Stand: 10.07.2020 16:00 Uhr

Zeitreise: Das "schwarze Gold" aus dem Norden

von Karl Dahmen

Eine historische Aufnahme einer Tiefpumpe zur Erdölförderung.
Seit den 1950er-Jahren ist Schleswig-Holstein die Nummer Eins für Erdölförderung in Deutschland.

In Wankendorf im Kreis Plön wird er "Mister Erdöl" genannt, aber Walter Struve ist viel zu bescheiden, als dass er diesen Titel annehmen würde. Dabei hat wohl keiner so lange und intensiv die Erdölförderung in Schleswig-Holstein miterlebt wie er. Heute ist er 89 Jahre alt. Seitdem er als einfacher Arbeiter auf einem Erdölfeld angefangen hat, dreht sich bei ihm alles um das "schwarze Gold".

Vom Bäcker zum "Erdöl-Mann"

Nachdem er in Wankendorf seine Lehre als Bäcker beendet hatte, fand er zunächst keine Stelle. Struve überlegte schon ins Ruhrgebiet zu gehen, nur um endlich Arbeit zu finden. Da hörte er 1954 von einer Lübecker Firma, die im Kreis Plön auf der Suche nach Erdöl war. Als er einen Firmenwagen sah, ging er hin und fragte an, ob sie nicht Arbeit für ihn hätten. Der Betriebsleiter sah ihn an und fragte zurück, welche Note er denn in Mathematik gehabt habe und stellte ihn dann ein. Struve baute Straßen, bereitete Gelände für die Förderung vor - dass es eine Lebensaufgabe werden würde, ahnte er noch nicht.

Karte: Wankendorf im Kreis Pön

Unfälle waren an der Tagesordnung

Anfang der 1950er-Jahre war Arbeit rar und obwohl Struve die Erdölförderung eigentlich zu gefährlich war, blieb er dabei. Doch die Furcht förderte immer mit. Damals, erzählt Struve, hatten die Arbeiter weder Schutzhelme noch besondere Sicherheitsschuhe. Immer wieder kam es zu Unfällen, in denen Finger oder Füße zerquetscht wurden und manchmal gab es sogar tödliche Unglücke. Einmal wurde ein Schichtführer von einer Kabeltrommel zerquetscht, ein anderes Mal ertrank ein Kollege in einer Grube. Aber Walter Struve und viele andere machten weiter, glücklich endlich Arbeit zu haben, Geld zu verdienen.

Die "Pinguine" im Kreis Plön

Viele bauten damals ein Häuschen, erinnert sich Struve - und Überstunden waren normal. Manchmal arbeitete er bis zu 86 Stunden in der Woche und wenn er frei haben wollte, wurde er vom Chef schief angesehen. Aber die Arbeit machte ihm Spaß und auch stolz, obwohl sie schwer und oft unangenehm war. Es kam mehr als einmal vor, dass die Arbeiter im sprudelnden Erdöl standen. Sie nannten sich dann selbst "Pinguine", so dunkel waren sie. Besonders eklig war es, erinnert er sich, wenn man mit den Fingern in Handschuhe musste, die bis oben hin mit Erdöl voll waren.

Eine Bilderbuch-Erdöl-Karriere

Walter Struve fing 1954 als ungelernter Arbeiter an und bildete sich kontinuierlich weiter. Bereits 1962 war er Feldmeister in Plön-Ost und nach der Bohrmeisterschule durfte er sich Fördermeister nennen. 1974 machte er seinen Abschluss zum Ingenieur. Er wurde erst Leiter der Feldbetriebe im Kreis Plön und dann schließlich Betriebsleiter der beiden Förderplattformen Schwedeneck-See. 1995 ging er in Rente, von diesen Zeitpunkt an kümmerte er sich um das Erbe des Erdöls in Schleswig-Holstein. Struve machte Führungen, hielt Vorträge und organisierte Ausstellungen. Kein Wunder, dass die Wankendorfer ihn "Mister Erdöl" nennen.

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Dampflokomotive aus dem 19. Jahrhundert. © dpa - report Foto: Votava

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 12.07.2020 | 19:30 Uhr

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