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KZ Neuengamme: Tatort und Gedenkstätte

Stand: 19.10.2024 00:00 Uhr

Im Konzentrationslager Hamburg-Neuengamme und seinen Außenlagern starben während der NS-Zeit mehr als 40.000 Menschen. Als die Briten das Lager am 4. Mai 1945 erreichten, fanden sie es leer vor.

Allein die schiere Größe des Geländes macht betroffen: Die KZ-Gedenkstätte in Neuengamme in den Hamburger Vierlanden umfasst 57 Hektar - eine Größe von etwa 80 Fußballfeldern. Es dauerte viele Jahre, bis die Geschichte des Konzentrationslagers umfassend öffentlich dokumentiert und der Opfer angemessen gedacht wurde: Erst seit 2005 ist das gesamte Areal eine Gedenkstätte. Zuvor gab es nur ein Mahnmal, das am 7. November 1965 eingeweiht worden war.

Nazis räumten das Lager zur Vertuschung

Mit etwa 100.400 Häftlingen war das Konzentrationslager Hamburg-Neuengamme einschließlich der 86 Außenlager das größte in Nordwestdeutschland. Mindestens 42.900 Menschen überlebten den nationalsozialistischen Terror dort nicht. Die ersten 100 Häftlinge trafen am 12. Dezember 1938 aus dem KZ Sachsenhausen in Hamburg ein. Als die Briten das Lager am 4. Mai 1945, erreichten, fanden sie es leer vor. Die Nazis hatten es räumen lassen, um ihre Verbrechen zu vertuschen.

Rundwege durch das KZ führen zu Orten des Terrors

Noch bis 2003 nutzte die Stadt Hamburg das Gelände als Gefängnis, Angehörige der KZ-Opfer konnten den Ort, an dem ihre Verwandten gelitten hatten, nicht einmal betreten. Erst nach dem Abriss der Strafanstalt wurde der Weg frei für eine Gedenkstätte, die heute das gesamte Areal des ehemaligen Konzentrationslagers umfasst. Drei Rundwege von 1,5 bis 4,5 Kilometern Länge führen zu zentralen Orten des Schreckens: Den Appellplatz, auf dem sich die Häftlinge mehrmals täglich aufstellen mussten und auf dem auch öffentliche Hinrichtungen stattfanden. Den Arrestbunker mit schmalen Einzelzellen, in dem Hunderte Gefangene getötet wurden und das Krematorium, in dem die Leichen der KZ-Häftlinge verbrannt wurden.

Neuengamme: Ausstellung im früheren Häftlingsblock

Das Außengelände der KZ-Gedenkstätte Neuengamme.
Große Flächen mit Bruchsteinen markieren die Grundrisse der ehemaligen Baracken des Lagers.

In einem ehemaligen Häftlingsblock hinter dem rekonstruierten Appellplatz befindet sich die Hauptausstellung der Gedenkstätte. Sie dokumentiert die in Neuengamme verübten Verbrechen und das Leiden der Häftlinge in den Jahren von 1938 bis 1945. Außerdem widmet sie sich der Nachnutzung des ehemaligen Konzentrationslagers, die über Jahrzehnte verhinderte, dass in Neuengamme eine echte Erinnerungsstätte entstehen konnte. Vier ergänzende Ausstellungen sind in weiteren historischen Bauten zu sehen. Sie thematisieren unter anderem die KZ-Zwangsarbeit in der Rüstungsproduktion in den ehemaligen Hallen des Rüstungsbetriebs Walther-Werke. Die Ausstellung im früheren Klinkerwerk dokumentiert unter dem Titel "Arbeit und Vernichtung" die unmenschlichen Arbeitsbedingungen der Zwangsarbeiter in der Ziegelproduktion.

Mahnmal erinnert an die Opfer

Stoffbahnen mit Opfer-Namen im Haus des Gedenkens in Hamburg-Neuengamme © NDR Foto: Irene Altenmüller
Stoffbahnen mit den Namen der Opfer erinnern an die Toten von Neuengamme.

Zum Besuch der Gedenkstätte sollte auch ein Gang zum Internationalen Mahnmal und zum Haus des Gedenkens gehören, die etwa einen Kilometer vom Haupteingang entfernt liegen. Erst 1965 wurde am Rande des Geländes und außerhalb des Areals der damaligen Haftanstalt das Mahnmal für die KZ-Opfer eingeweiht. Es besteht aus einer schlichten Stele, die an den Schornstein des Krematoriums erinnern soll, einer Ehrenmauer und der Bronzeskulptur eines sterbenden Häftlings. Im Haus des Gedenkens sind auf langen Stoffbahnen die Namen von 22.460 Häftlingen mit Sterbedatum verzeichnet. Den Tausenden weiteren Opfern, deren Namen nicht bekannt sind, ist ein weiterer Raum gewidmet. Das Haus des Gedenkens war ursprünglich ein kleines Dokumentenhaus, in dem sich bis 1995 die einzige Ausstellung zum KZ Neuengamme befand.

Häftlinge aus ganz Europa

Das ehemalige Klinkerwerk Neuengamme. © picture-alliance/dpa Foto: Soeren Stache
In diesem Klinkerwerk musste ein Teil der Häftlinge Zwangsarbeit verrichten.

Ende 1938 zunächst als Außenlager des Konzentrationslagers Sachsenhausen (Brandenburg) angelegt, wurde das KZ Neuengamme 1940 zu einem eigenständigen Lager. Mit 86 Außenstellen war es das größte in Nordwestdeutschland. So mussten Gefangene in Bremen und Wilhelmshaven für die Kriegsmarine Schiffe bauen. Auf dem Lagergelände selbst schufteten viele Häftlinge in der Klinkerproduktion Klinkerwerk. Andere mussten in der Innenstadt Trümmer von Bombenschäden wegräumen oder Panzerschutzgräben bauen.

