LPG: Vom Kleinbauern zum Agrargenossen der DDR
Am 8. Juni 1952 wird in der DDR die erste Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft gegründet. Im Juli beschließt die SED dann offiziell, die Agrarwirtschaft zu kollektivieren. Zehntausende Kleinbauern schließen sich zu LPGs zusammen.
LPG - es sind drei Buchstaben, die für das Agrarsystem der DDR stehen: Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften. Dabei sieht es zunächst nicht nach gemeinsamem Wirtschaften aus. Im Gegenteil: Im Herbst 1945 beginnt in der sowjetischen Besatzungszone eine Bodenreform, verbunden mit einer Enteignungswelle von Grundbesitzern. Mehr als 12.000 landwirtschaftliche Betriebe, jeweils mindestens 100 Hektar groß, werden in öffentlichen Bodenfonds verstaatlicht. Wenig später kommen sie in neue Hände, aufgeteilt in Flächen von fünf bis zehn Hektar. Ehemalige Arbeiter aus Landwirtschaft und Industrie, aber auch viele Flüchtlinge aus dem Osten beginnen nun, sich Existenz als selbstständige Kleinbauern aufzubauen - insgesamt mehr als eine halbe Million Menschen.
Die SED steuert gegen
Besonders in Regionen mit großen Gütern, wie im heutigen Mecklenburg-Vorpommern, hat die Bodenreform weitreichende Folgen. Statt produktiver Gutshöfe wirtschaften nun Tausende meist unerfahrene Kleinbauern auf Flächen, die kaum rentabel zu bestellen sind. 1952 erkennt auch die DDR-Führung die Misere und reagiert.
"Walter Ulbricht" wird erste LPG der DDR
Am 8. Juni wird - zwar freiwillig, aber vermutlich nicht ganz ohne Druck von Parteifunktionären - die erste LPG mit dem Namen "Walter Ulbricht" gegründet.
Auf ihrer Tagung vom 9. bis 12. Juli in Berlin beschließt die 2. Parteikonferenz der SED dann offiziell, die Agrarwirtschaft mit Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften umzustrukturieren. Drei Typen sind fortan möglich:
- Typ I: Bauern bringen nur ihren Boden ein.
- Typ II: Zusätzlich werden Maschinen gemeinsam genutzt.
- Typ III: Auch das Vieh gehört zum Gemeingut.
Jede LPG, die nach einer Mustersatzung vereinbart und staatlich bestätigt wird, gilt als rechtlich selbstständiger Betrieb. Der Boden bleibt Eigentum der Bauern. Nicht nur Landwirte, sondern jeder DDR-Bürger kann sich einer LPG anschließen. Alle Mitglieder erhalten leistungsbezogene Löhne und Gewinnbeteiligungen.
Beitritt zur LPG erfolgte nicht immer freiwillig
Viele Kleinbauern, speziell jene mit wenig ertragreichen Böden, schließen sich den neuen Gemeinschaften an. Andere werden von der staatlichen Verteilungspolitik, etwa bei Saatgut und Düngemitteln, oder gesellschaftlichem Druck in die LPG gedrängt. Der Eintritt in eine LPG soll laut Staatsführung auf der Basis der Freiwilligkeit stattfinden. Die Wirklichkeit sieht in den meisten Fällen jedoch anders aus. Durch wirtschaftliche Restriktionen der SED-Führung gegen Landwirte mit jeweils mehr als 20 Hektar - sie gelten als Großbauern -, zunehmend steigende Abgabepflichten, wirtschaftliche Benachteiligung gegenüber den LPGs und mangelnde Belieferung mit Produktionsmitteln und Baustoffen versucht der Staat, Landwirte zum Eintritt in die LPG zu zwingen.
DDR erreicht Ziel der vollständigen Kollektivierung 1960
Viele Landwirte entziehen sich dieser Zermürbungstaktik durch Flucht. Das verlassene Land wird enteignet, ohne die Zustimmung der Besitzer einzuholen, und in die LPG integriert. Bevor das Ziel der vollständigen Kollektivierung 1960 erreicht wird, schicken die Kreis- und Bezirksleitungen noch Agitationstrupps in die Dörfer, um den Eintritt der letzten nicht beitrittswilligen Bauern in Produktionsgenossenschaften zu erzwingen. Im sogenannten sozialistischen Frühling treten von März bis Mai 1960 mehr als 498.000 Bauern den LPG bei.
Ab 1960 gibt es in der DDR kaum noch selbstständig wirtschaftende Bauern. Zunächst setzt sich der LPG-Typ III mit dem höchsten Grad an Zusammenarbeit durch. Später entstehen daraus spezialisierte Genossenschaften, die sich ausschließlich der Tierzucht oder dem Ackerbau widmen.