Aufschrift "Freier Eintritt" an einem Container © picture alliance/dpa | Fabian Sommer Foto: Fabian Sommer

Museen im Norden: Was bringt freier Eintritt?

Stand: 30.09.2023 06:00 Uhr

Immer wieder wollen Museen mit freiem Eintritt ein breiteres Publikum anlocken. Doch bringt das auch etwas? NDR Kultur hat bei Einrichtungen im Norden nachgefragt.

von Anina Pommerenke

Im Pommerschen Landesmuseum gibt es nur selten freien Eintritt. Grund dafür ist eine verbindliche Gebührenordnung. Das Haus muss sich auch mit seinen institutionellen Förderern kurzschließen, wenn es freien Eintritt gewähren möchte, heißt es auf Nachfrage von NDR Kultur. Freier Eintritt sei daher auf Ausnahmen beschränkt - wie etwa Ausstellungseröffnungen und das Stadtfest "Ein Tag mit Caspar David Friedrich" am letzten Samstag im August. An diesem Aktionstag beteiligen sich traditionell mehrere Einrichtungen in Greifswald, der freie Eintritt gehört dabei zum Konzept. Und siehe da: Es kommen deutlich mehr Besucher:innen als gewöhnlich, so die Beobachtung des Hauses, auch wenn es keine qualitative Auswertung dazu gibt.

Greifswald: An einem Tag so viele Besucher wie sonst im Monat

Zu sehen ist der Eingang des Pommerschen Landesmuseums in Greifswald. © NDR Foto: Mike-Thomas Römisch
Ins Pommersche Landesmuseum in Greifswald kommen an Tagen mit freiem Eintritt deutlich mehr Besucherinnen und Besucher.

Julia Kruse, die Sprecherin des Hauses, ist jedoch überzeugt, dass neben dem Eintritt hauptsächlich die Inhalte für einen Besuch entscheidend seien: "So wurde uns schon mitgeteilt, dass zu Fotoausstellungen Besucher kamen, die gewöhnlich nicht ins Museum gehen." Auch das Caspar-David-Friedrich-Zentrum in Greifswald beteiligt sich am Caspar-David-Friedrich-Tag.

An diesem Tag verzeichne das Haus einen sehr hohen Andrang, so Geschäftsführerin Caroline Barth: "Letztes Jahr hatten wir an diesem einen Tag mehr Besucher:innen als im gesamten Monat Februar des Jahres." Gleichzeitig handele es sich dabei oft um Menschen, die "nur mal gucken" wollen und tatsächlich ohne Informationen zu lesen oder an Workshops teilzunehmen einmal durchs Haus "rennen" und dann wieder weg sind, so ihre Beobachtung.

Freier Eintritt lockt Menschen an, die sonst nicht ins Museum gehen

Auch am Internationalen Museumstag im Mai sowie dem Tag des offenen Denkmals im September setzt das Haus auf kostenlosen Eintritt. Zu den Vernissagen der wechselnden zeitgenössischen Kunstausstellungen werde ebenfalls eingeladen, was von einem entsprechend interessierten Publikum sehr gerne angenommen werde. Der positive Nebeneffekt: Die Besucher:innen, die sich eingehender mit den aktuellen Kunstwerken befassen wollen, kommen im Anschluss wieder, um sie sich entweder alleine oder in kleinen Gruppen zu Gemüte zu führen - dann kostenpflichtig. Außerdem ist der Eintritt für Mitglieder der Caspar-David-Friedrich-Gesellschaft e. V. und Kinder unter zwölf Jahren durchgängig kostenfrei.

Unterm Strich, so Barth, bringe freier Eintritt Menschen ins Museum, die andernfalls in den meisten Fällen höchstwahrscheinlich gar nicht kommen würden. Gleichzeitig beobachte sie häufig einen Unterschied im Verhalten während des Museumsbesuches, der dann - mutmaßlich auch wegen des großen Andrangs - eher an der Oberfläche bleibe. Im Optimalfall führe das Hereinschnuppern bei freiem Eintritt dazu, dass jemand derart neugierig und/oder begeistert wurde, dass er/sie (immer) wieder kommt. Ihr liege es darüber hinaus am Herzen, dass das aus öffentlicher Hand geförderte Haus gleichberechtigt für alle Menschen zugänglich bleibt, unabhängig von deren Finanzkraft.

Freier Eintritt kommt auch in Lübeck gut an

Auch die Lübecker Museen, zu denen insgesamt elf Kultureinrichtungen in der Stadt gehören, haben bislang im Hinblick auf die reine Quantität an Besuchern positive Erfahrungen beim Thema freier Eintritt zu verzeichnen. Im März 2022 konnten bei einem Tag der offenen Tür in den Museen Günter-Grass-Haus und Museum Behnhaus Drägerhaus beide Häuser kostenfrei besucht werden. So sollten die damals neuen Dauerausstellungen beider Museen dem breiten Publikum vorgestellt werden - mit einem tollen Ergebnis: "Dieser Tag wurde super angenommen und wir hatten an dem einen Tag mehr Besucher:innen als sonst an einem regulären Wochenende zusammen", teilt der Museums-Verbund auf Nachfrage mit.

