VIDEO: Als sich im Kaispeicher A noch Kakao stapelte (4 Min)

Wo heute die Elphi steht: Kaiserspeicher prägte den Hafen

Stand: 07.02.2025 16:30 Uhr

Wo heute im Hamburger Hafen die Elbphilharmonie thront, stand einst der Kaiserspeicher. Das markante Lagerhaus wird vor genau 150 Jahren eingeweiht. Später wird an selber Stelle der moderne Kaispeicher A errichtet, der heute den Sockel der Elphi bildet.

von Marc-Oliver Rehrmann

Mit dem Siegeszug der Dampfschiffe beginnt in Hamburg die Geschichte des modernen Hafens. Am 17. Juni 1816 fährt mit der "Lady of the Lake" der erste mit Kohle befeuerte Raddampfer auf der Elbe. Zunächst sind die Dampfschiffe noch seltene Besucher in der Hansestadt. Aber das sollte sich bald ändern. Machten im Jahr 1825 nur zwei Dampfschiffe im Hafen fest, sind es 1837 schon 300 Dampfer. Und so ist den Hamburgern Mitte des 19. Jahrhunderts klar: Der historische Hafen ist nicht mehr zeitgemäß. Denn die überschaubaren Anlagen zwischen Baumwall und Vorsetzen reichten nicht mehr aus. 

Das erste Wahrzeichen des Hamburger Hafens

So entstehen neue Pläne. Wasserbaudirektor Johannes Dalmann treibt die Idee eines Tidehafens und die Erweiterung des Hafens entlang der Norderelbe voran. Im Sommer 1866 feiern die Kaufleute am Sandtorkai die Eröffnung des ersten Hafenbeckens im modernen Stil. Hier - auf der Landzunge Kaiserkai - entsteht einige Jahre später das erste Wahrzeichen des Hamburger Hafens: der Kaiserspeicher. Seinen Namen hat er von seiner Lage auf dem Kaiserhöft. Eingeweiht wird er am 11. Februar 1875.

1892 brennt die Anlage nieder

Im Frühjahr 1875 wird die Anlage in Betrieb genommen - ein ganzes Jahrzehnt, bevor überhaupt mit dem Bau der Speicherstadt begonnen wird. Das Lagerhaus ist seinerzeit das größte und modernste im Hafen - und das einzige, das von Seeschiffen direkt angefahren werden kann. Der Backsteinbau im neugotischen Stil bietet auf rund 19.000 Quadratmetern Platz für Schiffsware. Auf Postkarten ist er ein beliebtes Motiv. 1892 bricht ein Feuer im Kaiserspeicher aus. Die Anlage brennt fast vollständig nieder - nur der Turm bleibt stehen. Aber der Speicher wird wieder aufgebaut.

Unzählige Kaffeesäcke werden gestapelt

Eine Aufnahme aus dem Jahr 1889 zeigt den historischen Kaispeicher A im Hamburger Hafen, von der Landseite. © HPA
Der Kaiserspeicher im Jahr 1889 von der Landseite aus gesehen: Eisenbahn-Gleise führten in den Innenhof der Anlage.

Neben einem Keller und dem Erdgeschoss gibt es vier Böden, auf denen unterschiedlichste Ware gelagert wird. Überwiegend in Säcken. Kaffee, Tee, Tabak, Kakao. Vor allem das Geschäft mit Kaffee läuft damals im Hamburger Hafen. Um 1900 findet nahezu jeder vierte Sack Kaffee auf der Welt seinen Weg in die Lagerhäuser der Stadt - allen voran in den Kaiserspeicher. Aber auch Ballenware wie beispielsweise Kokosfasern für Matratzen findet ihren Platz.

Mit modernen Kränen - manche hydraulisch, manche mit Dampf betrieben - hieven Hafenarbeiter Lasten von bis zu 1,5 Tonnen Gewicht direkt aus dem Bauch der Schiffe hinauf zu den Böden. "Meines Wissens ist diese Möglichkeit aber eher wenig genutzt worden", sagt Henning Rademacher vom Speicherstadtmuseum in Hamburg. "Denn es gibt recht wenig Bilder von Seeschiffen, die an der Südseite des Kaiserspeicher liegen. Wahrscheinlich haben viele Schiffe an anderer Stelle ihre Ladung über Schuten gelöscht und sie dann zum Kaiserspeicher gebracht - oder gleich über Land abtranspotiert."

Pünktlich um 12 Uhr fällt der Zeitball

Der historische Kaiserspeicher im Hamburger Hafen © Stadtentwicklungsbehörde Hamburg
Auf dem Turm des Kaiserspeicher befand sich die Konstruktion für den Zeitball.

Das markante Lagergebäude hat lange Zeit noch eine weitere Funktion: Eine Zeitball-Uhr am Turm dient als Zeitansage für den Hafen. Mittags - pünktlich um zwölf Uhr - fällt der ein Meter große Ball. Seeleute können so an Bord ihre Chronometer kontrollieren.

