Überwachungstechnik der Stasi: Im Rahmen der Ausstellung "Verdeckt und getarnt" sind 2008 eine Kamera in einem Knopf und ein Infrarotblitz zu sehen. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS Foto: Jens Meyer
Überwachungstechnik der Stasi: Im Rahmen der Ausstellung "Verdeckt und getarnt" sind 2008 eine Kamera in einem Knopf und ein Infrarotblitz zu sehen. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS Foto: Jens Meyer
Überwachungstechnik der Stasi: Im Rahmen der Ausstellung "Verdeckt und getarnt" sind 2008 eine Kamera in einem Knopf und ein Infrarotblitz zu sehen. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS Foto: Jens Meyer
AUDIO: Die 70er: Die Stasi und ihre Opfer (8/12) (33 Min)

Die Stasi und ihre Opfer

Stand: 25.01.2023 05:00 Uhr

Nach der Unterzeichnung internationaler Verträge, die die Achtung der Menschenrechte fordern, setzt das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR ab den 70ern vermehrt auf "leise" Formen der Repression wie das "Zersetzen" von Regime-Gegnern.

von Ulrike Bosse, NDR Info

Als Geheimdienst und Geheimpolizei zugleich nimmt das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR dabei nicht nur das Ausland ins Visier, sondern zunehmend auch jeden Verdacht des inneren Widerstands gegen die SED. Ein dichtes Netz an "Informellen Mitarbeitern" (IM) hilft bei der Überwachung. "Wir müssen alles erfahren, es darf an uns nichts vorbeigehen", sagte Stasi-Chefs Erich Mielke bei einer Kollegiumssitzung des MfS. "Man wird benachteiligt, fragt sich: Was ist jetzt mit mir passiert? Warum ich?", fragte sich auf der anderen Seite das Stasi-Opfer Eckart Hübener.

Der Pastoren-Sohn im Visier der Stasi

Eckart Hübener © NDR Foto: Franziska Amler
In der Nähe von Rostock wuchs Eckart Hübener in einem Pfarrhaushalt auf. Schon früh gehörten Bespitzelungen durch die Stasi zu seinem Alltag.

Überwachung - Repression - Zersetzung: Das waren die Methoden, mit denen das Ministerium für Staatssicherheit das Leben in der DDR gesteuert hat. Eckart Hübener, Jahrgang 1953, ist in einer Pastoren-Familie in Mecklenburg-Vorpommern aufgewachsen. Er geriet ins Visier der Stasi, weil er sich wegen ihres atheistischen Inhalts weigerte, den Text der Internationale zu rezitieren, des weltweit verbreiteten Kampflieds der sozialistischen Arbeiterbewegung.

Daraufhin wurde er isoliert, es wurden Lügen über ihn erzählt, der Weg zu seinem Wunschstudium Architektur wurde ihm verwehrt. Er wurde Pastor und fand Gleichgesinnte in der DDR-Opposition. Heute hilft er anderen Betroffenen, zu verstehen, was damals in der DDR mit ihnen passiert ist.

Die "größte und erbarmungsloseste Spionage-Organisation"

Offiziell gegründet wurde die Stasi durch einen Beschluss der provisorischen Volkskammer der DDR vom 8. Februar 1950. Sie war zugleich Geheimdienst und Geheimpolizei. Allerdings gab es schon vorher Organisationen mit nachrichtendienstlichen und polizeilichen Aufgaben - die im Laufe der Zeit weitgehend in der Stasi aufgingen. Von der sowjetischen Besatzung ins Leben gerufen waren sie nach sowjetischem Vorbild aufgebaut worden. Sie wurden von sowjetischen Stellen kontrolliert. Ihr Führungspersonal war in Moskau geschult worden und sollte der kommunistischen Bewegung bedingungslos ergeben sein - das galt auch für die Stasi.

Als "größte und in ihren Methoden erbarmungsloseste Spionage-Organisation" beschrieb Siegfried Dombrowski die Stasi 1959 nach seiner Flucht in den Westen. Er kannte die DDR-Geheimdienstszene von innen, weil er bei der NVA, der Nationalen Volksarmee, zeitweise stellvertretender Stabschef der Verwaltung Aufklärung war, also des militärischen Nachrichtendienstes.  

