus denkbar?
Darüber kann derzeit nur spekuliert werden. Grundsätzlich gibt es in Deutschland Notstandsgesetze, die bisher aber nie zur Anwendung kamen. Sie erlauben der Bundesregierung, konkrete Anweisungen im Krisenfall zu geben. In der spanischen Hauptstadt Madrid fordert die Polizei die Menschen zum Beispiel inzwischen mit Drohnen auf, zu Hause zu bleiben. Solange solche technischen Geräte das Geschehen nicht aufnehmen, ist ihr Einsatz datenschutzrechtlich unverfänglich.
Ein Einsatz des Inlandsgeheimdienstes zur Überwachung der Bürger, wie ihn Israel plant, ist in Deutschland dagegen kaum vorstellbar. "Technisch wäre das zwar durchaus machbar", sagt Staatsrechtler Stephan Rixen von der Universität Bayreuth. Aber: "Man ginge damit an die Grenze des derzeit in Deutschland rechtlich Vertretbaren."