Essen als Thema: Museen machen Appetit auf Kunst und Kultur
Immer wieder greifen Museen das Thema "Essen" in ganz unterschiedlichen Varianten auf! Welche Angebote gibt es und welche Gedanken stehen dahinter?
Das MARKK in Hamburg hat das Potenzial von Ausstellungen und Veranstaltungen rund um das Thema Essen schon lange für sich identifiziert. Auf Nachfrage von NDR Kultur heißt es zur Begründung, dass Essen Erinnerungen freisetze und Menschen zusammenbringen könne. Genau da setzt das Haus mit Veranstaltungen an. Zum Beispiel können Interessierte im Rahmen eines Projekts Dinge zum Thema Essen, Gerichten und Lebensmitteln aus den weltweiten Sammlungen des Museums aussuchen und mit eigenen Geschichten verbinden. Das Haus erhofft sich, auf diesem Wege mit Menschen jeden Alters, sozialer und kultureller Biografie ins Gespräch zu kommen und diverse Stimmen im Haus hörbar zu machen.
Essen: Das Herz von Communities in der Diaspora
Schließlich könne Essen auch Prozessen der Aneignung oder des Ausschlusses dienen. Die Erfahrungen des Hauses zeigen, dass Essen oft für Freude stehe und daher oft das Herz von Menschen berühre, die nicht in ihrer Heimat leben. Somit stehe Essen auch in Verbindung mit weltweiten Ereignissen: Kolonialismus und Migration bestimmten auf verschiedene Weise, wie sich Supermärkte und Gastronomie in Deutschland und weltweit verändert haben. Im MARKK sind unter anderem Ess- und Aufbewahrungsgeschirr, Fotografien und Zubereitungsgeräte von unterschiedlichen Gerichten aus vielen Regionen der Welt zu sehen, an denen sich die Geschichten dieser Menschen zeigen lassen.
Auf eine Suppe im Kunstmuseum Celle
Auch im Kunstmuseum Celle gibt es schon seit längerem mehrere Programmpunkte zum Thema: Besonderer Beliebtheit erfreut sich laut Auskunft des Hauses das Format "Museum am Mittag", dabei gibt es zuerst einen zehn bis 15-minütigen Vortrag zu einem Kunstwerk der Ausstellungen und im Anschluss dann eine Suppe mit Getränk. Bei dieser Reihe finde ein persönlicher Austausch beim Essen statt, dadurch entstehe eine enge Bindung an das Publikum und auch eine gute Feedback-Kultur an den oder die Vortragenden.
Aus einem Frühstück wird Kunst
Ein Kunstwerk von Daniel Spoerri, welches in der aktuellen Ausstellung "Scharf gestellt - Neue Perspektiven auf Papier" zu sehen ist, setzt sich außerdem damit auseinander, was nach einem Essen an Spuren zurückbleibt. "Das Kunstwerk zeigt einen Fotodruck von einem 'Fallenbild', welches als Tischdecke verwendet wurde und somit auch an die Eat Art grenzt.", erläutert Sprecherin Anna Christiansen. Neben Führungen und einem Kurzvortrag zu diesem Thema biete das Haus für Schulklassen und Kindergartengruppen auch einen Workshop zu dem Kunstwerk an. Dabei wird aus den Resten eines gemeinsamen Frühstücks im Kunstmuseum Celle ein eigenes Fallenbild erstellt. Im Fokus stehen dabei auch die Themen Verschwendung von Verpackungen und Lebensmitteln.
Europäisches Hansemuseum: Spaziergang mit Weinprobe
Auch das Europäische Hansemuseum in Lübeck setzt auf das Thema Genuss! So beispielsweise bei der aktuellen szenischen Führung "Sommerpromenade": dabei geht es zu einem Spaziergang über den Lübecker Burghügel um 1900. Zum Abschluss der historischen Reise durch den industriellen Aufstieg der Stadt wird auf die Zukunft Lübecks angestoßen wahlweise mit einem Glas Lübecker Rotspon oder einem fruchtigen Traubensaft. Die Führung sei wohl auch deshalb so beliebt, weil die historische Zeitreise mit allen Sinnen erlebt werden kann, heißt es von Seiten des Hauses.
Spannende Geschichten zum Lübecker Rotspon
Außerdem entstehe eine gewisse mehrdimensionale Erfahrung, schließe lausche man beim Flanieren den Erzählungen aus vergangenen Zeiten und werde zum Ausklang bei einem Glas Lübecker Rotspon auch sinnlich angesprochen. Je mehr Sinne angesprochen werden, desto nachhaltiger bleibe das Erlebte im Gedächtnis. Das sei eine gängige Vermittlungsmethode. Dabei gebe es gleichzeitig viel Interessantes zu lernen, zum Beispiel wie der Lübecker Rotspon einst von den Hansekaufleuten auf dem Seeweg importiert und in den Kaufmannskellern zur Flaschenreife gebracht wurde. Geschichte und Kultur darf eben durchaus auch Spaß bringen!
