Vom Sperrgebiet zum Nationalpark
1990 ließ die DDR von Darß bis Rügen eine Schutzzone einrichten: Die Geburtsstunde des Nationalparks Vorpommersche Boddenlandschaft. Die Idee einer Schutzzone für Pflanzen und Tiere ist aber deutlich älter.
Es war die Geburtsstunde des Nationalparks Vorpommersche Boddenlandschaft und einer der letzten Beschlüsse der DDR-Volkskammer: Am 12. September 1990 ließ der DDR-Ministerrat 14 großflächige Landschaften zwischen Ostsee und Thüringer Wald unter Schutz stellen. Mit Wirkung zum 1. Oktober 1990 entstanden so auf rund 4,5 Prozent des DDR-Territoriums Nationalparks - darunter auch der Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft, der sich auf 80.500 Hektar Fläche von der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst über die Insel Hiddensee bis zur Westküste Rügens erstreckt. Der Einigungsvertrag zwischen DDR und Bundesrepublik, der zwei Tage später in Kraft trat, sicherte das Weiterbestehen der Nationalparks auch für das wiedervereinigte Deutschland.
Erste Schutzbemühungen im 19. Jahrhundert
Die Idee einer Schutzzone für Pflanzen und Tiere auf der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst ist allerdings weitaus älter. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte der Freiherr Ferdinand von Raesfeld, der als Revierverwalter des Forstamtes Darß auf der Halbinsel tätig war, den Gedanken, das Gebiet Darß-Zingst in ein großes Schutzgebiet umzuwandeln.
Erste Schutzgebiete entstanden 1936 auf der Insel Hiddensee, auf der wenige Jahre zuvor die Greifswalder Ernst-Moritz-Arndt-Universität eine Biologische Anstalt errichtet hatte. Auch der Darßwald wurde unter Schutz gestellt. Dennoch wurde der Wald zum Jagen genutzt. Sowohl Hermann Göring im Dritten Reich als auch hohe Funktionäre in der DDR-Zeit hatten hier das Privileg, unter anderem auf ausgesetzte Wisente und Elche zu schießen. Wenig später fanden die Nationalsozialisten eine weitere Verwendung für das dünn besiedelte Gebiet auf der Halbinsel Zingst: Ab 1937 nutzte die Wehrmacht Teile der Halbinsel als Schieß- und Bombenabwurfgelände, Bewohner wurden zwangsumgesiedelt.
Militärisches Sperrgebiet und industrielle Rinderproduktion
Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrten die Siedler zurück. Doch ab 1956/57 wurden Teile der Sundischen Wiesen erneut zum militärischen Sperrgebiet - diesmal für Übungen der Nationalen Volksarmee. Am Darßer Ort entstand unter anderem ein Marinehafen. Zugleich ließ die DDR-Regierung mehrere Zonen auf dem Darß und auf Zingst als Naturschutzgebiete ausweisen. Ein Großteil der übrigen Fläche wurde für die landwirtschaftliche Nutzung umgestaltet, hauptsächlich für die industrielle Rinderproduktion. Mit bis zu 20.000 Rindern war das VEG (Volkseigene Gut) Zingst eine der größten Rinderhaltungen Europas. Große Flächen auf Darß und Zingst wurden dafür in den 60er- und 70er-Jahren umgebrochen und entwässert. Gülle und Abwasser flossen in den Bodden und verunreinigten das Wasser.
Pläne für eine Biosphärestation
In den 70er-Jahren rückte der Naturschutz stärker in den Vordergrund. In weiten Teilen der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst entstanden Landschaftsschutzgebiete. 1978 beschloss der Rat des Kreises in Rostock den Aufbau einer Biosphärestation "Boddengewässer Ostteil Zingst, Westküste Rügen Hiddensee", die allerdings erst im Juni 1990 fertiggestellt wurde.
Nur wenige Wochen später entstand mit dem 805 Quadratkilometer großen Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft der drittgrößte Nationalpark Deutschlands. Die militärisch genutzten Bereiche wurden renaturiert. So wurde der Raketenschießplatz auf dem Ostzingst geschlossen und die unterbunkerte Radarstation auf dem Dornbusch auf Hiddensee sowie militärische Gebäude in den Dünen am Darßer Ort abgebaut. Die intensive landwirtschaftliche Nutzung endete, einige Flächen dienen aber weiterhin als Weiden. Für die Region weitaus wichtiger als die Landwirtschaft ist heute der Tourismus. Rund drei Millionen Menschen besuchen jedes Jahr den Nationalpark.
Neben dem Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft wurden 1990 im Nordosten auch die Nationalparks Müritz und Jasmund auf Rügen gegründet.