Containerschifffahrt: In den 60ern begann eine neue Ära
Am 31. Mai 1968 startet der Hamburger Hafen in ein neues Zeitalter: Mit der "American Lancer" legt erstmals ein Vollcontainerschiff an. Die eckigen Kisten an Bord revolutionieren Schifffahrt, Hafenarbeit und weltweiten Handel.
Feuerlöschboote begrüßen das 213 Meter lange Schiff auf der Elbe mit meterhohen Wasserfontänen, an Land heißt Hamburgs Wirtschaftssenator Helmuth Kern den Kapitän der "American Lancer" persönlich willkommen. Um 21 Uhr des 31. Mai 1968 bricht am Burchardkai die Ära der Containerschifffahrt an.
Burchardkai: Erste Spezialanlage im Hamburger Hafen
Bereits im November 1966 ging dort eine erste Spezialanlage für den Containerumschlag in Betrieb, 1967 folgte die erste Containerbrücke. Mit der "American Lancer" beginnt jetzt eine rasante Entwicklung: Immer mehr und immer größere Vollcontainerschiffe machen in Hamburg fest. Das Terminal am Burchardkai wird fortlaufend erweitert und entwickelt sich rasch zur größten Umschlagsanlage im Hafen.
Container: schnell und günstig
Schneller als von vielen erwartet löst die Containerschifffahrt die konventionelle Frachtschifffahrt ab. Denn der Containertransport hat viele Vorteile: Liegen die bisherigen Frachtschiffe oftmals mehrere Tage zum Be- und Entladen im Hafen, ist es bei den Containerschiffen nur noch eine Sache von Stunden - das spart Zeit und Geld. Stückgutfrachter wie das heutige Museumsschiff Cap San Diego verschwinden nach und nach aus dem Schiffsverkehr.
Herausforderung für Reedereien und Häfen
Das neue Transportsystem stellt Schifffahrt und Hafenindustrie vor große Herausforderungen. Tausende traditionelle Arbeitsplätze für Hafenarbeiter gehen verloren.
Die Hafeninfrastruktur muss komplett umgestellt, spezielle Verladebrücken, Kräne und hochbeinige Förderfahrzeuge angeschafft werden. Kaianlagen werden ausgebaut und direkte Anschlüsse für Bahn und Lkw gelegt - darunter auch der neue Elbtunnel und die Köhlbrandbrücke. Beide Bauwerke werden 1974 fertiggestellt.
Hapag und Lloyd schließen sich zusammen
Auch die Reedereien müssen sich neu organisieren. Sie müssen in großem Stil investieren und neue Schiffe anschaffen. Zugleich ist der Markt hart umkämpft, da die Containerschiffe immer größer werden, sodass weniger Reedereien benötigt werden. Die Containerschifffahrt zwingt auch die beiden großen deutschen Reedereien Hapag und Lloyd dazu, sich zusammenzuschließen. Im September 1970 fusionieren die Konkurrenten zur Hapag-Lloyd AG.
Spezialcontainer für verschiedene Warengruppen
Größer, schneller, effektiver: Dieser Trend bestimmt die Containerschifffahrt von Beginn an. Berechnet wird die Ladekapazität der Containerschiffe in TEU (Twenty-foot Equivalent Unit).
Ein TEU entspricht dabei einem Standardcontainer von rund 20 Fuß beziehungsweise etwa 6 Metern Länge und 2,5 Metern Breite. Die Standardcontainer werden vor allem für schwere Güter wie Motoren oder Transformatoren genutzt und dürfen ein maximales Gesamtgewicht von 24 Tonnen nicht überschreiten.
Der doppelt so lange 40-Fuß-Container FEU (Fourty-foot Equivalent) darf bis zu 30 Tonnen wiegen und wird für Textilien und voluminöse Güter genutzt. Für den Transport von Lebensmitteln wie Bananen, Zitrusfrüchten, Fleisch oder Milchprodukten werden spezielle Kühlcontainer entwickelt.
