Schrauben-Dampfschiff "Borussia" der HAPAG auf einer Postkarte von 1956 © picture alliance/arkivi

Mit dem Dampfer nach New York

Stand: 25.05.2021 13:00 Uhr

Am 1. Juni 1856 setzt die Hamburger Reederei Hapag erstmals ein Dampfschiff für die Fahrt über den Atlantik ein. Auswanderer gelangen nun in nur 16 Tagen in die Neue Welt.

von Irene Altenmüller

"Die beiden prachtvollen, eisernen Schrauben-Dampfboote 'Borussia' und 'Hammonia' eröffnen ihre regelmäßigen Fahrten direct nach New-York am 1. Juni und 1. Juli. Dieselben haben sich auf ihren Probefahrten auf das Glänzendste bewährt und lassen, was Solidität der Bauart, Raschheit und sonstige Vorzüge anbelangt, nichts zu wünschen übrig". "Allgemeinen Auswandererzeitung" 1856

Im April 1856 kündigt sich mit dieser Anzeige in der "Allgemeinen Auswandererzeitung" eine neue Ära in der Passagierschifffahrt an. Denn die beworbenen Schiffe sind die ersten Dampfschiffe der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft, kurz Hapag genannt. Die Reederei, die vor allem Auswanderer von Hamburg in die Neue Welt bringt, hatte bislang ausschließlich Segelschiffe in ihrer Flotte. Die modernen, schnellen Dampfschiffe bedeuten für die Hapag und ihre Passagiere eine kleine Revolution.

Post und Passagiere von Hamburg nach New York

Bereits seit 1847 betreibt die Hapag einen Linienverkehr auf der Transatlantik-Route zwischen Hamburg und New York. Neben Passagieren transportiert das Unternehmen auch Post nach Übersee. Sie wird in sogenannten Packeten, geölten Leder- oder Leinensäcken transportiert.

Möblierte Salons und frische Milch

Der Damensalon auf dem Dampfer "Großer Kurfürst", um 1900 © dpa/ picture-alliance
Viele Passagierschiffe - hier etwa der Dampfer "Großer Kurfürst" um 1900 - waren mit luxuriösen Salons für die erste Klasse ausgestattet.

Äußerlich ähneln die ersten beiden Dampfschiffe der Hapag noch sehr den Segelschiffen. Neben einem großen Schornstein in der Mitte besitzen sie zusätzlich drei Masten mit Segeln. Für die Passagiere der ersten und zweiten Kajüte - entsprechend der ersten und zweiten Klasse - bieten die Schiffe einiges an Komfort, darunter etwa "einen großen Speise- und Aufenthaltssaal, an beiden Seiten mit großen Spiegeln und Gemälden geschmückt, welche Ansichten von Hamburg, New York, landschaftliche Bilder aus der sächsischen Schweiz etc. darstellen; ferner einen 56 Fuß langen, auf das Eleganteste decorirten und möblirten Damensalon, ein Rauchzimmer mit Maroquin-Mobiliar, Mamortischen und eine Bibliothek von 400 Bänden." Auch für gastronomisch zeigt sich die Reederei ambitioniert: Zur Kühlung der Lebensmittel gibt es ein eigenes Eishaus, eine Kuh sorgt täglich für frische Milch. 120 preußische Taler kostet die Überfahrt in der ersten Kajüte. Zum Vergleich: Von 3 bis 4 Talern konnte um 1850 eine fünfköpfige Familie eine Woche lang leben.

Von Hamburg nach Übersee in nur 16 Tagen

Rekonstruktion eines Zwischendecks auf einem Auswandererschiff in der Hamburger "BallinStadt". © Auswanderermuseum "BallinStadt"
Einfache Holzverschläge dienten auf den Zwischendecks als Unterkünfte (Rekonstruktion aus dem Auswanderermuseum "Ballinstadt").

Mehr als 500 Passagiere kann das Schiff aufnehmen. Allerdings reist der größte Teil nicht in den komfortabel ausgestatteten Kajüten, sondern im Zwischendeck zwischen Laderaum und Oberdeck.. Dort kostet die Schiffspassage lediglich 55 Taler. Geschlafen wird in einfachen Holzverschlägen, Matratzen und Bettzeug müssen die Passagiere selbst mitbringen. Es herrscht drängende Enge, die Luft ist schlecht, da die Luken bei Seegang geschlossen werden müssen. Für die Auswanderer bedeutet es daher eine große Erleichterung, dass die strapaziöse Reise statt 35 bis 40 Tagen auf dem Segelschiff nun nur noch 14 bis 17 Tage dauert.

Volksfeststimmung anlässlich der ersten Dampferfahrt

Als am 1. Juni 1856 die "Borussia" als erstes Dampfschiff von Hamburg in Richtung New York ablegt, ist das auch für die Bewohner der Hansestadt ein Ereignis. Hunderte Menschen säumen die Elbufer und winken mit Tüchern, Salutschüsse werden abgefeuert. Am späten Nachmittag läuft das Schiff schließlich mit 365 Erwachsenen und 64 Kindern an Bord in Richtung Amerika aus. 16 Tage später, am 17. Juni 1856, erreicht die "Borussia" New York. Im Juli legt auch das Schwesterschiff "Hammonia" erstmals von Hamburg in Richtung New York ab.

Hapag-Dampfer "Austria" sinkt 1858

Auswandererschiffe im Hamburger Jonas-Hafen 1887. © Museum für Hamburgische Geschichte
Hamburgs Hafen (hier eine Aufnahme von 1887) entwickelte sich im 19. Jahrhundert zu einem der bedeutendsten Auswandererhäfen Europas.

Schnell setzen sich in den Folgejahren die Dampfer in der Passagierschifffahrt nach Übersee durch. 1868 verkauft die Hapag ihr letztes Segelschiff. Doch auch wenn die Überfahrt jetzt deutlich schneller geht, riskant bleibt sie auch an Bord der Dampfschiffe. Immer wieder kommt es zu technischen Problemen. So auch auf der "Borussia", nur wenige Monate nach ihrer ersten Überfahrt. Im Oktober 1856 bricht vor Neufundland ein Flügel der Schiffsschraube ab, das Schiff schlägt an einer Stelle Leck. Durch stetes Abpumpen des Wassers kann aber eine Katastrophe verhindert werden. Andere Schiffe haben weniger Glück: So sinkt 1858 der Hapag-Dampfer "Austria", ein jüngeres Schwesterschiff der "Borussia" und der "Hammonia". Das Schiff war bei einer unsachgemäßen Desinfizierung der Decks mit Teer-Rauch in Brand geraten. 456 Menschen sterben bei dem Unglück. Auch die "Borussia" sollte später ein ähnliches Schicksal erleiden: Im Dezember 1879 sinkt der Dampfer, der mittlerweile einer britischen Reederei gehört, nach einem Sturm südwestlich der Azoren. 169 Menschen kommen ums Leben.

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NDR Info | ZeitZeichen | 20.02.2017 | 20:15 Uhr

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