Die Stasi als "Schild und Schwert der Partei"
Am 8. Februar 1950 wird in der DDR das Ministerium für Staatssicherheit gegründet. Unmittelbar danach beginnt der Aufbau eines flächendeckenden Überwachungsnetzes.
"Vorschläge der SED wurden Gesetz" titelte die Schweriner Landes-Zeitung am 9. Februar 1950. Das Blatt informierte gewohnt ausschweifend über die Ergebnisse der zehnten Plenarsitzung der Volkskammer vom Vortag. Wichtigstes Thema war der Beschluss eines neuen Jugendgesetzes. Die bedeutendste Neuigkeit fand sich aber nur als Randnotiz am Ende des Textes: "Ein Gesetz über die Errichtung eines Ministeriums für Staatssicherheit wurde nach der Begründung durch Innenminister Karl Steinhoff gleichfalls angenommen." Welche Folgen dieser eine Satz für sie haben würde, ahnten die Schweriner Leser wohl an diesem Tag noch nicht.
Ein flächendeckendes Überwachungsnetz
Mit der Gründung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) am 8. Februar 1950 begann der systematische Ausbau eines flächendeckenden Überwachungsnetzes in der DDR, der bis zum Wendejahr 1989 andauerte. Zuletzt arbeiteten DDR-weit etwa 91.000 hauptamtliche und rund 180.000 inoffizielle Mitarbeiter für den geheimen Nachrichtendienst. Die Stasi war zugleich politische Geheimpolizei und Organ für strafrechtliche Untersuchungen und ging auch gezielt gegen Oppositionelle und Andersdenkende in der DDR-Bevölkerung vor. Sie wurden häufig Opfer perfider Überwachungs,- Zuführungs- und Verhörmethoden.
Auch vor dem Einsatz sogenannter Zersetzungsmethoden scheute die Stasi nicht zurück. Dazu gehörten etwa "die systematische Diskreditierung des öffentlichen Rufs" oder "das Erzeugen von Misstrauen und gegenseitigen Verdächtigungen".
Definition des Feindbildes
Innenminister Steinhoff hatte die Gründung des neuen Staatssicherheitsministeriums damit gerechtfertigt, dass es dessen Aufgabe sein werde, volkseigene Betriebe und das Verkehrswesen zu schützen, Saboteure zu entfernen und einen rücksichtslosen Kampf gegen Banditen in den eigenen Reihen zu führen. Das Feindbild des noch jungen Staates DDR war damit definiert - und ließ genügend Spielraum für eine großzügige Auslegung der Begriffe seitens der SED-Regierung.
Eine Woche später wurden die Personalien bekannt gegeben: Chef des neuen Ministeriums mit Hauptsitz in der Berliner Normannenstraße wurde Wilhelm Zaisser, der das Vertrauen der sowjetischen Besatzungsmacht genoss. Der spätere Stasi-Chef Erich Mielke bekam zunächst nur den Posten als Staatssekretär.
"Schild und Schwert der Partei"
Der neue Geheimdienst nach sowjetischem Vorbild hatte die Aufgabe, Beschlüsse der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) umzusetzen - und in ihrem Sinne zu handeln. Die Stasi verstand sich deshalb als "Schild und Schwert der Partei". "Zunächst gab es die Landesverwaltungen in den fünf Ländern", erklärt Jens Gieseke vom Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam, der jahrelang als Mitarbeiter der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU) zum Thema geforscht hat. "Der eigentliche große Einschnitt war das Jahr 1952, in dem mit der Umstellung auf Bezirke dann auch 15 Bezirksverwaltungen gegründet wurden."
Gleichzeitig baute das Ministerium für Staatssicherheit Kreisdienststellen in allen Stadt- und Landkreisen auf - und seinen Personalbestand massiv aus. Auf der 2. Parteikonferenz der SED im Juli 1952 hatte Walter Ulbricht zuvor die "Verschärfung des Klassenkampfes" angekündigt. In der Folge verdoppelte die Stasi nahezu ihren Personalbestand an hauptamtlichen Mitarbeitern auf rund 8.800.
Langsame Entwicklung im Norden
In den drei Nordbezirken Schwerin, Neubrandenburg und Rostock ging der Aufbau der Strukturen und des Überwachungsnetzes in den Anfangsjahren eher langsam voran. Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen seien die Vorreiter bei dem Ausbau dieses Netzes gewesen, sagt Gieseke.
Im Rahmen der konspirativ vorbereiteten "Aktion Rose" enteignete der Staat 1953 Hotel- und Pensionsbesitzer im Norden der DDR. Deren Ferienobjekte wurden dem Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) übergeben. Mehr als 400 Menschen wurden verhaftet und vor einem Sondergericht zu Gefängnisstrafen verurteilt. Enteignungen hatten im ganzen Land auch schon zuvor stattgefunden und den Unmut der DDR-Bevölkerung geschürt.
