Buch-Cover: Bret Easton Ellis - The Shards © Kiepenheuer & Witsch Verlag

Roman "The Shards": Gewalt und Sex im Los Angeles der 80er-Jahre

Stand: 19.01.2023 10:17 Uhr

Bret Easton Ellis' "The Shards" ist eine ziemlich komplexe Geschichte. Manchmal passiert gefühlt überhaupt nichts - und dann wird es irrwitzig aufregend und das Buch ist kaum aus der Hand zu legen.

von Danny Marques

Knapp 30 Jahre ist es her, da entsetzte und verzückte Bret Easton Ellis Kritik und Leserschaft mit "American Psycho" zu gleichen Teilen. Voller Gewalt, Sex und mit spitzem Blick auf die 80er-Jahre in New York wurde es zum Millionenseller. Jetzt wagt sich Bret Easton Ellis wieder in die 80er-Jahre und zwar ins Jahr 1981 und nach Los Angeles. In "The Shards" heißt die Hauptfigur: Bret Easton Ellis. Und es geht um Gewalt, Sex und die Frage, was wahr ist und was nicht.

Ein abgestumpftes Teenager-Leben

Bret ist 17. Seine Eltern sind auf Weltreise, er wohnt allein in einer Villa am berühmt-berüchtigten Mulholland Drive in den Hollywood Hills. Die Nachbarn: Marlon Brando und Jack Nicholson. Eins seiner wichtigsten Probleme: Ob er morgens den Mercedes oder den Jaguar für den Weg zur Privatschule nimmt. Kokain gibt es reichlich, aber er steht eher auf Marihuana und Champagner. Wie seine allesamt reichen Mitschüler ist er immer leicht sediert.

Wir waren Teenager, die sich mit Sex und Popmusik beschäftigten, mit Filmen und Prominenten, mit Lust und kurzlebigen Phänomenen und unserer eigenen neutralen Unschuld. (…) natürlich konnten wir es uns leisten, alles durch dieses Prisma der Abgestumpftheit zu betrachten. Leseprobe

Diese Taubheit der Welt gegenüber wird aufgerüttelt, als Robert Mallory auf die Schule kommt. Bret ist von Beginn an misstrauisch und beginnt nachzuforschen. Er findet ungeheuerliches über den neuen Mitschüler heraus.

(…) an jenem ersten Schultag wussten wir nichts darüber, wie seine Mutter wirklich gestorben war, oder über die Vergewaltigung seiner Stiefschwester, den Selbstmordversuch oder darüber, dass Robert Mallory die zweite Hälfte des elften Schuljahres in einer psychiatrischen Anstalt (…) verbracht hatte. Leseprobe

Bret Easton Ellis hat das erste Kapitel schon 1982 geschrieben

Zwei Dinge machen Brets Misstrauen heikel. Zum einen treibt in dieser Zeit ein Serienmörder, von der Presse "The Trawler" genannt, in der Gegend sein Unwesen - und tötet High-School-Schülerinnen. Außerdem ist Robert sehr attraktiv - und Bret ist schwul, was damals keiner wissen darf. Die 80er-Jahre beginnen schließlich mit der Reagan-Revolution, der Besinnung auf konservative Werte. Gerade im Milieu der staubigen Privatschulen ist da kein Raum für andersartige Lebensentwürfe.

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Der "Washington Post" hat Bret Easton Ellis vom Entstehen des Buches erzählt: "Es war kein intellektueller Prozess, sondern ein emotionaler. Ich habe das erste Kapitel schon 1982 geschrieben. Geschrieben wurde es also von einem 18-Jährigen, der diese Dinge erlebt, während sie passierten."

"The Shards" ist eine Autofiktion. Viele Elemente stimmen mit der Realität überein. Bret Easton Ellis ist tatsächlich sehr privilegiert in Los Angeles aufgewachsen und er ging wirklich auf die Buckley-Privatschule, an der die Geschichte spielt. Aber einen als "Trawler" bekannten Serienmörder hat es nie gegeben. Die Namen sind geändert. In keinem der Interviews zum Buch wird Ellis konkret, was damals genau und ob überhaupt etwas passiert ist.

"The Shards": Irrwitzig aufregend

"The Shards" ist eine ziemlich komplexe Geschichte. Manchmal passiert gefühlt überhaupt nichts. Seitenlang liest man, was Bret liest, isst, raucht, trinkt, wo er lang fährt. Was für Musik er hört. Diese atmosphärischen Passagen wechseln sich ab mit Ausbrüchen, Gewalt, gegen Menschen, gegen Tiere. Sex, mit Männern, mit Frauen. Es gibt wilde Verfolgungsjagden und Konfrontationen. All das wird in "The Shards" drastisch geschildert. Das Buch ist dann kaum aus der Hand zu legen und irrwitzig aufregend.

Am Ende gibt es eine Wendung, die gleichermaßen erwartbar wie originell ist. Bis dahin ist es ein Hochglanz-High-School-Roman mit True Crime-Elementen. "The Shards" entwickelt einen zunehmenden Sog, mitunter fühlt es sich an, als würde man mit dabei sein in diesem Los Angeles der früher 80er. Zwölf Jahre hat Bret Easton Ellis keinen neuen Roman veröffentlicht. Endlich ist diese Wartezeit vorbei.

The Shards

von Bret Easton Ellis
Seitenzahl:
736 Seiten
Genre:
Roman
Zusatzinfo:
Aus dem Amerikanischen von Stephan Kleiner
Verlag:
Kiepenheuer & Witsch
Bestellnummer:
978-3-462-00482-3
Preis:
28 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Neue Bücher | 19.01.2023 | 12:40 Uhr

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