VIDEO: NDR Info live: Senioren am Steuer - ein zu hohes Risiko? (23 Min)

Autofahren im Alter: Mehr Sicherheit durch freiwilliges Training

Stand: 14.03.2024 11:24 Uhr

Ein Auto verspricht Mobilität bis ins hohe Alter. Lässt die Fahrtüchtigkeit nach, kann sich ein Fahrtraining lohnen. Auch ein Gesundheitscheck kann helfen, um Mängel beim Hören oder Sehen auszugleichen.

Wenn Laufen und Fahrradfahren nicht mehr möglich sind, ist das Auto für viele Menschen die Möglichkeit, Einkaufsfahrten und Arztbesuche zu erledigen oder Familie und Freunde zu besuchen. Jeder wünscht sich, dass diese Unabhängigkeit möglichst lange erhalten bleibt. Dennoch wird über die Frage, ob Senioren ab einem bestimmten Alter eine Gefahrenquelle im Straßenverkehr darstellen oder gar zu regelmäßigen Fahreignungstests verpflichtet werden sollten, immer wieder kontrovers diskutiert. 

Schwerwiegende Fehler in alltäglichen Situationen

Laut Statistischem Bundesamt gelten ältere Menschen als relativ sichere Autofahrer. Jüngere Fahrer sind dagegen deutlich häufiger an Unfällen mit Personenschäden beteiligt. Die meisten schweren Unfälle gehen auf das Konto von Fahranfängern. Doch auch wenn die Senioren in Summe deutlich weniger Unfälle verursachen: Setzt man die Zahl der Unfälle in Relation zum tatsächlichen Fahranteil der älteren Verkehrsteilnehmer, sind diese im Verhältnis viel häufiger in einen Unfall verwickelt als Fahranfänger. Fast immer sind die älteren Fahrer dann auch die Unfallverursacher. Häufig sind es alltägliche Fahrsituationen, in denen schwerwiegende Fehler passieren.

Sehen und Hören: Im Alter lassen die Fähigkeiten nach

Ältere Menschen haben aufgrund verschiedener altersbedingter Einschränkungen ein reduziertes Reaktionsvermögen. Sie sind weniger beweglich, sie hören und sehen schlechter und häufig lassen auch die kognitiven Fähigkeiten nach.

Einschränkungen des Sehens führen dazu, dass Fahrbahnen und andere Verkehrsteilnehmer oder Gefahrensituationen nicht sicher wahrgenommen werden. Aufgrund von schlechtem Sehen passieren genauso viele Unfälle wie durch Trunkenheit am Steuer. Doch vielen Autofahrern fällt ihre Sehschwäche gar nicht auf, da sie die schleichenden Prozesse selbst nicht wahrnehmen. Das Sehvermögen kann bei jedem Optiker oder Augenarzt überprüft werden. Schlechtes Sehen lässt sich heutzutage in vielen Fällen gut ausgleichen.

Dasselbe gilt für die Hörfähigkeit. Die Wahrnehmung nahender Fahrzeuge oder Warnsignale wie Hupen und Fahrradklingeln ist wichtig, um das Verkehrsgeschehen einzuschätzen und kann vom HNO-Arzt überprüft werden. Auch ein reduziertes Hörvermögen lässt sich, wenn es rechtzeitig erkannt wird, in vielen Fällen gut ausgleichen.

Weniger Beweglichkeit, langsamere Reaktionen

Die allgemeine Beweglichkeit nimmt mit dem Alter ab, sodass das Drehen des Kopfes beim Abbiegen und Einparken schwerfällt. Außerdem können einige Medikamente das Fahrvermögen beeinflussen. Die Fähigkeit, Situationen wahrzunehmen und darauf zu reagieren, verlangsamt sich im Alter. Dadurch fällt es älteren Verkehrsteilnehmern oft schwer, die Geschwindigkeit anderer Verkehrsteilnehmer einzuschätzen. Abbiegen und Überholen wird so oft schwierig. Radfahrer werden häufig nicht wahrgenommen oder ihre Geschwindigkeit falsch eingeschätzt. Dazu kommt, dass manche Senioren die aktuellen Verkehrsregeln nicht kennen.

