Tatort des Naziterrors: Das KZ Fuhlsbüttel
Das historische Torhaus der Strafanstalten Hamburg-Fuhlsbüttel ist ein schmucker zweitürmiger Backsteinbau. Erst beim Betreten des Gebäudes fällt der Blick auf die schlichten schwarzen Tafeln, die an das Unrecht erinnern, das an diesem Ort während des Nationalsozialismus geschah. Auf den Tafeln sind lange Listen von Namen zu lesen. Es sind die Namen der Männer und Frauen, die zwischen 1933 und 1945 im Konzentrationslager, Gestapo-Gefängnis und KZ-Außenlager Fuhlsbüttel - im damaligen Sprachgebrauch kurz Kola-Fu genannt - ermordet wurden.
Bis heute kennt man nicht alle Namen der Toten
Mehr als 250 Häftlinge starben zwischen 1933 und 1945 im Kola-Fu - durch Mord, Misshandlungen oder weil sie in den Tod getrieben wurden. Wie viele es genau waren, steht bis heute nicht eindeutig fest. Für Tausende weitere Häftlinge war das Gefängnis die Durchgangsstation auf dem Weg in Konzentrationslager wie Sachsenhausen, Ravensbrück, Buchenwald oder Neuengamme und seine Außenlager. Für sie alle begann ihr Leidensweg am Torhaus, das damals der Eingang zum Gefängnisgelände war. Seit 1987 befindet sich dort die "Gedenkstätte Konzentrationslager und Strafanstalten Fuhlsbüttel".
"Meine Eltern haben das Gefängnis von innen kennengelernt"
"Das Torhaus war auch der Ort, wo die Angehörigen Päckchen abgeben und dreckige Wäsche entgegen nehmen konnten. Häufig war diese blutbefleckt", berichtet Ilse Jacob. Die 72-Jährige hat eine spezielle Verbindung zu der Gedenkstätte in Fuhlsbüttel: "Meine Eltern haben beide das Gefängnis von innen kennengelernt", erklärt sie. Sowohl ihre Mutter Katharina als auch ihr Vater Franz Jacob, der bis 1933 für die KPD in der Hamburger Bürgerschaft gesessen hatte, wurden als Kommunisten schon kurz nach der Machtübernahme der Nazis erstmals verhaftet.
"Bis 1939 wurden in Fuhlsbüttel vorwiegend politische Gefangene inhaftiert", erklärt Ilse Jacob. Später kamen auch andere Häftlingsgruppen hinzu, darunter Juden, Zeugen Jehovas, Swing-Jugendliche und Menschen, die von den Nationalsozialisten als "Asoziale" und "Volksschädlinge" bezeichnet wurden, wie etwa Sinti, Bettler und Prostituierte.
Tafeln dokumentieren das Schicksal einzelner Häftlinge
Die Ausstellung im Torhaus zeichnet auf Texttafeln die Lebenswege mehrerer Häftlinge nach. Darunter sind bekannte Persönlichkeiten wie der Schriftsteller Willy Bredel oder die spätere Theaterleiterin Ida Ehre, aber auch weniger bekannte wie etwa der Lübecker Redakteur Fritz Solmitz. "Solmitz war Sozialdemokrat und Jude - eine tödliche Kombination", so Ilse Jacob. "Er gehörte zu den ersten Toten in Fuhlsbüttel." Auf Zigarettenpapier führte Solmitz in winziger Schrift heimlich Tagebuch und versteckte die Aufzeichnungen in seiner Taschenuhr. Nach seinem gewaltsamen Tod im September 1933 wurden Solmitz' Ehefrau die persönlichen Gegenstände ihres Mannes ausgehändigt - darunter auch die Uhr. Erst nach ihrer Flucht in die USA entdeckte seine Frau die versteckten Aufzeichnungen, in denen Solmitz die täglichen Misshandlungen und Demütigungen schilderte. Die Uhr und die winzigen Schriftstücke sind heute in der Gedenkstätte ausgestellt.
Auf dem Rundgang können Besucher auch einen Blick in eine nachgebaute Einzelzelle werfen. Dabei hören sie Ausschnitte aus Berichten ehemaliger Häftlinge - sie handeln von Hunger, Kälte, Misshandlungen und Einsamkeit.
Viele Täter kamen ohne Strafe davon
Einige Texttafeln dokumentieren den Umgang mit den Tätern nach dem Krieg. Wie so oft in der deutschen Nachkriegsgeschichte mussten sich nur wenige von ihnen verantworten. Willy Dusenschön etwa, Leiter der Wachmannschaften von 1933 bis 1934 und einer der Hauptverantwortlichen für Fritz Solmitz' Tod, wurde 1962 freigesprochen und lebte danach unbehelligt weiter.
Franz Jacob: Ermordet im September 1944
llse Jacobs Vater dagegen überlebte die NS-Zeit nicht. Nach seiner ersten Haftentlassung leistete er weiter aktiv Widerstand, gründete mit seiner Frau Katharina die kommunistische Bästlein-Jacob-Abshagen-Gruppe. Kurz vor der Geburt seiner Tochter Ilse flog die Gruppe auf, Franz Jacob tauchte unter und floh nach Berlin. Dort baute er die Widerstandsgruppe Saefkow-Bästlein-Jacob mit auf, die auch Kontakte zu anderen Widerstandsgruppen aufnahm. Die Gruppe wurde jedoch 1944 von einem Spitzel verraten, die Mitglieder verhaftet. Am 18. September 1944 wurde Franz Jacob hingerichtet.
Eine Straße und ein Stolperstein erinnern an Ilse Jacobs Eltern
Ilse Jacobs Mutter war bereits im Juli 1944 verhaftet worden. Wegen Mangels an Beweisen wurde sie freigesprochen, daraufhin aber in das KZ Ravensbrück gebracht. Dort wurde sie am 30. April 1945 befreit. "Von ihrer Zeit im KZ hat sie mir vor allem über Erfahrungen von Solidarität berichtet. Etwa, als in Ravensbrück Typhus ausbrach und ihr Block abgeriegelt wurde. Sie erzählte, wie sie auf ihrem Stockbett lag, als ihr eine Hand durch die Lüftungsklappe ein kleines Stück Seife, etwas Klopapier und ein geröstetes Stück Brot reichte", so Ilse Jacob.
Dass sie ihren Mann durch das Unrechtsregime der Nazis verloren hatte, ließ die Mutter, die nach dem Krieg als Lehrerin arbeitete, nicht verbittern. "Meine Mutter sagte immer: Dass andere Männer als Soldaten an der Front gestorben sind, hielt man für selbstverständlich. Mein Mann ist eben an dieser Front gestorben".
Heute ist eine Straße nach Ilse Jacobs Mutter benannt: der Katharina-Jacob-Weg in Hamburg-Groß Borstel. An Franz Jacob erinnert ein Stolperstein in Hamburg-Winterhude. Ilse Jacob ist für die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes tätig und führt regelmäßig Besucher durch die Gedenkstätte in Fuhlsbüttel.