Die Köhlbrandbrücke: Seit 1974 Hamburgs Wahrzeichen
Rund vier Jahre dauerten die Bauarbeiten für die Köhlbrandbrücke im Hamburger Hafen. Am 23. September 1974 fuhren die ersten Autos über die Köhlbrandbrücke im Hamburger Hafen. Inzwischen ist das Bauwerk marode.
"Die schönste Flussbrücke Europas" oder "Golden Gate von Hamburg": Als die Köhlbrandbrücke am 20. September 1974 eingeweiht wird, ist die Euphorie groß. Nach knapp vierjähriger Bauzeit verbindet die 3.618 Meter lange Schrägseilbrücke den Stadtteil Steinwerder auf der Hamburger Elbinsel Wilhelmsburg mit Waltershof an der Autobahn 7.
Bundespräsident Walter Scheel eröffnet Bauwerk
Drei Tage lang haben die Hamburger Zeit, die neue Brücke zu Fuß zu überqueren. Ab dem 23. September soll sie den Autos und Lkw gehören, denn einen Fußweg gibt es nicht. Nachdem Bundespräsident Walter Scheel die Brücke offiziell eröffnet hat, gibt es kein Halten mehr. Der Andrang ist riesig: Mit 600.000 Menschen, die das elegante Bauwerk auf drei Tage verteilt mehr stürmen als begehen, haben die Veranstalter nicht gerechnet. Deswegen sind auch die 100.000 Erinnerungsmedaillen schnell vergriffen, was zu kleineren Tumulten führt.
Ein "Triumphbogen" für 160 Millionen Mark
Brücke oder Tunnel - das ist schon in den 1960er-Jahren die Frage gewesen, um das östliche mit dem westlichen Hafengebiet zu verbinden. 1967 gibt es Überlegungen des Hamburger Senats, einen Tunnel mit fünf Röhren unter dem Elbarm zu bauen. Der Journalist Frank Hofmann schreibt in seinem Buch "Hamburgs Köhlbrandbrücke - Geschichte und Geschichten", dass eine davon für den Bahnverkehr sein sollte, eine andere für Fußgänger und Radfahrer. 255 Millionen D-Mark seien dafür veranschlagt worden.
So beschließt der Senat 1968 den Bau einer günstigeren Brücke über den 325 Meter breiten Köhlbrand, einen Nebenarm der Süderelbe. Der beauftragte Architekt Egon Jux hat Hoffmann zufolge ursprünglich zwei parallele Brücken mit jeweils vier Spuren geplant, doch nur die erste Baustufe sei einkalkuliert worden. Für den Eisenbahnverkehr über die Süderelbe muss folglich eine weitere Querung gebaut werden, die etwa drei Kilometer stromaufwärts gelegene Kattwyk-Hubbrücke. Aus den ursprünglich geplanten zwei Jahren Bauzeit für die Köhlbrandbrücke und Kosten von 120 Millionen Mark werden aber rund vier Jahre und 160 Millionen Mark. Für den "Triumphbogen für Hamburgs Hafen" - so damals die Lokalpresse - muss der kleine Ortsteil Neuhof weichen - auch im Zuge der Hafenerweiterung. 300 Familien müssen ihre Heimat am Köhlbrand verlassen.
Elegant und schwebend: "Europas schönste Brücke"
Federführend bei der Planung der Schrägseilbrücke sind der Architekt Egon Jux und der Bauingenieur Paul Boué. 88 Stahlseile verbinden den Brückenkasten mit den beiden 135 Meter hohen Pylonen. Das sanft ansteigende Bauwerk erweckt den Eindruck, als schwebe es über dem Hafen, bevor es in einer engen Schleife wieder zur Erde gleitet. Die Menschen schwärmen von der eleganten Silhouette der Köhlbrandbrücke, die 1975 den Europäischen Stahlbaupreis für die "schönste Brücke des Kontinents" erhält.
1978: Stahlseile müssen ausgetauscht werden
Doch bereits vier Jahre nach der Eröffnung bekommt das viel gelobte Bauwerk erste Kratzer. 1978 und 1979 müssen sämtliche Stahlseile ausgetauscht werden - sie sind schlicht von zu viel Rost befallen. Der Nutzen für den Hafenverkehr ist indes unbestritten: Auf vier Spuren befördern immer mehr Lkw Waren zwischen den Hafen-Terminals, in Richtung Autobahn oder auf die Schiene.
Schwimmkran reißt Loch in Brücke
Am 20. Februar 1998 ereignet sich ein schwerer Unfall: Der niederländische Schwimmkran "Rotterdam" rammt versehentlich die Brücke und reißt ein großes Loch in den Brückenkasten. Zwar ist die Stabilität des Bauwerks nicht gefährdet. Doch die wochenlangen Reparaturarbeiten führen zu einem Verkehrschaos, da die Brücke während dieser Zeit nicht befahren werden kann.
25 Jahre: Ein Wahrzeichen feiert Jubiläum
1999 feiert die Stadt das 25-jährige Bestehen der zweitlängsten Straßenbrücke Deutschlands. Sie werde "ganz sicher eine Sehenswürdigkeit von Hamburg werden", hatte Bundespräsident Scheel bei der Eröffnung gesagt. Tatsächlich hat sich die eindrucksvolle Brücke zu einem Wahrzeichen der Stadt entwickelt, das die Veranstalter von großen Sportereignissen gern in ihre Streckenführung einbeziehen. Im Gegensatz zur Einweihung ist der Andrang auf das Bauwerk zum 25. Geburtstag allerdings kleiner als gedacht: Lediglich 100.000 Besucher kommen zu den Feierlichkeiten und genießen den Blick über Hafen und Hansestadt, der sonst den Kraftfahrern vorbehalten ist.