Schulklassen aus sozialen Brennpunkten profitieren

Eine Frau mit Brille guckt in die Kamera. © Lena Morgenstern
In Sachen Innovation im Museum immer ganz vorne mit dabei: Felicia Sternfeld leitet das Europäische Hansemuseum in Lübeck.

Auch das Europäische Hansemuseum in Lübeck hat sich vorgenommen, Menschen jeden Alters und jeden Hintergrunds zugunsten von Bildung, Gesundheit und Lebensqualität ins Museum zu bringen. Deshalb gibt es dort seit 2022 für junge Menschen unter 18 Jahren freien Eintritt. Laut Direktorin Felicia Sternfeld habe es diesbezüglich bereits viele positive Rückmeldungen von Lehrer:innen gegeben, denn gerade Schulklassen aus sozialen Brennpunkten würden davon profitieren: "Zugänglichkeit und Teilhabe sind wichtige Voraussetzungen, die durch den freien Eintritt unterstützt werden", sagt Sternfeld.

Untersuchungen zeigen: Freier Eintritt hat insgesamt kaum Effekt

Gleichzeitig verweist Sternfeld auf zahlreiche Untersuchungen im Museumsbereich: "Diese legen grundsätzlich nahe, dass der freie Eintritt an sich nicht zu einer signifikanten Veränderung im Besuchsprofil im Allgemeinen führt - Schulklassen ausgenommen." Das bedeute also, dass die Reichweite in den unteren sozioökonomischen Schichten durch diese Maßnahme nicht nachweisbar erhöht werden könne.

Sternfeld bezieht sich dabei auf eine 2019 in Baden-Württemberg durchgeführte Studie, die gezeigt habe, dass freier Eintritt kein pauschal geeignetes Mittel ist, um mehr Menschen anzusprechen. Laut einer Studie des British Art Fund bleiben andere Barrieren bestehen, die Menschen davon abhalten, Museen zu besuchen - darunter unter anderem mangelndes Wissen über das Ausgestellte und ein Gefühl der Einschüchterung, so Sternfeld. Deswegen suche ihr Haus auch immer wieder nach anderen Ideen, um mehr Menschen anzusprechen.

Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen MV regelmäßig "for free"

DieStaatlichen Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen Mecklenburg-Vorpommern (SSGK MV) bieten zahlreiche Möglichkeiten, die Einrichtungen kostenfrei zu besuchen: So haben Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr grundsätzlich freien Eintritt in die Schlösser Bothmer, Ludwigslust, Mirow, Hohenzieritz, Jagdschloss Granitz und ins Schlossmuseum Schwerin. Am Tag des offenen Denkmals im September und zum Internationalen Museumstag im Mai gibt es seit Jahren freien Eintritt für alle.

In diesem Jahr gab es außerdem anlässlich des Internationalen Frauentages am 8. März freien Eintritt für alle interessierten Frauen in die geöffneten Schlösser Ludwigslust, Jagdschloss Granitz sowie ins Schlossmuseum Schwerin. Darüber hinaus ist jedes Jahr das Kulturprogramm rund um die Veranstaltung "Gartentag" im September auf Schloss Bothmer kostenfrei. Auch zum Gartentag am 2. September war erstmals ein kostenfreier Besuch des Schlosses möglich.

SSGK MV: An freiem Eintritt festhalten

Die Angebote werden durchaus wahrgenommen, sagt Sprecherin Monique Marschalek auf Nachfrage von NDR Kultur: So verzeichnen die Häuser am Tag des offenen Denkmals und am Internationalen Museumstag in den Schlossmuseen aufgrund des freien Eintritts ein deutlich erhöhtes Besucheraufkommen. Am Internationalen Frauentag am 8. März 2023, der in diesem Jahr in Mecklenburg-Vorpommern zusätzlich erstmals ein Feiertag war, haben sich die Besuchszahlen im Vergleich zu denen in den Vorjahren mehr als verdoppelt, so Marschalek.

Dementsprechend wollen die SSGK MV an den genannten Aktionstagen unbedingt festhalten. Auch der Eintritt in das Staatliche Museum Schwerin wird in den ersten vier Jahren nach der Wiedereröffnung im Jahr 2025 für alle Besucherinnen und Besucher kostenfrei sein. Finanziert wird das durch die Dorit und Alexander Otto Stiftung sowie das Land Mecklenburg-Vorpommern.

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