Containerschiffe - Boom der Riesenpötte
Im Laufe der Jahre werden die Schiffe immer größer, vor allem aber steigt durch moderne Schiffbautechnik ihre Ladekapazität. Zum Vergleich: Transportiert die "American Lancer" noch maximal 1.200 TEU, werden ab Ende der 1980er-Jahre Schiffe mit 4.500 TEU gebaut. Sie sind bereits so groß, dass sie nicht mehr durch den Panama-Kanal fahren können. Die momentan größten Containerschiffe der Welt (Stand: 3/2024) stammen aus einer mehrere Schiffe umfassenden Serie. Für die Linienreederei Mediterranean Shipping Company (MSC) ist unter anderem die "MSC Irina" im Einsatz. Das Schiff ist 61 Meter breit und hat eine Länge von knapp 400 Metern. Es ist also nicht einmal doppelt so groß wie die "American Lancer", kann aber mehr als das 20-Fache an Ladung aufnehmen. Genau sind es 24.346 Standardcontainer. Zu der Serie zählen auch die baugleichen "MSC Loreto", "MSC Michel Cappellini" und "MSC Mariella".
Die Riesenpötte rechnen sich, denn sie benötigen kaum eine größere Besatzung als kleinere Schiffe und der Treibstoffverbrauch liegt nur wenig höher. Auch im Hamburger Hafen legen die Schiffsgiganten regelmäßig an.
Elbvertiefung: Folge der Containerriesen
Doch der Boom der Containergiganten hat auch Nachteile: Sie sind weniger flexibel, da sie nicht alle Häfen anlaufen können. Auch in Hamburg sorgen die riesigen Schiffe mit ihrem enormen Tiefgang für Probleme. Damit sie den Hafen über die Elbe weiter ansteuern können, werden immer wieder Elbvertiefungen nötig - ein Unding in den Augen von Umweltschützern, die bei jeder Planung versuchen, die Vertiefung mit Klagen zu stoppen. Auch die Köhlbrandbrücke im Hamburger Hafen stellt mit ihrer lichten Höhe von 55,3 Metern (bei niedrigst-möglichem Wasserstand) und einer Durchfahrtshöhe von rund 53 Metern ein Hindernis für die ganz großen Containerschiffe dar.
Hoher Anteil an Containern - noch
Rund 70 Prozent des Gesamtumschlags im Hafen der Hansestadt entfallen aktuell auf Container, der Rest auf Massengut wie Kohle, Öl oder Düngemittel. Der Anteil des Umschlags von Containerladung am gesamten Stückgutumschlag, auch als Containerisierungsgrad bezeichnet, liegt im Hamburger Hafen mittlerweile bei fast 99 Prozent.
Pro Jahr werden in Europas drittgrößtem Hafen jährlich lange zwischen acht und neun Millionen Container umgeschlagen, 2023 waren es aber nur 7,7 Millionen. 2022 und 2023 ging der Handel mit China zurück. (Stand 3/2024)
Boom der Containerschifffahrt vor dem Ende?
Lange gingen Experten davon aus, dass der Containerumschlag immer weiter wachsen würde. Tatsächlich stagniert er aber. Studien zufolge ist die große Boomzeit der Containerschifffahrt angeblich bereits vorbei. Demnach stehen wir am Beginn einer neuen Ära: Dank Digitalisierung und 3D-Druck werde künftig voraussichtlich wieder häufiger marktnah, also im Land der Abnehmer, produziert. Wichtiger als Containerschiffe würden deshalb in Zukunft sogenannte Bulker, also Massengutschiffe, die Rohstoffe transportieren.
Auch beim Antrieb geht man inzwischen neue Wege. So wird zum Beispiel die "Ane Maersk" mit grünem Methanol betrieben. Sie soll deutlich weniger CO2 ausstoßen als herkömmliche Frachter. Das rund 350 Meter lange Schiff kann rund 16.000 Standardcontainer transportieren.