Kultureinrichtungen: Wo sind all die Fachkräfte hin?
Der Fachkräftemangel ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Auch die Kulturbetriebe im Norden suchen händeringend nach Personal. Ein Problem: Die Veranstaltungen sind häufig abends, die Arbeitszeiten familienunfreundlich.
Das Schauspiel Hannover bekomme den Fachkräftemangel in nahezu allen Bereichen des Theaters zu spüren, berichtet Intendantin Sonja Anders auf Nachfrage von NDR Kultur. Am wenigsten Sorgen bereite ihr dabei der Bereich Ensemble und Regie. Doch neben der Schwierigkeit, qualifiziertes Personal zu engagieren, kommt noch eine ganz andere Herausforderung hinzu. "Wir spüren vor allem eine Veränderung in der Einstellung zur Arbeit, beziehungsweise der Erwartungen, die an die Arbeitgeberin gerichtet sind. Da müssen die Theater dringend nachbessern", so Anders. Schließlich bieten die Theater bislang nicht besonders familienfreundliche Arbeits- und Urlaubsregelungen. Und das in Zeiten, in denen mobiles Arbeiten und Teilzeitverträge immer beliebter werden, gibt die Intendantin zu Bedenken. Sie setzt für die Zukunft auf die Außenwirkung des Hauses: "Wenn ein Haus einen guten Ruf und ein positives Betriebsklima hat, spricht sich das herum. Darin zu investieren, ist die beste Werbung für neue Fachkräfte."
Probleme in der Veranstaltungstechnik
Das Theater Lübeck spürt den Fachkräftemangel schmerzlich. Vor allem in den technischen Gewerken und in der Veranstaltungstechnik sei es schwierig, Personal zu finden, heißt es auf Nachfrage. Daher freue sich das Haus besonders, wenn es Auszubildende aus diesen Bereichen übernehmen kann. Man sei auch schon mit anderen Theatern in Schleswig-Holstein und den Ministerien in Kontakt, um weiter darüber nachzudenken, wie junge Menschen für die technischen Berufe im Theater, die immer ein wahnsinnig breites, spannendes, abwechslungsreiches Aufgabenfeld umfassen, begeistert werden können.
Immer weniger Auszubildende
Ganz ähnliche Beobachtungen macht Personalleiterin Nadine Zander vom Staatstheater Braunschweig. Auch dort sei die Bewerberzahl gerade im technischen Bereich stark zurückgegangen. Aber auch der kaufmännische Bereich für die normale Ausbildung werde immer weniger: "Entgegenwirken können wir nur mit einer besseren Bekanntheit und Präsenz. Dies wollen wir durch einen neuen Aufbau der Ausbildung, wo auch das Thema Jobmessen und Social-Media im Fokus steht, erreichen." Außerdem habe das Haus einen Zukunftstag eingeführt. Allein in diesem Jahr wurde dabei circa 55 Kindern in verschiedenen Abteilungen das Theater näher gebracht, berichtet Zander. Zugleich ermögliche das Haus Kindern und Jugendlichen Schulpraktika in den verschiedenen Abteilungen, da sei man schon sehr gut aufgestellt, gleichzeitig habe das Angebot an Bedeutung gewonnen.
Vermehrte Präsenz in Hochschulen und auf Digitalplattformen
Auch das Kunstmuseum Wolfsburg teilt mit, dass es generell in den vergangenen Jahren schwieriger geworden sei, Stellen neu zu besetzen, da die Bewerbungszahlen tendenziell sinken. Das betreffe alle Sparten des Hauses: von den wissenschaftlichen Volontär:innen bis hin zu Handwerkern und Technikern. Unterm Strich sei es also deutlich schwieriger geworden, qualifiziertes Personal zu finden. Auch das Oldenburgische Staatstheater kennt die Sorgen, immerhin kann es sich in diesem Jahr über viele neue Auszubildende freuen. Als Reaktion sei man außerdem vermehrt auf Messen, in Universitäten und Hochschulen sowie auf Sozialen Jobnetzwerken wie Xing und Linkedin präsent.
Hansemuseum ist noch gut aufgestellt
Das Europäische Hansemuseum (EHM) in Lübeck kann sich dagegen im wissenschaftlich-inhaltlichen Bereich und in den "klassischen" Arbeitsfeldern des Museumsbereichs über eine hohe Nachfrage freuen: so zum Beispiel bei Kulturwissenschaftler*innen, Archäolog*innen, Historiker*innen oder Nachwuchskräften, die ein Volontariat anstreben, berichtet Direktorin Felicia Sternfeld. Im Gegensatz zu vielen anderen Kultureinrichtungen erfreue sich das EHM sogar im Veranstaltungsbereich einer guten Nachfrage. Sternfeld führt das vor allem auf die familienfreundlichen Arbeitszeiten zurück. Schlechter sehe es dagegen in den Bereichen der IT, Technik, Verwaltung, Buchhaltung und des Personals aus - dort habe das EHM wie andere Unternehmen mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen. Auch wenn das EHM vom Standortvorteil Lübeck als Wohnort mit hoher Lebensqualität profitiere, stehe es bei administrativen und technischen Jobs im Wettbewerb mit anderen Anbietern in der Region, gibt Sternfeld zu Bedenken.
