Das Wattenmeer: Ein einzigartiger Lebensraum
Bei Ebbe trocken und der Sonne ausgesetzt, bei Flut nass und salzig - das Wattenmeer entlang der Nordseeküste unterliegt dem stetigen Wechsel der Gezeiten. Teile der Naturlandschaft sind Weltnaturerbe.
Mehrere Tausend Quadratkilometer Fläche an der deutschen und niederländischen Nordseeküste werden rund alle sechs Stunden überflutet und fallen wieder trocken. Während der Ebbe bleiben vom Meer nur Wasserläufe, sogenannte Priele, in den weiten Watt-Ebenen übrig. Die Möglichkeit, dieses Gebiet zu Fuß zu durchwaten, hat dem Wattenmeer seinen Namen gegeben, das im Niederländischen "Waddenzee" genannt wird.
Die einmalige Landschaft erstreckt sich entlang der Nordseeküste von Den Helder in den Niederlanden bis nach Esbjerg in Dänemark. An manchen Stellen ist das Watt auch mehr als 20 Kilometer vor der Küste zu finden. Als natürliche Wellenbrecher dienen die Inseln, die der Küste vorgelagert sind. Sie haben zur Entstehung des Wattenmeeres beigetragen und bilden heute eine natürliche Barriere gegen das offene Meer.
So entstand das Wattenmeer
Das Wattenmeer konnte nur entstehen, weil vor etwa 10.000 Jahren die Gletscher der jüngsten Eiszeit abschmolzen und dadurch der Meeresspiegel langsam anstieg. Dadurch veränderte sich die Nordseeküste in den kommenden Jahrtausenden entscheidend. Das Festland wurde überschwemmt, neues Sediment in die Region getragen. Das Gestein lagerte sich über den damals typischen Mooren, Sümpfen und Bruchwäldern ab. An manchen Stellen riss das Meer jedoch auch Land mit sich. Durch den Wechsel von Abtragung und Ablagerung bildete sich in dem flach abfallenden Gebiet der Küste in den vergangenen rund 7.000 Jahren das heutige Wattenmeer.
Menschen siedelten schon früh am Wasser
Die Menschen entdeckten diese Region früh als Lebensraum und lebten hier zunächst vom Fischen und Jagen, bevor sie die Region auch landwirtschaftlich nutzten. Die Besiedlung hinterließ deutliche Spuren. Bereits vor 4.000 Jahren wurde zum Beispiel auf Sylt, Föhr und Amrum Landwirtschaft betrieben. In der Römerzeit begannen die Bauern zum Schutz ihrer Flächen vor Sturmfluten niedrige Erdwälle zu errichten, sogenannte Sommerdeiche.
Systematisch betrieben die ansässigen Menschen erst ab dem zehnten Jahrhundert Deichbau. Damals sollte das besiedelte Land vom Einfluss des Meeres abgegrenzt werden. Diese Areale wurden in den folgenden Jahrhunderten immer wieder vergrößert. Dadurch gibt es dort heute kaum mehr Süßwassersümpfe und Moore. Doch an der Ausdehnung des Wattenmeeres hat die Eindeichung der Gebiete kaum etwas verändert. Das Meer trägt Sedimente ab, führt sie mit sich und lagert sie irgendwo ab - nur an anderen Stellen.
Salzwiesen: Übergang zwischen Land und Meer
Salzwiesen sind eine weitere Besonderheit des Wattenmeers. Sie befinden sich am Übergang des Watts zum Land und werden bei höheren Fluten überschwemmt. Aber sie unterliegen nicht den Gezeiten. Die krautigen Pflanzen, die sich hier angesiedelt haben, sind perfekt an das salzhaltige Wasser angepasst. Manche scheiden das Salz über Poren wieder aus, andere speichern es in unteren Blättern, die nach einiger Zeit absterben und abfallen.
Lebensraum für Seevögel, Kegelrobben und Schweinswale
Bei Ebbe fällt der Grund des Wattenmeeres, das Watt, trocken. Diese auf den ersten Blick trostlose morastige Landschaft ist Heimat für zahlreiche Tiere und Pflanzen. Brut- und Zugvögel sind hier ebenso zu finden wie Wattwürmer und Kegelrobben. Auch Schweinswale leben im Wattenmeer. Besonders für Vögel ist dieser Teil der Nordsee ein Paradies, weshalb es viele Vogelliebhaber immer wieder dorthin zieht.
Das Wattenmeer als Raststätte für Zugvögel
Ob Großer Brachvogel, Austernfischer, Sanderling oder Rotschenkel: Viele Wattenmeervögel sind an einem langen dünnen Schnabel zu erkennen und haben sich auf die Nahrung im Watt spezialisiert, etwa den Wattwurm. Mehrere Hunderttausend Brutpaare leben in der Naturlandschaft. Vor allem aber ist das Wattenmeer das zentrale Rastgebiet für Millionen von Zugvögeln. Jedes Jahr im Frühjahr und Herbst nutzen zehn bis zwölf Millionen Vögel das nahrungsreiche Gebiet, um ihre Energiereserven aufzufüllen.
Nationalparks und UNESCO-Welterbe
Drei Nationalparks sind im deutschen Teil des Wattenmeeres ausgewiesen. Der Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer ist der älteste Park. Er wurde bereits 1985 gegründet. Ein Jahr später entstand der Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, erst 1990 der Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer. Spezielle Zentren, Führungen und Lehrpfade informieren Besucher über die einmalige Naturlandschaft.
Die UNESCO ernannte die Nationalparks Niedersächsisches und Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer zusammen mit dem niederländischen Wattenmeer-Schutzgebiet am 26. Juni 2009 als erste deutsche Naturlandschaft zum Weltnaturerbe. 2011 kam auch das Hamburger Küstengebiet hinzu.
Schutzzonen zum Erhalt des Naturraumes
Die Nationalparks sind in drei unterschiedliche Zonen eingeteilt. Die Schutzzone 1, auch Ruhezone genannt, darf gar nicht oder nur sehr eingeschränkt auf ausgewiesenen Wegen betreten werden. In Schutzzone 2 können sich Besucher frei bewegen, wenn sie Pflanzen und Tiere nicht stören. Der Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer weist eine dritte Zone aus: die Erholungszone. In dieser flächenmäßig kleinsten Zone ist zum Beispiel angeln, Drachen steigen lassen und reiten erlaubt.
Außerdem gibt es zahlreiche Sondervereinbarungen - etwa mit Fischern oder Wassersportvereinen - , die über die gesetzlichen Regeln hinausgehen oder diese ergänzen. Hunde müssen in allen Zonen grundsätzlich an der Leine geführt werden.