"Villa Baltic" in Kühlungsborn: Investor zieht sich zurück
Nach der Ablehnung eines Sanierungskonzepts für die geschichtsträchtige "Villa Baltic" durch die Kühlungsborner Stadtvertretung zieht sich der Investor von seinen Plänen zurück. Am Mittwoch wurde eine Dringlichkeitssitzung abgesagt.
Der Eigentümer der "Villa Baltic" in Kühlungsborn (Landkreis Rostock) wird sein Kaufinteresse für das benachbarte Grundstück der ehemaligen Meerwasserschwimmhalle zurückziehen. Das teilte Jan Aschenbeck dem NDR im Vorfeld einer eigentlich für Mittwoch anberaumten Dringlichkeitssitzung der Stadtvertreterversammlung mit. Damit sei das Sanierungskonzept zur Rettung der Villa, das auf dem Nachbargrundstück ein Hotel zur Finanzierung der insgesamt auf 18 Millionen Euro geschätzten Kosten vorsah, endgültig gescheitert. "Wir wollen nicht etwas machen, was Kühlungsborn nicht will", sagte Aschenbeck. Die Grenze der Zumutbarkeit sei für ihn als Projektentwickler lange überschritten.
Die Dringlichkeitssitzung wurde am Nachmittag abgesagt. Die Stadt schreibt dazu auf ihrer Homepage: "Der Bürgervorsteher Uwe Ziesig teilte der Stadtverwaltung mit, dass der CDU-Fraktionsvorsitzende Lars Zacher den Antrag auf Durchführung einer Dringlichkeitssitzung am 29.01.2025 zurückgezogen hat. Damit besteht keine Notwendigkeit zur Durchführung der Stadtvertreterversammlung." Die nächste reguläre Versammlung ist für den 27. Februar terminiert.
Neue Eigentümer waren 2019 voller Hoffnung angetreten
Vor gut fünf Jahren hatte Jan Aschenbeck zusammen mit seinem Bruder Berend das einstige Schmuckstück direkt an der Ostsee-Promenade gekauft. Direkt danach begannen sie, das Gebäude so gut es geht zu erhalten. Doch der Hausschwamm hatte sich bereits damals an mehreren Stellen breit gemacht, wie Aschenbeck dem NDR bei einem Rundgang zeigte. "Die 'Baltic' hat keine Zeit mehr. Wir müssen jetzt nicht mehr überlegen", sagte Jan Aschenbeck damals. "Wir müssen jetzt handeln!" Das war im Dezember 2019.
Fünf Jahre Planungen, Diskussionen, Kompromisse
Passiert ist seither viel: Entwürfe, Konzepte und Kompromissvorschläge. Doch mit dem Gebäude selbst ging es nicht voran. Es verfällt zusehends. Damals war Aschenbecks Wunsch, die "Villa Baltic" nach der Sanierung 2025 wiederzueröffnen. Dieser Wunsch scheiterte an der Kühlungsborner Wirklichkeit: "Das Jahr der eigentlich geplanten Eröffnung ist nun das Jahr des Todes", so Aschenbeck am Mittwoch resigniert am Telefon.
Um die Sanierung und den späteren Betrieb der "Villa Baltic" als öffentlich zugängliches Gebäude zu finanzieren, wollten die Aschenbecks auf dem Nachbargrundstück, auf dem bis zum Abriss im Jahr 2003 eine DDR-Meerwasserschwimmhalle stand, das Hotel bauen. Doch: "Für uns ist keinerlei Wille erkennbar, weder durch Taten noch durch Worte, dass Kühlungsborn das überhaupt will", sagte Aschenbeck.
Zunächst war ein Bürgerentscheid angestrengt worden, der die Bebauung der freien Fläche neben der Villa verhindern wollte. Dieser scheiterte letztlich, sodass die Stadtvertreter entscheiden mussten, ob das Grundstück an die Aschenbecks verkauft wird. Das taten sie im Dezember 2021 - mit 14 zu 6 Stimmen stimmten sie dafür. Dann gab es längere Auseinandersetzungen über den Kaufpreis für das Filetgrundstück. Doch Ende vergangenen Jahres war alles geklärt, auch mit den Fördermittelgebern von Bund und Land.
1931 erstreckte sich ein barocker Garten vor der Villa im damals noch Arendsee genannten Seebad - dort, wo heute die Kühlungsborner Strandpromenade verläuft. 90 Jahre später haben Leerstand und Verfall dem Haus arg zugesetzt. (Sehen Sie die Veränderungen, indem Sie den Schieberegler nach rechts oder links ziehen.)