"Wer nicht ins Bild passte, war Staatsfeind"

In den 50er-Jahren etablierte sich die Stasi als stalinistische Geheimpolizei, die unpolitische Menschen, Sozialdemokraten, aber auch kommunistische Kader im Blick hatte. "Wer nicht ins Bild passte, der war ein Staatsfeind", so schildert Eckart Hübener die Weltsicht der Stasi. Nicht nur Menschen, die in Opposition zum SED-Regime standen, wurden verfolgt und unterdrückt. Auch gegenüber Parteigenossen übte man keine Toleranz. Auf Abweichungen und tatsächliche oder vermeintliche Gegner wurde mit Terror reagiert - Stalin hatte in der Sowjetunion dafür die Doktrin von der "Verschärfung des Klassenkampfes" entwickelt.

Laut einer Statistik der Bundeszentrale für Politische Bildung wird geschätzt, dass es Anfang der 50er-Jahre mehr als 20.000 politische Häftlinge in der DDR gab. Besonders berüchtigt war das aus einem sowjetischen Sonderlager hervorgegangene Zuchthaus Bautzen, das von der Bevölkerung das "Gelbe Elend" genannt wurde.

Druck der Stasi bestärkt im Widerstand

Ab den 60er-Jahren versuchte man dann mehr und mehr, "präventiv" zu arbeiten: mögliche Unruheherde sollten im Keim erstickt werden. Die Staatssicherheit machte sich immer mehr im Alltagsleben der DDR-Bürger breit, weil man hinter allen Formen von Opposition die Einflussnahme des Westens vermutete.

VIDEO: So war das: Der Staatssicherheitsdienst der DDR (1962) (28 Min)

Eckhart Hübener wusste, dass er beobachtet wurde, als er zusammen mit anderen jungen Leuten eine Untergrundgruppe aufbaute. "Da fahren Autos in der Parallelstraße, oder Leute sind plötzlich im Haus, die da nichts zu suchen haben. Und man hat den Eindruck, man geht auf dem Bürgersteig, aber ein Auto fährt irgendwie im Abstand hinter einem her." Aktionen wie diese bestärkten Hübener allerdings nur in seiner Haltung, für ein Leben in Freiheit zu kämpfen.

Die Stasi als Repressionsapparat

Die Stasi wuchs schnell. Sechs Jahre nach ihrer Gründung hatte sie 16.000 Mitarbeiter - bei ihrer Auflösung 1989 waren es mehr als 90.000 feste Mitarbeiter. Dazu kamen die IMs, also Informelle Mitarbeiter: Laut Bundesarchiv waren es 1989 rund 189.00.

Das MfS verzweigte seine Aufgaben im Laufe der Jahre immer weiter: Neben der klassischen Auslands- und Wirtschaftsspionage war die Stasi eine Behörde zur Umgehung von Handelsembargos und zur Devisenbeschaffung. Und sie war ein Instrument zur Überwachung der DDR-Gesellschaft im Sinne einer Geheimpolizei, eines Repressionsapparats - allerdings auch mit einer Funktion, die heute Meinungsforschungsinstitute übernehmen: Sie unterrichtete die Staatsführung, wenn die DDR-Bürger sich über Missstände beschwerten wie unzureichende Versorgung oder fehlenden Wohnraum.

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Das Ministerium für Staatssicherheit im Ostberliner Bezirk Lichtenberg. © dpa - Bildarchiv Foto: Wolfgang Kumm

Die Stasi als "Schild und Schwert der Partei"

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Das Herrschaftsinstrument der SED

Die Stasi agierte aber nicht unabhängig, sondern war ein Herrschaftsinstrument der SED, unterstreicht Eckart Hübener:
"Sie war Schild und Schwert der Partei." Stasi-Chef Erich Mielke hatte zwar große Macht und ein riesiges Operationsgebiet. Aber er unterstand Parteichef Erich Honecker. Die Stasi war kein "Staat im Staat", sondern sie folgte den Vorgaben der SED-Führung und war eng mit der Partei verflochten.

