Comedian Daniel-Ryan Spaulding: "Power Gay" auf Deutschlandtour
Am 3. September trat Daniel-Ryan Spaulding in Hamburg auf, am 6. September wird er in Hannover zu sehen sein. Wofür steht der kanadische Comedian, der mit seinen Instagram-Reels zu Identität, Sexualität und insbesondere homosexuellen Stereotypen immer beliebter wird?
Schon mit einem schwungvollen "Moin" beweist Daniel-Ryan Spaulding zum Auftakt seines jüngsten Insta-Reels, dass er seine Hausaufgaben in Sachen Lokalkolorit gemacht hat. Im Schnelldurchlauf klappert er die beliebtesten und angesagtesten Hotspots der Hamburger Schwulen-Community ab, von der legendären Wunderbar auf (Achtung: Wortwitz!) "Saint Poly" bis zum Café Gnosa in "Saint Gay-Org".
Er nimmt feine, kleine Beobachtungen auf, jongliert frech und ironisch mit Klischees, Wortwitz und Übertreibungen, sodass sie manchmal ein bisschen weh tun - aber eben auch sehr lustig sind. Denn an jeder noch so steilen Aussage klebt doch auch ein gehöriger Batzen Wahrheit. So stimmt Spaulding seine Fans auf seinen nächsten Auftritt in der Hansestadt ein.
Spaulding begeistert ein internationales Publikum
Mit Social-Videos wie diesem begeistert der aus Kanada stammende und mittlerweile in Berlin lebende Comedian sein internationales Instagram-Publikum - insbesondere die queere Community. Gerade zu Corona-Zeiten - auch durch einen Gastauftritt in Jan Böhmermanns "ZDF Magazin Royale" - konnte er seine Reichweite deutlich erhöhen, jetzt ist er auf "Power Gay"-Deutschlandtour.
Auftritte in zahlreichen Ländern
Es ist ein Programm, mit dem er unter anderem schon in New York City gastiert hat. Überhaupt ist Spaulding umtriebig: in über 50 Ländern hat er laut eigener Auskunft schon auf der Bühne gestanden. In Deutschland wird seine Fanbase gerade immer größer, obwohl die Feinheiten seines Wortwitzes oft nur mit vertieften Englischkenntnissen richtig gut zu verstehen sind.
Zuletzt sorgte er mit einer radikalen körperlichen Veränderung für Aufsehen: 100 Kilo hat Spaulding dank einer Magenverkleinerung abgespeckt, er ließ sich Haare transplantieren, Botox und Filler spritzen und das Gesicht liften. Und redet, im Gegensatz zu vielen anderen, offen darüber. Sogar vom OP-Tisch meldet er sich in seinen Reels zu Wort. Er verheimlicht nicht. Er feiert seine Entscheidung und seine Veränderung.
Zweite Chance durch extremen Gewichtsverlust
Die körperliche Veränderung fühle sich für ihn wie eine zweite Chance im Leben an, reflektiert Spaulding. Er sei sich der zahlreichen Schwierigkeiten und Herausforderungen infolge des starken Übergewichts lange nicht bewusst gewesen. Nicht nur, weil er einen begrenzten Bewegungsradius hatte, etwa nicht tanzen konnte.
Er habe auch Bodyshaming vom Feinsten erlebt: von Türstehern, Barkeepern, Menschen in der Öffentlichkeit und Menschen im Kundenservice, zählt Spaulding auf. "Es hat mich nicht überrascht, dass ich jetzt als dünne Person ganz anders behandelt werde als vorher." Dass er aufgrund seines Äußeren schlecht behandelt wurde, habe ihm emotional viel mehr zugesetzt, als er sich lange eingestehen wollte. Jetzt fühle er sich umso befreiter und das wolle er zelebrieren: eine Wiedergeburt als Power Gay.