Im selben Jahr protestierten Arbeiter im ganzen Land gegen die staatlich festgesetzte Erhöhung der Arbeitsnormen: Während der Volksaufstand in anderen Regionen wie etwa Berlin, Sachsen und Thüringen schon am 17. Juni in vollem Gange war, fanden im Norden erst einen Tag später Demonstrationen und Proteste statt - zumeist in den Hafenstädten wie Wismar, Stralsund und Rostock. Volkspolizei, MfS und die sowjetische Armee erstickten die Aktionen im dünn besiedelten Mecklenburg-Vorpommern aber im Keim.
Wechsel an der Spitze des MfS
Die Macht der SED, gegen deren Politik sich die Proteste der Arbeiter und Bauern richteten, war allerdings zutiefst erschüttert worden. Sogar Dienststellen des MfS hatten die Demonstranten gestürmt. In der Folge kam es in der DDR nach Angaben der BStU unter anderem zu 13.000 bis 15.000 Festnahmen und 18 Hinrichtungen durch Sowjetische Militärtribunale.
Stasi-Chef Zaisser war bei der Ulbricht-Regierung in Ungnade gefallen und wurde im Juli 1953 wegen "parteifeindlicher fraktioneller Tätigkeit" als Minister abgesetzt. Seinen Posten übernahm Ernst Wollweber. Das MfS wurde zum Staatssekretariat abgewertet und bekam erst zwei Jahre später wieder den Status eines Ministeriums. Die Ära Wollweber dauerte bis 1957, danach wurde Erich Mielke Chef der DDR-Staatssicherheit und blieb es bis zuletzt.
Ausbau des Überwachungsnetzes
Ab Ende der 60er-Jahre und etwas später unter der Regierung Honecker sei der "präventive Sicherheitsstaat" ausgebaut worden, sagt Jens Gieseke. "Es ging darum, in der gesamten Gesellschaft mögliche politische Abweichungen schon im Vorhinein zu erfassen und damit unter Kontrolle zu bekommen." Ein extremer Personalaufbau ab den 70er-Jahren war die Folge. Es sei in dieser Phase vor allem darum gegangen, den Einfluss des Westens, der ja durch den Grundlagenvertrag und die neue Ostpolitik wieder stärker wurde, wirklich gering zu halten, so Gieseke. Am Ende stand ein nahezu lückenloses Spitzel- und Überwachungsnetz, das alle Lebensbereiche der DDR-Bürger durchdrang - ein "Verdienst" des linientreuen neuen Stasi-Chefs.
Diese Entwicklung ging natürlich auch am Norden der DDR nicht vorbei. Bald erkannte die Stasi, dass im Bezirk Rostock gewisse Gefahren lauerten: Der Hafen, von dem aus DDR-Matrosen in See stachen und in dem internationale Seeleute von Bord gingen, barg ein Risiko als potenzielles Schlupfloch ins Ausland. Eine eigene Abteilung überwachte deshalb das Areal. Auch war die Region ein beliebtes Urlaubsgebiet bei DDR-Bürgern. Die Nähe zum Meer schien nur allzu verlockend für einen möglichen Fluchtversuch über das Wasser.
Der Überwachungsbedarf wuchs nach Auffassung des MfS also stetig, in der Folge wurde die Bezirksverwaltung Rostock erweitert und war 1980 mit 3.072 die größte unter den 15 DDR-Dienststellen. 1989 befand sie sich mit 3.827 hauptamtlichen Mitarbeitern noch auf dem zweiten Platz - gleich hinter Potsdam. Im Vergleich dazu verfügten die beiden anderen Nord-Bezirksverwaltungen über eine wesentlich schmalere Personaldecke: Schwerin hatte knapp 2.300 Mitarbeiter, im bevölkerungsarmen Neubrandenburg waren zuletzt rund 1.900 Hauptamtliche beschäftigt.
Das Ende der Stasi
Nach dem Mauerfall im November 1989 wendete sich das Blatt: Die Stasi geriet schnell ins Visier der DDR-Bevölkerung, auch im Norden. In der ersten Dezemberwoche stürmten Bürgerrechtler die Dienststellen in Schwerin, Neubrandenburg und Rostock - und forderten die Herausgabe der Akten. Vor allem wollten sie verhindern, dass wichtige Dokumente vernichtet werden.
Nachdem die Stasi noch kurze Zeit als Amt für nationale Sicherheit fortbestanden hatte, wurde sie Anfang 1990 per Regierungsbeschluss aufgelöst. Danach begann das schwierige Kapitel der Aufarbeitung, das bis heute andauert. Insbesondere in den Anfängen wurde es von einem Rostocker Pfarrer maßgeblich geprägt: von Joachim Gauck, der 1991 erster Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen wurde.