Häuser müssen Anreize bieten
Eine Strategie, sich in diesem Feld zu behaupten, sei die Positionierung als attraktive Arbeitgebermarke: "Die Qualifizierung und Weiterbildung der Mitarbeitenden ist dabei ein wichtiges Element." Darüber hinaus stehe das EHM für ein integratives Umfeld, das Vielfalt und Diversität fördere, so Sternfeld. Das bedeute etwa, dass passende Bewerber:innen mit Migrationshintergrund - falls notwendig - zum Beispiel mit Sprachkursen unterstützt werden. Weitere Anreize des Hauses stellen darüber hinaus das Deutschland-Jobticket - eine bezuschusste Monatskarte für den öffentlichen Nahverkehr, flexible Arbeitszeiten und die Möglichkeit, mobil zu arbeiten dar.
Praktika und Volontariate um junge Menschen anzuwerben
Auch die Staatlichen Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen Mecklenburg-Vorpommern (SSGK-MV) haben das Problem längst identifiziert. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, biete das Haus wissenschaftliche Volontariate, Freiwilligendienste (FSJ) und Schülerpraktika an, um jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, die Tätigkeitsfelder der SSGK M-V kennenzulernen und sich zu orientieren. Auch Studierende aus Bildungseinrichtungen wie der FH Güstrow werden demnach bei den SSGK M-V durch Praktika in verschiedenen Bereichen ausgebildet. So sollen junge Menschen für die Mitarbeit in der Behörde begeistert werden und man versuche, ihnen Perspektiven zu bieten.
Immerhin kann das Pommersche Landesmuseum vermelden, vom Fachkräftemangel derzeit nicht betroffen zu sein. Man habe allerdings auch ein ziemlich kleines Team und bilde nicht aus. Die Lübecker Museen, dazu gehören insgesamt elf Kultureinrichtungen in der Stadt, wollen hingegen eine neue Stelle zur Ausbildung zum Kaufmann/ Kauffrau für Büromanagement ausschreiben, was durchaus als Maßnahme gegen den Fachkräftemangel bewertet werden kann. In Bezug auf das wissenschaftliche Personal gebe es derzeit noch keine Probleme mit Blick auf die Stellenbesetzungen.
Aushilfen und Freie Mitarbeitende ebenfalls schwer zu bekommen
Auch das Caspar-David-Friedrich-Zentrum in Greifswald hat den Fachkräftemangel bereits zu spüren bekommen, wie Geschäftsführerin Caroline Barth berichtet. Das Zentrum wird von einem gemeinnützigen Verein getragen, sodass man auf Förderung aus öffentlicher Hand angewiesen sei und mit jeweils sehr begrenztem Budget für Personal auskommen müsse. Neben der Geschäftsführenden Leiterin sei daher nur die Kollegin, die den Museumsladen und den Verkehr der Besuchenden regelt, festangestellt. Mit jeweils 30 regulären Arbeitswochenstunde lasse sich der Arbeitsumfang jedoch in keiner Weise abdecken, der für den regulären Betrieb des Museums benötigt werde, so Barth. Daher sei das Haus auf geringfügige Beschäftigte und einen Pool aus Freien Mitarbeitenden angewiesen. Diese zu akquirieren seit bis vor zwei Jahren auch kein größeres Problem gewesen, trotz der relativ häufigen Fluktuation gerade unter den Studierenden.
"Es war sehr sicher mit folgenden Bewerbungen zu rechnen, um die daraus resultierenden Vakanzen neu zu besetzen - insbesondere als Vertretung im Bereich Shop Assistenz oder bei den Kreativ-Workshops und Führungen durch Studierende der Kunst, Kunstgeschichte, Geschichte", berichtet Barth. Das habe sich mittlerweile stark geändert, was teilweise über Monate zu Personalmangel in diesen Bereichen geführt hat, sodass Schichten im Museumsladen nicht besetzt werden konnten, insbesondere bei ungeplantem Mehraufwand, wie etwa Krankheitsfällen. Aber auch das Angebot öffentlicher Workshops und Führungen sei teilweise verhältnismäßig dünn gewesen, da niemand nachgerückt sei, der oder die diese Aufgaben fachlich und auch pädagogisch adäquat hätte übernehmen können: "Gerade bei Arbeit mit Kindern und Jugendlichen achten wir sehr auf entsprechende Qualifikationen und Softskills."
Faire Vergütung gegen den Fachkräftemangel
Dem Fachkräftemangel könne ihrer persönlichen Meinung nach insbesondere dadurch entgegengewirkt werden, indem die Arbeit fair vergütet würde. Davon sei das Caspar-David-Friedrich-Zentrum, das nicht an die Tarife des öffentlichen Dienstes angeglichen ist, sehr weit entfernt. Daher verstehe sie auch, wieso andere Arbeitgeber:innen, die ebenfalls Mindestlohn zahlen, mitunter attraktiver wirken auf junge Menschen. Momentan sei das Haus wieder in der glücklichen Lage, durch eine sehr angenehme Arbeitsatmosphäre und ein mit leidenschaftlichem Engagement arbeitenden Team insbesondere diejenigen Menschen für eine anschließende Mitarbeit zu gewinnen, die durch Praktika in den verschiedenen Teilbereichen der musealen Arbeit einen Einblick in das Haus gewinnen konnten. Dennoch bleibt Barth bei ihrem Plädoyer: "Eine faire Vergütung, gerade weil so viel Engagement in der Kulturarbeit dazu gehört, ist über Kurz oder Lang unabdingbar um dem Fachkräftemangel auf diesem Gebiet entgegenzuwirken."