Nach knapp 60 Jahren endet diese Ära: 1934 wird der Zeitball stillgelegt. "Zu dieser Zeit wird das Zeitsignal dann schon per Funk übermittelt", erzählt Rademacher. Das Lagerhaus selbst wird bis 1943 genutzt. In diesem Jahr wird der Kaiserspeicher bei Luftangriffen im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt. Zwanzig Jahre lang steht die Ruine des Kaiserspeichers im Hamburger Hafen. Ein originalgetreuer Wiederaufbau erweist sich nach dem Krieg als wirtschaftlich nicht sinnvoll.

Kaispeicher A wird zum "Kakaobunker"

So wird der Turm im Februar 1963 zum Bedauern vieler Hamburger gesprengt und das Restgebäude abgetragen. So ist Platz für Neues. Nach einem Entwurf des Hamburger Architekten Werner Kallmorgen wird der Kaispeicher A wieder aufgebaut und nach dreijähriger Bauzeit 1966 fertiggestellt. Für den Neubau werden 1.111 Betonpfähle in den Boden gerammt. Mit 30.000 Quadratmetern Fläche war das neue Lagerhaus deutlich größer als der Vorgängerbau. Später schuften Hafenarbeiter im neuen Kaispeicher A tagein, tagaus, um vor allem Kakao-Säcke im Inneren des Gebäudes zu stapeln. Deswegen heißt der neue Kaispeicher A im Hafenjargon auch "Kakaobunker".

Zu schmal für Gabelstapler

An der Fassade des Kaispeichers A im Hamburger Hafen ist ein großes Plakat angebracht: Die Elbphilharmonie kommt. © picture-alliance/ dpa/dpaweb Foto: Maurizio Gambarini
Der moderne Kaispeicher A aus den 1960er-Jahren wird im Zeitalter der Container-Schifffahrt nicht mehr gebraucht.

Die Arbeit im Kaispeicher ist ein Knochenjob. Ein Sack Kakaobohnen wiegt rund 63 Kilogramm. Zu viert gilt es, am Tag insgesamt 2.000 Säcke zu bewegen. Aber schon bald gilt das Lagerhaus als unmodern. Die Durchgänge zwischen den Stützpfeilern sind zu schmal für Gabelstapler: Für Paletten-Ware ist der Kaispeicher A somit nicht geeignet. Und in Zeiten der Container-Schifffahrt ist kaum noch Bedarf an riesigen Lagerhäusern. Ab 1990 bis 2001 wird das Gebäude nur noch sporadisch genutzt. Später finden immerhin noch Partys in den kargen Räumen statt.

Kühne Pläne für einen 100-Meter-Glasturm

Der Siegerentwurf (Ausschnitt) aus dem Jahr 2001 für das geplante Medienhaus "MediaCityPort" am Standort des Kaispeicher A in der Hamburger Hafencity © Benthem Crouwel
So sieht der Siegerentwurf aus dem Jahr 2001 für das geplante Medienhaus "MediaCityPort" am Standort des Kaispeicher A aus.

Inzwischen liegen erste Pläne für die neue Hafencity vor. Am 7. Mai 1997 hat Henning Voscherau als Erster Bürgermeister seine "Vision Hafencity" der Öffentlichkeit vorgestellt. Bald rückt auch der prominente Platz am Kaiserhöft, wo der nutzlose Kaispeicher herumsteht, ins Blickfeld der Stadtplaner und Architekten. Die Stadt entscheidet sich, den Kaispeicher A für das Medienhaus "MediaCityPort" umzubauen. Geplant ist zusätzlich ein knapp 100 Meter hoher Glasturm. "Das Gebäude wird eine Leuchtturm-Funktion für die Hafencity haben", sagt im Herbst 2001 Wirtschaftssenator Thomas Mirow. Anfang 2003 sollen die Arbeiten beginnen.

Kaispeicher A sollte abgerissen werden

Da ein Umbau zu kompliziert und teuer ist, will der Investor den Kaispeicher A schließlich abreißen - die Genehmigung für den Abbruch liegt ihm schon vor. Aber dann kommt alles anders: Dem Investor fehlen die Mieter. Und in der Stadt schwärmen viele inzwischen von einer anderen Idee: dem Bau eines neuen Konzerthauses. Die Stadt verabschiedet sich also vom Immobilien-Projekt "MediaCityPort" und schwenkt Ende 2003 um auf die Elbphilharmonie.

Elbphilharmonie ist das neue Wahrzeichen

Bis zur Eröffnung des Konzerthauses vergeht dann noch mehr als ein Jahrzehnt. Der Kaispeicher A bildet nun den Sockel des einzigartigen Gebäudes - auch wenn nur die Außenmauern erhalten geblieben sind. Seit Anfang 2017 prägt nun die Elbphilharmonie die Kulisse des Hamburger Hafens - so wie einst der Kaiserspeicher.

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Dieses Thema im Programm:

die nordstory | 05.03.2020 | 14:15 Uhr

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