Kunstmuseum Wolfsburg: Essen als Traditionsthema der Bildenden Kunst
In der Sammlung des Kunstmuseums Wolfsburg finden sich immer wieder Kunstwerke, die sich mit dem Thema Essen auseinandersetzen. So auch das erste Werk, das vor rund dreißig Jahren in die Sammlung des Museums kam: Tavolo a spirale in tubolare di ferro per festino di giornali datati il giorno del festino (1976) von Mario Merz. Die Arbeit zählt zu den ersten spiralförmigen Tischen des Künstlers. Bedeckt mit Obst und Gemüse spielt Merz hier mit der traditionellen Bildform des Vanitas-Stilllebens. Das Thema Essen habe schließlich eine lange Tradition in der Bildenden Kunst, begonnen bei vorchristlichen Darstellungen von Stillenden bis zur Genremalerei des Stilllebens.
Lecken und Schmecken im Kunstmuseum Wolfsburg
Auch heute in der zeitgenössischen Kunst werde das Thema Essen immer noch vielfach verhandelt. Die Beschäftigung mit dem Sujet gehe dabei über die ästhetische Qualität hinaus, was sich entsprechend auch schon in Ausstellungen des Hauses niedergeschlagen hat. So etwa bei "In aller Munde. Von Pieter Bruegel bis Cindy Sherman", die 2020 und 2021 in Wolfsburg zu erleben war. Die Ausstellung untersuchte die Kunst- und Kulturgeschichte des Mundes von der Antike bis zur Gegenwart. Ein Kapitel der Ausstellung widmete sich dem Lecken und Schmecken. Hier wurde insbesondere die sinnliche Komponente von Essen angesprochen.
Essen als sinnliche, aber auch politische Erfahrung
Das Kunstmuseum Wolfsburg weist darauf hin, dass Essen als zentrale Notwendigkeit des menschlichen Lebens Künstler*innen seit jeher beschäftige. Von der ästhetischen Ebene über die sinnliche Erfahrung bis hin zum politischen Aspekt. Genau diese Punkte würden auch bis heute die Besucherinnen und Besucher faszinieren, dabei gehe es nicht zuletzt auch um eine sinnliche Erfahrung, die wir alle tagtäglich machen. Auch deswegen ist das Thema in den Kunstvermittlungsangeboten des Hauses präsent: Insbesondere Formate wie "Art after work" oder "Eat & Art" erfreuen sich laut Auskunft des Hauses großer Beliebtheit.
Eat Art bis 14. Juli 2024 in Kunsthalle Bremen
Auch in der Kunsthalle Bremen ist das Thema Essen laut Kurator Hartwig Dingfelder als prägendes Thema in verschiedenen historischen wie zeitgenössische Kunstwerken präsent. Aktuell spiele Essen etwa eine Rolle in der laufenden Sonderausstellung "Wild! Kinder - Träume - Tiere Kunst" (bis 14. Juli 2024), die sich in erster Linie an Kinder und Familien richtet. So werde dort zum Beispiel anhand der Eat Art von Dieter Roth das Wildsein im künstlerischen Ausdruck thematisiert. Für seine Reliefplastik "Am Strand" von 1969 habe der Künstler gefundene Gegenstände wie eine Bohrmaschine oder einen Teelöffel mit flüssiger Schokolade übergossen, erläutert Dingfelder. Die natürliche Veränderung des verderblichen Materials habe, wie von Roth auch intendiert, mit der Zeit seine Farbe und Struktur verändert.
Museumsquartier Osnabrück: Alltagsgegenstände als Hauptakteur
Auch im Museumsquartier in Osnabrück finden sich Werke, die sich mit dem Thema Essen befassen. Aktuelle sind beispielsweise Werke der Malerin Felka Platek, Ehefrau von Felix Nussbaum, zu sehen. Von ihr seien nur wenige Werke übermittelt, erläutert Sprecherin Claudia Drecksträter, es gehören jedoch einige Stillleben dazu, besonders aus dem häuslichen Umfeld, die im Leben im Exil und im Versteck in Brüssel entstanden sind: "Hier malt sie Lebensmittel und Gegenstände aus dem häuslichen Umfeld, sie werden auf diesen Werken zum Hauptakteur."
Sinnlich-künstlerische Gestaltung des Essens bei Günter Grass
Ein Spektakel war etwa auch die Ausstellung "Grass kocht. Essen im Werk von Günter Grass", welche unter großem Medienrummel mit einer Kochshow mit Starkoch Johann Lafer im Lübecker Günter Grass-Haus eröffnet wurde. Der Fokus der Ausstellung war die sinnlich-künstlerische Gestaltung des Essens im Werk von Günter Grass und zugleich die politische Dimension des Essens und der Ernährung. Ziel der Ausstellung war es, einen Bogen zur anhaltenden gesellschaftspolitischen Relevanz des Themas zu knüpfen, auch im Rahmen des Begleitprogramms.