Influencer und Kultureinrichtungen: Zaghafte Annäherung

Aus der Fashion- oder Kosmetikwelt sind Influencer nicht mehr wegzudenken. Im Kulturbereich kommen sie eher sporadisch zum Einsatz, wie eine Umfrage von NDR Kultur zeigt.

von Anina Pommerenke

"Hey, kennst du eigentlich schon die Neue in den Deichtorhallen?". Fröhlich führt Influencerin Tessa durch die neue Ausstellung in den Deichtorhallen. Sie bestaunt die bunten Wände, freut sich, wenn sie das Motiv vom Flyer entdeckt und feststellt, dass es gar kein Gemälde sondern ein Teppich ist. Erzählt, welche Werke und Botschaften sie besonders beeindruckt haben und zieht nach rund einer Stunde im Museum ein positives Fazit.

Keine großen Persönlichkeiten wie im Bereich Mode und Kosmetik

Influencerin Tessa und die Deichtorhallen haben im vergangenen Jahr eher zufällig zueinandergefunden, verrät Matthias Schönebäumer aus der Abteilung Digitale Projekte. Das Phänomen der Influencer und deren Relevanz für Instagram sei dem Haus natürlich nicht entgangen, es sei aber im Bereich Kunst und Kultur noch nicht unbedingt angekommen. Als Schönebäumer zufällig Tessas Kanal "kunstmitkommen" entdeckte, war er dennoch gleich von der Hamburgerin überzeugt, auch wenn sie mit aktuell knapp 2.000 Abos verhältnismäßig wenige Follower hat.

Interessante und frische Perspektive auf die Deichtorhallen

"Ich fand die Art und Weise, wie sie auf ihrem Kanal Ausstellungen vorstellt, sehr erfrischend, nahbar und sympathisch. Nicht so durchgestylt oder gelackt", schildert Schönebäumer seine ersten Eindrücke. Kurzerhand lud er die Hamburgerin ein, ein erstes Reel für das Haus zu basteln. Ohne große strategische Absprachen wurde es auf dem Instagramkanal der Deichtorhallen gepostet. "Das hat unglaublich gut funktioniert, das war der Beitrag mit der höchsten Reichweite im Jahr", freut sich Schönebäumer.

Format kam gut beim Publikum an

So habe man gemerkt, dass es viel wert sei, wenn nicht immer nur das Haus selbst auf Instagram spreche und Tessa erstmal für ein Jahr verpflichtet. Für die 40 bis 50 Sekunden langen Reels, die infolgedessen von den jeweils neuen Ausstellungen entstanden sind, habe die Influencerin ein Honorar erhalten - trotzdem habe es keine Vorgaben gegeben, was die Inhalte betrifft, so Schönebäumer. Tessa habe durchaus auch Kritisches anmerken können. Im Vordergrund habe gestanden, wie die Ausstellungen aus Besucherinnen- und Besuchersicht erlebt werden. Unterm Strich sei das Format gut beim Publikum angekommen. Aktuell gebe es aber kein Budget für neue Videos.

Auch jüngere Zielgruppe erreicht

Ob die Mühe sich auch in Ausstellungsbesuchen manifestiert haben, lässt sich laut Schönebäumer nur schwer auswerten. Allerdings laufe im Moment eine Kulturbefragung in Hamburg. Daraus könne man bereits ableiten, dass nur sehr wenige Menschen über die Social-Media-Kanäle der Häuser zu einem Ausstellungsbesuch inspiriert werden. Trotzdem gehöre das Angebot auf Instagram ein Stück weit zur Imagepflege des Hauses, findet der Experte für Digitale Produkte. Positiv kann er hervorheben, dass man auch jüngere Menschen erreicht habe. Wenn man solche Kooperationen eingeht, solle man sich immer fragen, ob es zum Haus passe und einen Mehrwert für die Zielgruppe anbiete: "Eine Partnerschaft einfach als Marketingmaßnahme macht meiner Meinung nach keinen Sinn."

Elbphilharmonie Hamburg: Erste Creator in Residence

Die Elbphilharmonie in Hamburg geht da noch ein Stück weiter und hat mit Nahre Sol in dieser Saison die weltweit erste "Creator in Residence" engagiert. Die koreanisch-amerikanische Pianistin ist vor allem für ihre YouTube-Videos über Beethoven und Debussy, Synthesizer und Computerspiel-Musik, über das Dirigieren und Harmonielehre bekannt - und ist damit extrem erfolgreich. Allein ihr YouTube-Kanal zählt 41 Millionen Aufrufe. Aufgebaut hat sie ihre Präsenz in den sozialen Medien bereits als Studentin der renommierten Juilliard School in New York.

Spannender Content für alle Altersgruppen

Nahre Sol bereichere das Haus vor allem mit ihrer Expertise als Musikerin, sagt Elbphilharmonie-Sprecher Martin Andris. Das schlage sich auch in den Künstlergesprächen nieder, die sie führe, darunter bereits Alan Gilbert oder Anne-Sophie Mutter. Gleichzeitig erkunde sie das Konzerthaus auf ihre ganze eigene Art und Weise. "Als begnadete Pianistin kann sie die Dinge, über die sie spricht, auch direkt zeigen", hebt Andris hervor. Die Elbphilharmonie habe sich für diese neuartige Partnerschaft entschieden, weil man sich tolle neue Inhalte erhofft habe, man sei neugierig gewesen, wie die Künstlerin die Elbphilharmonie durch eine Saison begleite. Außerdem bringe sie eine große, internationale und junge Followerschaft mit - quasi das, wovon jede Kultureinrichtung träume. Die ersten Veröffentlichungen auf den unterschiedlichen Social-Media-Kanälen des Hauses wurden jedenfalls sehr gut geklickt und seien für alle Altersgruppen interessanter Content. "Die bisherigen Videos kommen extrem gut an", so das Zwischenfazit von Andris.

KZ-Gedenkstätte Neuengamme mit Millionen-Views auf TikTok

Außergewöhnlich erfolgreich ist auch die KZ-Gedenkstätte Neuengamme, die seit zweieinhalb Jahren auf TikTok nach neuen Wegen der Erinnerungsarbeit sucht. Hier führt vornehmlich die hauseigene Presenterin Marie Zachger durch die kurzen aber informativen Videos zum Thema Holocaust. Sie gibt aber auch sehr persönliche Einblicke in ihre Arbeit. Sie erzählt zum Beispiel, dass es ihr am Anfang schwer gefallen sei, an so einem traurigen Ort mit den Kollegen Scherze zu machen. Über 35.000 Menschen folgen der Gedenkstätte mittlerweile. Einzelne Videos dort haben ein Millionen-Publikum erreicht.

Hauseigene Influencer am Hansemuseum Lübeck treffen Nerv

Auch das Hansemuseum in Lübeck hat bereits erste Erfahrungen mit Influencern oder Blogger:innen gesammelt, diese schrieben aus eigenem Interesse - es handele sich dabei nicht um bezahlte Kooperationen, so eine Sprecherin des Hauses. Allerdings gebe es intern einiges an Engagement: So treffen die beiden Mitarbeitenden Bianca und Finn als "Hansefluencer:innen", mit ihren unterhaltsamen Videos offenbar einen Nerv. Ein veröffentlichtes Video hat beispielsweise über 62.000 Views erreicht.

 

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