Selbstironische Karikatur der "Power Gays"
Als "Power Gays" werden in der Regel homosexuelle Männer bezeichnet, die eine gesellschaftlich anerkannte Position genießen und einen extrem aktiven Lebensstil haben. Auch dieses Konzept treibt Spaulding in seinen Social-Videos gerne auf die Spitze, mutiert dort zum rücksichtslosen, in Geld schwimmenden, lästernden und auf den Gefühlen unschuldiger Jungs vom Lande herum trampelnden Alpha-Gay, der natürlich (wo sonst?) in Berlin-Mitte wohnt und immer einen extrem hübschen, dafür aber meist nicht so schlauen Boyfriend an der Seite vorzeigen kann. Nicht jeder verstehe, dass er auf seinem Instagram-Kanal bevorzugt mit Satire spiele und dabei in verschiedene Rollen schlüpfe, berichtet Spaulding. Im Gegensatz zu seinem Bühnenprogramm, wo er deutlich mehr bei sich und seinem Leben bleibe.
Lieblingsthema: Deutsche Bürokratie
Auch das Leben "unter Deutschen" taucht in Spauldings Comedy immer wieder auf. Nicht zuletzt ein Video über die in seinen Augen nicht vorhandene Effizienz in Sachen Problemlösung gehört zu einem seiner absoluten Hits. Darin persifliert er den Hang von Deutschen, ein Problem nicht direkt zu lösen sondern das Problem auszulagern, immer und immer wieder in Meetings zu diskutieren und ja nicht zu vergessen, bei dem gesamten Problemlöseprozess um Erlaubnis zu fragen - natürlich nicht ohne einen Mallorca-Urlaub einzuschieben. Auch hier kann er seine Beobachtungsgabe wieder voll ausspielen. Den Deutschen attestiert er dabei einen guten Sinn für Humor, er bewundere, dass sie sehr über sich selbst lachen können: "Wenn man das historisch betrachtet, dann müssen die Deutschen eben jetzt auch einfach mal einstecken", scherzt Spaulding.
"You should not do this, you should not do that"
Genüsslich kostet er auch eine Anekdote aus, als das Finanzamt ihm eine Strafe für das Nicht-Ausfüllen eines Formulars aufgebrummt hatte, das für seine Form der Arbeitsgenehmigung überhaupt nicht existiert. Seine Steuererklärung würde er sowieso immer vorbildlich abgeben, um ja keinen Ärger mit dem Finanzamt zu riskieren: "Take all my money, but please don't take me to jail", appelliert er demütig an die deutschen Behörden.
Gleichzeitig beobachte er interessiert, wie sich viele junge Deutsche befreien wollen - vom Bild des ernsten und engstirnigen Deutschen, so Spaulding: "You should not do this, you should not do that", imitiert er gekonnt mit starkem deutschen Akzent. Außerdem habe er in Deutschland nie eine negative Erfahrung in Bezug auf seine Homosexualität gemacht: "Da musst du schon in einem sehr kleinen Dorf unter einem Stein leben, wenn du in diesem Land heute noch Probleme mit Schwulen hast."
Spaulding will als Comedian "kein Arsch sein"
Auf die Frage, ob seine Comedy für ihn auch Grenzen habe, antwortet er schlagfertig: "Ich versuche einfach, kein Arsch zu sein". Wenn er merke, dass ein Witz zu gemein sei, mache er ihn nicht ein zweites Mal. Zwar will Spaulding sich nicht einschränken lassen und die Grenzen der Kunstfreiheit auskosten. Es müsse erlaubt sein, etwas auszusprechen - auch wenn sich abzeichne, dass es jemandem nicht passen könnte, findet er.
Gleichzeitig möchte Spaulding nicht so weit gehen, sein Leben zu ruinieren, zum Beispiel weil Menschen anfangen, seine Familie zu bedrohen. Da ist als Satiriker viel Fingerspitzengefühl gefragt. Spaulding steht jedenfalls für eine sehr offene Comedy: ein bisschen schwul, ein bisschen kitschig, ein bisschen politisch, ein bisschen gemein - aber immer intelligent und authentisch!