Elisabeth und Hans Gerdts: "Ohne ihn könnte ich gar nicht sein"
Elisabeth und Hans Gerdts aus Hamburg lernen sich Ende der 1950er-Jahre als Studenten in Heidelberg kennen und lieben. Es gibt Momente in der Ehe, die schmerzhaft sind. Trotzdem hält das Paar immer zueinander.
Ihre Eiserne Hochzeit feiern sie mit vier Generationen und einem DJ, denn Tanzen bedeutet für sie Lebensfreude. Elisabeth und Hans Gerdts konnten nicht unterschiedlicher sein: Er stammt aus einer riesigen Hamburger Pastorenfamilie, sie aus einer kleinen Familie aus Hinterpommern. Sie sind beide noch mitten im Studium, als sie heiraten: "Das war der Beste, den ich kriegen konnte", erzählt Elisabeth Gerdts dem NDR in der Dokumentation "Jahrhundertliebe". Nach vier Kindern in sechs Jahren gibt sie ihr Studium schweren Herzens auf, sein Beruf hat nun Priorität, sie versorgt die Familie.
Zweiter Weltkrieg: Flucht nach Greifswald
Elisabeth Moritz kommt am 19. August 1935 zur Welt. Sie wächst mit ihren Eltern und dem älteren Bruder in Hinterpommern auf. Ihr Vater ist wenig zu Hause, die Mutter erzieht die Kinder überwiegend allein. Im Alter von neun Jahren flieht sie mit der Familie während des Zweiten Weltkriegs nach Vorpommern, später nach Greifswald. Dort macht Elisabeht Moritz Abitur und geht schließlich als Republikflüchtling in den Westen. Elisabeth beginnt, Germanistik in Heidelberg zu studieren.
Hans Gerdts wird am 18. Juli 1936 in Hamburg-Moorburg geboren. Er ist das jüngste von neun Kindern und wächst mit dem Gefühl auf, dass eigentlich immer alles knapp ist. Sein Vater ist Pastor. Nach dem Abitur 1955 studiert Hans zunächst Philosophie und Theologie in Hamburg, dann zieht es ihn in den Süden Deutschlands nach Heidelberg.
"Wir haben uns gut verstanden und Spaß gehabt"
Fernab vom Elternhaus genießt Hans Gerdts das studentische Leben und verbringt die Abende gerne in Kneipen. Als er eines Abends das Lokal verlässt, sieht er auf der Brücke eine Frau stehen, die in den Neckar schaut. Elisabeth war zuvor von einem Medizinstudenten belästigt worden. Hans geht auf sie zu und fragt sie, ob er helfen kann. "Und sie fragte mich, was studieren Sie?", erinnert sich Hans Gerdts. "Wenn er Medizin studiert hätte, hätte er mir nicht helfen dürfen", ergänzt Elisabeth Gerdts. Hans studiert Theologie, folglich darf er Elisabeth helfen. Sie beschließen, zusammen zum Schloss zu laufen. Wegen Glatteises fallen sie häufiger hin und lachen über sich selbst. "Wir haben uns gut verstanden und Spaß gehabt", erzählt Elisabeth von ihrer ersten Begegnung. Es sei gleich Sympathie da gewesen. Trotzdem verabreden sich die beiden nicht.
Zögerlicher Anfang, schnelle Verlobung
Ein paar Tage später entdeckt Hans das Gesicht von Elisabeth wieder - in der Mensa teilt die Studentin Essen aus. Doch es passiert erstmal wieder nichts. Als Hans eines Tages Elisabeth nicht in der Mensa sieht und auch beim Studentenwerk keine Auskunft über ihren Aufenthalt bekommt, wird er unruhig. Nach ein paar Tagen kommt Elisabeth zurück, vom Karneval in Köln. "Und jetzt kriegte ich Angst. Ich will die doch nicht wieder verlieren. Das musst du jetzt festmachen", erläutert Hans Gerdts rückblickend. Er fragt sie, ob sie nicht für immer zusammenbleiben wollen. "Uns verloben."
Hans' Eltern sind entsetzt, dass er mit einer Fremden aus der Zone ankommt. Und für Elisabeth ist es schwer, in diese Familie zu kommen. "Ich fühlte mich zuerst gar nicht wohl", beschreibt sie ihr Unbehagen von damals. Sie fühlt sich ausgeliefert, in dem großen Kreis von Geschwistern.
