Erdöl-Geschichte: Als "schwarzes Gold" noch aus der Heide kam
Der Russland-Ukraine-Krieg zeigt einmal mehr die Bedeutung von Öl als Energiequelle. Auch Norddeutschland hat Erdöl-Vorkommen, schon vor 160 Jahren wurde es in der Heide gefördert - früher als in den USA.
Bis heute lagern in Deutschland beträchtliche Mengen Erdöl und Erdgas, der Großteil davon in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Die wichtigste Lagerstätte liegt im Wattenmeer: Die Bohr- und Förderinsel Mittelplate fördert jährlich bis zu eine Million Tonnen Erdöl, seit ihrer Inbetriebnahme im Jahr 1987 sind es rund 40 Millionen Tonnen Öl. Aus niedersächsischen Feldern kommen rund 580.000 Tonen jährlich.
Ölförderung in Deutschland: Weniger als zwei Prozent des heimischen Bedarfs
Mit etwa 1,9 Millionen Tonnen (im Jahr 2020) deckt Erdöl aus Deutschland dennoch weniger als zwei Prozent des gesamten heimischen Bedarfs von etwa 96 Millionen Tonnen Erdöl.
Seit den 1960er-Jahren ist die Erdölproduktion in Deutschland rückläufig, damals wurden noch bis zu acht Millionen Tonnen Erdöl pro Jahr gefördert. Dabei seien die deutschen Vorkommen noch keineswegs erschöpft, so der Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG). Selbst wenn eine Lagerstätte als ausgefördert gelte, seien meist noch mehr als 40 Prozent des Erdöls vorrätig, von denen sich ein Teil mit neuen Technologien möglicherweise künftig ebenfalls fördern ließe.
Ältestes Erdölgebiet Deutschlands: Wietze in der Südheide
Die Erdölförderung in Deutschland hat eine lange Geschichte, sie reicht bis ins Jahr 1858 zurück. Damals entdeckt der Geologe Konrad Hunäus in dem kleinen Dorf Wietze in der Südheide Ölspuren. Es folgt eine der ersten Erdölbohrungen weltweit - Monate vor der ersten Bohrung in den USA.
Um 1900: Ölrausch in der Südheide
Ab 1875 weitet man die Bohrtätigkeit aus und entdeckt 1899 in nur 140 Metern Tiefe ein riesiges Ölfeld - der Beginn der industriellen Ölförderung. Ein regelrechter Ölrausch erfasst das kleine Bauerndorf. Dutzende Bohrtürme werden errichtet, Hunderte Arbeiter kommen nach Wietze, Bauern verkaufen ihr Land und werden zu Millionären. Im Jahr 1903 erhält Wietze einen Bahnhof, um das Öl auch abtransportieren zu können und den "größten Öltank des Continents". 1905 sind 32 Erdölgesellschaften vor Ort tätig, im selben Jahr kommt es fast zu einer Katastrophe: Ein Bohrturm fängt Feuer. Bei starkem Wind droht es, auf in der Nähe lagernde Ölfässer sowie auf das Hauptgebiet der Ölfelder überzugreifen. Doch den Arbeitern gelingt es, den Brand zu löschen.
1963: Ende der Erdölförderung in Wietze
Im Jahr 1909 erreichen die Vorkommen in Wietze mit 113.518 Tonnen ihr Fördermaximum - das ist damals fast 80 Prozent der deutschen Erdöl-Produktion. Noch mehrere Jahrzehnte wird gefördert, erst 1963 wird die Produktion eingestellt - das Öl aus dem Ausland ist billiger. Zurück bleiben zahlreiche Anlagen und Gebäude, die zum Teil bis heute erhalten sind. An den einstigen Ölrausch im Bauerndorf Wietze erinnert seit 1970 ein Erdölmuseum.
Niedersachsen: Rühle zweitgrößtes deutsches Ölfeld
Immer noch beträchtliche Mengen liefert das Ölfeld im niedersächsischen Rühle mitten im Bourtanger Moor. Dort wird man 1949 fündig, das Feld ist bis heute die größte deutsche Erdöllagerstätte nach Mittelplate. Bis heute wurden rund 35 Millionen Tonnen Öl gefördert, Schätzungen zufolge lagern dort insgesamt rund 100 Millionen Tonnen.
Schleswig-Holstein baut zunächst Ölkreide ab
Fast so früh wie im niedersächsischen Wietze, bereits um 1870, wird bei Hemmingstedt im heutigen Schleswig-Holstein Ölkreide abgebaut. Ein Dithmarscher Bauer war auf seinem Land auf ölhaltige Böden gestoßen. Flüssige Ölvorkommen entdeckt man dort allerdings erst deutlich später: 1935 findet man in 2.400 Metern Tiefe ein Ölfeld, es entwickelt sich zeitweilig zum drittgrößten Deutschlands - für den damals nationalsozialistischen Staat eine überaus wichtige Rohstoffquelle mit Fördermengen über 200.000 Tonnen im Kriegsjahr 1940.
Mittelplate - Erdöl unter dem Wattenmeer
Seit 1987 fördert die Mittelplate am südlichen Rand des Nationalparks Wattenmeer alljährlich rund ein bis zwei Millionen Tonnen Öl an die Erdoberfläche - zum Ärger der Umweltschutzverbände, die Schäden für die empfindliche Naturlandschaft des Wattenmeers befürchten. Da die Ölförderinsel bereits vor Gründung des Nationalparks 1985 genehmigt wurde, genießt sie Bestandsschutz. 2010 wurde die Berechtigung zur Ölförderung bis ins Jahr 2041 verlängert.
Erdöl in Hamburg: Reitbrook und Meckelfeld
Auch Hamburg hat eigene Erdölvorkommen. In Reitbrook, tief unter den Vier- und Marschlanden, lagert das "schwarze Gold" im Untergrund. 1937 entdeckt man die Vorkommen in bis zu 800 Metern und beginnt mit der Förderung. 1940 erreicht die Fördermenge mit 350.000 Tonnen im Jahr einen Höchststand. Rund 2,6 Millionen Tonnen werden bis 2013 aus dem Boden geholt. Spätere Pläne, wieder vermehrt Erdöl zu fördern, werden bisher nicht umgesetzt. Weitere Vorkommen finden sich in Meckelfeld sowie bei Sinstorf, das aber nur teilweise zum Hamburger Stadtgebiet gehört. An mehreren Stellen erinnern die typischen Pferdekopf-Pumpen an die Ölförderung.
Vorpommern steigt in den 60ern ins Ölgeschäft ein
Deutlich später beginnt die Erdölförderung auf dem Gebiet des heutigen Mecklenburg-Vorpommerns, dauert aber seit den 1960er-Jahren bis heute an. Die größte Lagerstätte des Bundeslandes liegt bei Lütow auf Usedom, gefolgt von Kirchdorf-Mesekenhagen zwischen Stralsund und Greifswald. In den 60ern ist die DDR stark abhängig vom sowjetischen Erdöl und versucht, sich durch eigene Förderstätten unabhängiger zu machen. Anfangs können in Lütow bis zu 1.000 Tonnen Öl pro Tag gefördert werden.
Seit den 1990er-Jahren gelten die Vorkommen aber als weitgehend erschöpft, es fließen nur noch wenige Tausend Tonnen im Jahr. Das Förderunternehmen Neptune Energy plant jedoch, die Fördermengen künftig deutlich zu erhöhen.