Menschenrechte treiben zur "leisen" Repression

1972 wurde der Grundlagenvertrag zwischen der Bundesrepublik und der DDR unterzeichnet, 1973 wurden beide deutsche Staaten in die UN aufgenommen, 1975 gehörte Erich Honecker zu den Unterzeichnern der KSZE-Charta, mit der sich die DDR zur Achtung der Menschenrechte verpflichtete: Offene Repression der eigenen Bevölkerung passte damit nicht mehr in die Zeit. Die Stasi konzentrierte sich also auf subtilere Formen der Überwachung und Verfolgung. Das hatte dann etwa zur Folge, "dass die Staatssicherheit eingesehen hat, die Häftlinge dürfen zum Beispiel keine körperlichen Folterspuren mehr haben", erzählt Eckart Hübener. "Die Wunden, die sie im Inneren haben, sind egal. Und daran orientiert hat man die Folterarbeit und die Verhörarbeit generell umgestellt."

Intrigen hinein ins Innerste

Die Stasi entwickelte eine Fülle von Strategien zur Verfolgung oppositionellen Verhaltens jenseits des Strafrechts - Mielke sprach von der "Zersetzung feindlich-negativer Kräfte". Eckart Hübener schildert diese Strategie so: "Man intrigiert in die Ehen hinein, man intrigiert in die Berufsverhältnisse, in die Karriere, in die Ausbildung der Kinder hinein, in die Reisevorgaben, in das Erlangen eines Kfz oder einer Baugenehmigung oder eines Angelscheins." So baute die Stasi ihre Macht immer weiter aus. Wenn die "Zersetzung" nicht funktionierte, fand die Stasi Vorwände oder Gründe, die Menschen doch noch im Gefängnis verschwinden zu lassen.

Kooperationen mit dem MfS "überwiegend ideeller Natur"

Die "Zersetzungsstrategie" der Stasi wurde im Ministerium für Staatssicherheit entwickelt. Umgesetzt werden konnte sie nur mithilfe eines Heeres an "Inoffiziellen Mitarbeitern", den IMs. Eckart Hübener erzählt, dass psychologische Strategien, die die Stasi einsetzte, um ihre Gegner zur zermürben, auch genutzt wurden, um IMs zu gewinnen: "Die Stasi war ein Machtangebot an Leute mit Charakteren, die da andocken konnten." Im MfS-Lexikon des Bundesarchivs heißt es, die "Motive zur Kooperation mit dem MfS" waren "überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener Erpressung." Und: "Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger."

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Eckart Hübener hat in seinen Stasi-Akten die Namen von 42 Inoffiziellen Mitarbeitern gefunden. Und er vermutet, dass es in seinem Umfeld noch einmal so viele Spitzel gab, die nicht in den Akten stehen. Er hat die direkte Konfrontation gesucht: "Von den IMs hat sich eine persönlich bei mir entschuldigt. Mit einem zweiten habe ich ein klärendes Gespräch geführt, und bei all den anderen ist gar nichts herausgekommen, sondern da hieß es dann noch: 'Es hat doch keinem geschadet.' Oder sie waren dann einfach nicht mehr greifbar."

Als Stasi-Opfer nicht in der Opferrolle verharrt

Eckart Hübener wurde zwar bespitzelt, verfolgt und 1981 für ein Jahr und drei Monate ins Gefängnis gesteckt. Aber dass er gemeinsam mit seinen Freunden in der Opposition aktiv war, gab ihm Kraft: "Ich fühle mich nicht wirklich als Opfer, sondern ich bin ziemlich bald aufgrund von sehr guten Freunden und guten Fragestellungen zum Täter geworden. Ich wusste, das ist ein Kampffeld."

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Das Ministerium für Staatssicherheit im Ostberliner Bezirk Lichtenberg. © dpa - Bildarchiv Foto: Wolfgang Kumm

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NDR Info | Deine Geschichte – unsere Geschichte | 29.01.2023 | 14:30 Uhr

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