Entscheidende Abstimmung: Sanierungskonzept abgelehnt
Eine letzte Abstimmung in der Stadtvertretung stand an. Es ging unter anderem um eine Erhöhung der Fördermittel für die Sanierung der Villa von fünf auf sechs Millionen Euro. Aschenbeck hatte die beantragte Erhöhung mit gestiegenen Baukosten begründet. Bund, Land und Stadt sollten jeweils ein Drittel tragen, also je rund zwei Millionen. Mit neun zu neun Stimmen ging das Votum denkbar knapp aus. Da es keine Mehrheit gab, wurde das Sanierungskonzept nach fünf Jahren Planung somit abgelehnt. Es war laut dem NDR Nordmagazin das erste Mal im Land Mecklenburg-Vorpommern, dass einem Fördergebiet die Zustimmung eines Stadtparlaments verweigert wurde.
Früherer Bürgermeister legt Widerspruch ein: Gefährdung des Stadtwohls
Doch kurz danach gab es noch einmal Hoffnung: Denn gegen den ablehnenden Beschluss der Stadtvertretung legte der bis Ende vergangenen Jahres amtierende Bürgermeister Rüdiger Kozian Widerspruch ein. "Die Ablehnung gefährdet das Stadtwohl, deswegen habe ich Widerspruch eingelegt", sagte Kozian dem NDR Mitte Januar. Dieser sollte auf der Dringlichkeitssitzung behandelt werden. Nach Informationen des NDR Studios Rostock bat die CDU um Verlegung der Sitzung auf den 27. Februar, weil sie befürchtet, dass sich eine Mehrheit gegen den Kompromiss ausgesprochen hätte. Der Gesprächsfaden zu den Investoren sei noch nicht endgültig abgebrochen, sagte Bürgervorsteher Uwe Ziesig demnach. Es solle nun ein offener Brief an die Aschenbecks geschrieben werden.
Acht Millionen Euro Fördermittel zur Stadtentwicklung stehen auf dem Spiel
Ex-Bürgermeister Kozian führte in seinem Widerspruch aus, dass durch eine Ablehnung des Sanierungskonzepts ein hoher finanzieller Schaden für die Stadt entstehe, weil Fördermittel von Land und Bund in Höhe von insgesamt rund acht Millionen Euro zurückgegeben werden müssten bzw. nicht mehr bewilligt werden würden. Das betreffe das gesamte Fördergebiet Kühlungsborn-West, das in das Städtebauförderprogramm "Lebendige Zentren" aufgenommen worden war. Dazu gehört neben der Entwicklung der "Villa Baltic" auch die Umgestaltung des Umfeldes der Kunsthalle, die Neugestaltung des Baltic Parks und die Errichtung eines Parkhauses zur Lösung der Parkplatzprobleme.
Zudem wäre der städtebauliche Schaden "für die Stadt weder bezifferbar noch absehbar. Die Sanierung der 'Villa Baltic' liegt schon immer im öffentlichen Interesse der Stadt, ein Scheitern der Sanierung des Gebäudes nach über 30 Jahren Leerstand würde unwiderruflich zum Verlust dieses wichtigsten ortsbildprägenden Denkmals führen."
Eigentümer zeigen sich enttäuscht: "Dann ist die Villa tot"
Die Reaktion der Aschenbecks auf die Ablehnung seitens der Stadtvertreter: Enttäuschung. In einem Brief an die Stadtvertretung schrieben sie in der vergangenen Woche: "Wir müssen davon ausgehen, dass der Erhalt der 'Villa Baltic' - auch wenn es öffentlich von einigen Kommunalpolitikern anders dargestellt wird - nicht wirklich gewollt ist (...) Daher haben wir entschieden, unser Kaufinteresse für das Grundstück der ehemaligen Meerwasserschwimmhalle ab dem 31.01.2025 zurückzuziehen."
Die Folge? "Dann ist die Villa tot", so Aschenbeck vergangene Woche zu NDR 1 Radio MV. Denn ohne Hotel kein rentabler Betrieb der "Villa Baltic", so hatten es die Brüder selbst immer gesagt. Was passiert jetzt mit dem Haus? Darauf weiß Aschenbeck keine plausible Antwort. Eine ausschließlich private Nutzung sei ausgeschlossen, da es die Vorgabe gibt, das geschichtsträchtige Haus der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Stand jetzt bleibt also nur eine Zukunft - und die ist düster: weiterer Verfall.