Mörderischer Einsatz an der Dove-Elbe

Die geringsten Überlebenschancen hatten Gefangene, die im sogenannten Kommando Elbe eingesetzt wurden. Um die Dove-Elbe schiffbar zu machen, mussten sie das Gewässer ausheben und einen Stichkanal zum Lager bauen. Ab 1941 kam die Mehrheit der Häftlinge aus den besetzten Ländern. Zunächst bildeten die polnischen, ab 1942 die sowjetischen Häftlinge die größte Gruppe. Mehr als die Hälfte der Gefangenen kam aus Osteuropa, große Gruppen aber auch aus Frankreich, den Niederlanden, Belgien und Dänemark.

2.500 Häftlinge kamen 1944 nach Schwesing

Am 25. September 1944 wurden rund 1.500 Neuengamme-Häftlinge mit Viehwaggons ins Außenlager bei Schwesing in Nordfriesland verfrachtet. Am 19. Oktober folgten zusätzlich 1.000 Häftlinge. Die Insassen stammten größtenteils aus den Niederlanden, Frankreich, Dänemark und Polen, aber auch aus der Sowjetunion und Deutschland selbst. Bis zum 29. Dezember 1944, als das Lager aufgelöst wurde, starben dort mindestens 300 Menschen. Wahrscheinlich ließen sogar 500 Menschen ihr Leben.

Im April 1945 räumt die SS das Lager in Neuengamme

In den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges begannen die Nazis, das Lager in Neuengamme zu räumen und die Spuren der NS-Verbrechen zu vertuschen. Die Häftlinge schickten sie teils auf Todesmärsche, teils wurden sie nach Neustadt in Holstein auf Schiffe gebracht. Am 2. Mai 1945 verließen die letzten Häftlinge und SS-Leute das Lager. Als britische Soldaten am 4. Mai das Gelände des KZ Neuengamme betraten, fanden sie es leer vor. Nur einen Tag davor, am 3. Mai 1945, starben rund 7.000 KZ-Häftlinge auf den Schiffen "Cap Arcona" und "Thielbek" in der Neustädter Bucht nach britischen Bombardements. Sie wurden Opfer eines tragischen Irrtums: Die Briten hatten auf den Schiffen deutsche Truppenverbände vermutet.

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Loren und Klinkerwerk auf dem Gelände des KZ Neuengamme (1944). © dpa Foto: KZ-Gedenkstätte_Neuengamme

Die Briten finden das Lager leer vor

Um die Spuren der Gewalt zu verwischen, lässt die SS das KZ Hamburg-Neuengamme im April 1945 komplett räumen. mehr

Ein Teil der Verantwortlichen des KZ Neuengamme musste sich 1946 vor einem britischen Militärgericht verantworten. Beim sogenannten Curiohaus-Prozess, der am 18. März 1946 in Hamburg begann, waren 14 SS-Männer angeklagt. Gegen elf von ihnen verhängte das Gericht die Todesstrafe. Die übrigen drei Verurteilten erhielten Gefängnisstrafen.

Langer Weg zur Gedenkstätte

Weil die Nazis das Lager noch geräumt hatten, gingen aus Neuengamme keine Gräuelbilder von ausgemergelten Gefangenen um die Welt. Der Name Neuengamme wurde so - anders als etwa Bergen-Belsen - international nicht zum Inbegriff des Nazi-Terrors. Nach Kriegsende internierten die Briten SS-Angehörige und deutsche Kriegsgefangene in dem intakt vorgefundenen Lager. Ab 1948 übergaben die Briten das Lager an die Stadt Hamburg, die auf dem Gelände eine Haftanstalt einrichtete. Die Erinnerungen an das KZ wurden verdrängt.

Statt eine Gedenkstätte zu errichten, riss die Stadt Hamburg immer mehr Zeugnisse des Schreckens wie Wachtürme, Zäune und das frühere Krematorium ab. Nach jahrelangen Diskussionen wurde das Gelände schließlich ab 2003 zur Gedenkstätte umgebaut und die Nachkriegsbauten abgetragen.

KZ-Gedenkstätte Neuengamme

Drei weitere Erinnerungsstätten

Neben der zentralen Gedenkstätte in Neuengamme erinnern drei weitere in ehemaligen Außenstellen am Bullenhuser Damm, in Fuhlsbüttel und in Poppenbüttel an Opfer des NS-Regimes. Die Schule am Bullenhuser Damm ist ein Ort mit besonders tragischer Geschichte: Am 20. April 1945 erhängten SS-Leute 20 jüdische Kinder, an denen medizinische Experimente vorgenommen worden waren, in den Kellerräumen der Schule. Im ehemaligen Torhaus der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel können sich Besucher in einer Ausstellung über das Schicksal der Häftlinge des KZ und Gestapo-Gefängnisses informieren. Mehr als 250 Menschen kamen dort zwischen 1933 und 1945 zu Tode. Die Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel dokumentiert die Zerstörung jüdischen Lebens in der Hansestadt und die Verfolgung von Frauen im Nationalsozialismus.

Karte: Gedenkstätten des KZ Neuengamme

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SA-Männer kleben ein Plakat mit der Aufschrift 'Deutsche! Wehrt Euch! Kauft nicht bei Juden' an die Schaufensterscheibe eines jüdischen Geschäfts. © picture-alliance / akg-images

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NDR Kultur | Klassisch unterwegs | 22.01.2020 | 11:20 Uhr

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