1959: Hochzeit nur mit Zustimmung des Vorgesetzten
Seine Hochzeit muss das Paar beim Bischof beantragen. Erst wenn der zustimmt, darf geheiratet werden. Zur Trauung im Jahr 1959 kann glücklicherweise auch Elisabeths engste Familie aus der DDR anreisen. Elisabeth kauft ihr Hochzeitskleid allein - bei C&A. Nach der Heirat will sie unbedingt ihr Studium beenden. Ein Jahr schafft sie es, nicht schwanger zu werden. Aber dann passiert es doch, "und dann war nix mehr mit Studium". "Mich hat das total umgehauen und verändert. Ich hatte jetzt so ein kleines Wesen, war Vater geworden, obwohl ich selbst keinen Vater mehr hatte", schildert Hans Gerdts die Geburt des ersten Kindes. Er sei in eine neue Phase eingetreten - das sei gewaltig gewesen.
1962: Sturmflut ist erste Herausforderung im Pfarramt
Elisabeth und Hans Gerdts bekommen vier Kinder in sechs Jahren: Susanne, Walter, Christine und Annette. Elisabeth ist von nun an ganz für die Familie da. Hans übernimmt die Nachfolge des Pastorats seines Vaters in Neuengamme. Und so ziehen sie im Februar 1962 ins Pfarrhaus. Es ist der Monat, in der es zur schweren Flutkatastrophe in Hamburg kommt. Moorburg ist besonders betroffen - und Hans Gerdts muss als einer der ersten Amtshandlungen die vielen Opfer der Sturmflut beerdigen.
Die Arbeit erfüllt Walter Gerdts von der Seelsorge über die Jugendarbeit und das Predigen: "Ich bin sehr gerne Pastor gewesen." Das Pfarramt bestimmt seinen Alltag, erst dann kommt die Familie.
Nicht alles läuft harmonisch, es gibt auch Ehekrisen
Hans beschreibt sich zwar als dominanteren Part in der Beziehung, Entscheidungen treffen sie grundsätzlich gemeinsam. Allerdings muss die Familie umziehen, wenn es Hans Gerdts an einen neuen Arbeitsplatz zieht. "Nach acht Jahren kriegte er immer das Gefühl, etwas Neues machen zu müssen", beschreibt Elisabeth die damalige Situation. Und so lebt die Familie mal in Horn oder Rosengarten-Vahrendorf. Nicht alles läuft harmonisch, es gibt auch Ehekrisen. "Es gab sogenannte Schwalben. Das waren Frauen, die für den Pastor schwärmten. Die wollten unbedingt mit meinem Mann zusammen sein", erzählt Elisabeth, nicht unberührt von den damaligen Ereignissen. Das sei nicht gut für ihre Beziehung gewesen.
"Als Pastor fühlst du dich engagiert für Leute, die dir anvertraut sind. Und wenn das ins sehr Persönliche geht, an die Grenze zur Intimität, dann wird das sehr belastend. Besonders für Elisabeth", schildert Hans Gerdts die schwere Situation für die Ehe in der Rückschau. Die Beziehung will er nicht gefährden. Das sei für ihn selbstverständlich gewesen, dass das nicht passieren dürfe. Aber, es gebe auch Tiefs in einer Ehe - und das sei schmerzhaft.
Elisabeth Gerdts setzt im Alter auf Eigenständigkeit
Als die Kinder größer sind, setzt Elisabeth auch wieder eigene Ideen um - sie gründet einen Spielkreis, aus dem ein Kindergarten wird. Und fängt mit dem Töpfern an. Hunderte von Objekten hat sie in den vergangenen Jahren geformt. Irgendwann ist Tochter Christine in die Töpferei miteingestiegen. Sie bewundert an ihren Eltern die Liebe und den Zusammenhalt, der über allem stehe. Sie habe nie das Gefühl gehabt, dass einer den anderen missachte, übergehe oder überhöre. "Sie haben sich gestritten, na klar. Und dabei immer wertschätzend", beschreibt Christine Kienert die Ehe ihrer Eltern.
65 Jahre: "Wir sind jetzt zusammengewachsen"
Für den Partner und die Kinder da zu sein und trotzdem eigene Sachen zu machen, das hat Elisabeth Gerdts immer getan. Jetzt kann sie auch mal die Hilfe ihrer Kinder annehmen. Zu den vier Kindern, acht Enkeln und sieben Urenkeln haben die Gerdts eine gute Beziehung. In schwierigen Zeiten haben sie immer zueinandergestanden und sich immer wieder aufs Neue füreinander entschieden. "Wir sind jetzt zusammengewachsen, 65 Jahre sind ein ganzes Leben, da entsteht eine Vertrautheit", sagt Elisabeth Gerdts. Und ein Gefühl, "ohne ihn könnte ich gar nicht sein."