Fahreignungsprüfungen nur in begründeten Einzelfällen

In Ländern wie Norwegen, Finnland oder der Schweiz sind Fahrtests für Senioren bereits Realität. Ab einem Alter von 70 Jahren sind hier ärztliche Untersuchungen zur Überprüfung der Fahrtauglichkeit Pflicht. In Spanien müssen Autofahrer bereits ab 65 alle fünf Jahre zum Gesundheitstest. In Deutschland werden Fahreignungsprüfungen nur in besonders begründeten Einzelfällen durchgeführt.

EU-Parlament will keinen Fahrtauglichkeits-Check

Die Entscheidung, ob es regelmäßige, verpflichtende ärztliche Untersuchungen für Autofahrerinnen und Autofahrer geben soll, bleibt den EU-Länder überlassen. Das hat das EU-Parlament beschlossen und sich damit gegen ursprüngliche Pläne ausgesprochen, den Führerschein von Menschen ab 70 auf maximal 5 Jahre zu befristen. Deutschland sieht die Medizinchecks kritisch.

Fahrtauglichkeit freiwillig überprüfen lassen

Allerdings hat jeder Autofahrer die Möglichkeit, seine Fahrtauglichkeit freiwillig überprüfen zu lassen. Regelmäßige Gesundheitschecks beim Arzt oder eine Übungsfahrt mit einem Fahrlehrer können Einschränkungen und Defizite bei den eigenen Fähigkeiten aufdecken und eventuell dabei helfen, Lösungen zu finden. Wichtig ist immer, dass im Alter die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Autofahren gegeben sind. Verkehrsexperten empfehlen daher, alle zwei Jahre die Seh- und Hörfähigkeit überprüfen zu lassen. Außerdem sollten sich Senioren in regelmäßigen Abständen auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes sowie psychische und neurologische Erkrankungen untersuchen lassen.

Ärztliche Diagnosen unterliegen der Schweigepflicht

Viele Menschen scheuen den Weg zum Arzt, weil sie Angst haben, ihren Führerschein zu verlieren. Doch Ärztinnen und Ärzte unterliegen der Schweigepflicht. Sie dürfen den Behörden ihre Diagnosen nicht melden. Die Polizei dürfen sie nur dann informieren, wenn Gefahr im Verzug ist. Bei bestimmten Erkrankungen können Ärztinnen und Ärzte aber ein rechtlich verbindliches Fahrverbot aussprechen. Insbesondere im Rahmen von dementiellen Erkrankungen, aber auch nach einem frischen Herzinfarkt oder im Rahmen einer Epilepsie darf nicht aktiv am Straßenverkehr teilgenommen werden.

Fahrstunden, Sicherheitstraining und Checks für Senioren

Fahrschulen bieten unabhängig vom Alter die Möglichkeit, sowohl die Fahrtheorie aufzufrischen als auch die Fahrtauglichkeit und -fähigkeit zu überprüfen. Im Rahmen einer Probefahrt im eigenen Auto beurteilt ein Fahrlehrer dabei das Fahrverhalten. Auch hier müssen keine negativen Konsequenzen befürchtet werden, wenn die Beurteilung nicht nur positiv ausfällt. Der Fahrer oder die Fahrerin erhält allenfalls Empfehlungen und Hinweise, worauf er oder sie achten sollte. Dazu kann bereits das richtige Einstellen von Autositz und Rückspiegel zählen. 

Moderne Techniken wie optische oder akustische Einparkhilfen, Parkassistenten, Rückfahrkameras, Spurhalteassistenten und elektronische Abstandskontrollen sowie größere Rückspiegel vereinfachen nicht nur das Einparken und das gesamte Autofahren, sondern sorgen auch für mehr Sicherheit. Zur Überprüfung des Fahrvermögens in Gefahren- oder Extremsituationen bieten ADAC, TÜV oder Verkehrswacht Fahrsicherheitstrainings an. Die Prüfgesellschaft Dekra bietet Mobilitäts-Checks nicht nur für Senioren an, der ADAC einen Fahr-Fitness-Check für Ältere (für 95 Euro bzw. 75 Euro für Mitglieder).

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Regional Hannover | 11.05.2023 | 07:30 Uhr

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