Das Schicksal der Frauen in den KZ-Außenlagern
Zwischen modernen Mehrfamilienhäusern und der Einfahrt zum Parkdeck eines großen Einkaufszentrums in Hamburg-Poppenbüttel liegt ein schlichter Flachbau - ein Gebäude, so unauffällig, dass die meisten Menschen an ihm vorbeigehen, ohne es wirklich zu bemerken. Errichtet wurde das Plattenhaus von Frauen, die in den Jahren zwischen 1944 und 1945 an diesem Ort zu Schwerstarbeit gezwungen wurden. Die meisten waren Jüdinnen, aber auch Sinti, politische Gefangene und andere Gegnerinnen des NS-Regimes gehörten dazu. Sie waren inhaftiert im Konzentrationslager Sasel, einem der sieben Frauen-Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme im Hamburger Stadtgebiet. Seit 1987 befindet sich in dem Bau eine Gedenkstätte.
Viele Frauen starben an Entkräftung
Zwischen September 1944 und April 1945 waren im KZ Sasel rund 500 Frauen untergebracht. Obwohl durch Hunger und Krankheit geschwächt, mussten sie im Hafen und im gesamten Stadtgebiet Bombenschäden beseitigen und Behelfswohnheime wie das in Poppenbüttel für die Ausgebombten errichten. Mindestens 35 Frauen starben an Entkräftung und Krankheiten. Tafeln in der Gedenkstätte schildern die Schicksale einiger Inhaftierter. Sie stehen stellvertretend für die Biografien Tausender weiblicher Häftlinge, die während des Nationalsozialismus in den Hamburger Frauen-Außenlagern inhaftiert waren.
Hunger und Misshandlungen waren an der Tagesordnung
Eine dieser Frauen war die Hamburgerin Lucille Eichengreen (geb. Cecilie Landau). In einem Gespräch von 2004 beschrieb sie den alltäglichen Hunger in dem Außenlager Sasel: "Die meisten von uns husteten und waren krank, aber wir mussten trotzdem arbeiten, arbeiten oder sterben. Es gab wenig Brot, eine tägliche Scheibe war in Sekunden verschlungen. Wir träumten von Brot, fantasierten von Brot, stellten uns einen unerschöpflichen Brotlaib vor." An anderer Stelle berichtet sie über die Misshandlung einer Mitgefangenen: "Der SS-Mann ließ sie in der Mitte des Raumes niederknien und befahl uns, einen Kreis um sie bilden. Wir standen da, schweigende, eingeschüchterte Zeuginnen, während er mit einem schweren Lederriemen schlug. Seine Wut schien grenzenlos. Schließlich brach sie zusammen. Wir durften ihr nicht helfen. Morgen könnte es ich sein, geschlagen oder getötet."
Nachgebaute Behelfsheimwohnung zu besichtigen
Neben den einzelnen Biografien dokumentiert die Gedenkstätte auf weiteren Tafeln die systematische Verfolgung der Juden in Hamburg durch die Nationalsozialisten sowie Standorte und Funktionen der anderen Frauen-Außenlager im Stadtgebiet. Zudem können Besucher eine rekonstruierte Behelfsheimwohnung aus dem Jahr 1944 mit Mobiliar aus der Kriegsproduktion besichtigen.
Plattenhaus-Siedlung wurde in den 60-er Jahren abgerissen
Das Plattenhaus, in dem sich seit 1985 die Gedenkstätte befindet, ist das letzte erhaltene von rund 370 Wohnheimen, die von den Frauen des Konzentrationslagers Sasel errichtet wurden. Alle anderen Plattenhäuser wurden Ende der 60-er Jahre abgerissen, um das Einkaufszentrum zu bauen. Auch das Konzentrationslager Sasel, das etwa zwei Kilometer entfernt von der Behelfsheimsiedlung lag, ist nicht erhalten.