Studie von 2008: Neubau unvermeidlich
Zehntausende Fahrzeuge überqueren täglich die Köhlbrandbrücke. Deswegen werden regelmäßig Reparatur- und Erhaltungsarbeiten durchgeführt. Eine Untersuchung der Technischen Universität Hamburg-Harburg aus dem Jahr 2008 aber zeigt: Wenn weiterhin im bestehenden Rhythmus Instandsetzungsmaßnahmen durchgeführt werden, wird sich die Unterhaltung der Brücke nur noch bis etwa 2030 rechnen. Danach würde ein Neubau - unabhängig von der weiterhin gegebenen Tragfähigkeit und Verkehrssicherheit - wirtschaftlicher sein.
Überholverbot soll Belastung verringern
2011 stellt sich heraus, dass der Verkehr die Brücke viel stärker belastet als angenommen. Die Hamburg Port Authority (HPA) baut eine Waage in die Fahrbahn ein und kommt zu alarmierenden Ergebnissen. Täglich überqueren rund 34.000 Fahrzeuge den Köhlbrand, davon etwa 13.000 Lkw (Stand: 2024). Tendenz: steigend. Die Lastwagen sind zudem inzwischen größer und schwerer als in den Berechnungen aus den 1970er-Jahren angenommen. Als Konsequenz daraus gilt seit 2012 ein Überholverbot für Lkw, um extreme Belastungen zu vermeiden.
2012: Scholz verkündet Abriss und Neubau
Im Juni 2012 gibt Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz bekannt, dass die Köhlbrandbrücke abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden soll. Viele Hamburger äußern sich bestürzt und traurig. Zu diesem Zeitpunkt geht der Senat von 20 Jahren Restlebenszeit für die Brücke aus. Zunächst findet ab März 2014 eine umfangreiche Grundinstandsetzung des Bauwerks statt. Parallel führt die Hafenverwaltung eine umfassende Bewertung der Brücke durch, um die Restlebensdauer besser einschätzen zu können.
Besonders der Mittelteil der Brücke leidet behördlichen Angaben zufolge unter Materialermüdung. Die Auffahrten seien von "Betonkrebs" (Alkali-Kieselsäure-Reaktion) und einer Chloridbelastung betroffen.
Abstandsgebot für Lkw seit 2019
Seit Anfang Januar 2019 müssen Lkw einen Abstand von 50 Metern zum nächsten Fahrzeug einhalten, um die Brücke zu entlasten. Diese Maßnahme führt anfangs zu langen Staus. Die Hafenverwaltung bessert nach. Sie passt die Ampelschaltung an und bringt Markierungen auf der Fahrbahn an, die den Fahrern das Einhalten des korrekten Abstands erleichtern sollen. Seitdem fließt der Verkehr auf der Köhlbrandbrücke wieder besser.
Durchfahrtshöhe zu niedrig für Container-Riesen
Zur maroden Bausubstanz kommt ein weiteres Problem: Die Brücke ist zu niedrig. Containerschiffe der neuesten Generation können Hamburgs modernstes Terminal in Altenwerder nicht anfahren. 2017 beginnt die HPA mit ersten Planungen: Demnach soll eine neue Brücke das alte Bauwerk ersetzen und eine Durchfahrtshöhe von mindestens 73,5 Metern haben.
Plan von 2021: Tunnel soll Köhlbrandbrücke ersetzen
Doch dann entsteht - erneut - die Idee eines Tunnels unter dem Köhlbrand. Zwar wird ein Tunnel laut Wirtschaftssenator mit mehr als drei Milliarden Euro wesentlich teurer als eine neue Brücke, bietet aber mehrere Vorteile. Zum einen sei der Verkehr nicht der Witterung ausgesetzt, heißt es im Februar 2021, zum anderen halte der Tunnel wesentlich länger als eine Brücke - und der Hohlraum unter der Fahrbahn könne zusätzlich genutzt werden. Neben der Wirtschaftsbehörde bevorzugen auch die Hafenwirtschaft und die Hafenverwaltung diese Alternative.
2023: Eine neue Brücke ist wieder ein Thema
Im April 2023 folgt eine Kehrtwende: Plötzlich ist ein Brückenneubau doch wieder ein Thema. Die Kosten für einen Tunnel werden nun mit fünf Milliarden Euro veranschlagt. Außerdem hat sich gezeigt, dass der Untergrund sehr matschig ist. Die Wirtschaftsbehörde stellt alles noch einmal auf den Prüfstand. Vor- und Nachteile werden erneut gegeneinander abgewogen. Die Hamburgische Architektenkammer verlangt dabei vom Senat eine Offenlegung aller Gutachten.
Neue Köhlbrandbrücke soll 2040 freigegeben werden
Nach langem Hin und Her steht Anfang April 2024 die endgültige Entscheidung im Hamburger Senat für einen Neubau der Köhlbrandbrücke an. "Nach Abwägung aller unterschiedlichen Querungsalternativen überwiegen die Vorteile einer Brücke", sagt Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard. Demnach soll die neue Brücke eine Durchfahrtshöhe von mehr als 70 Metern für große Containerschiffe haben - rund 20 Meter mehr als bisher - und bis zu 5,3 Milliarden Euro kosten. Die Verkehrsfreigabe der Brücke ist für das Jahr 2040 geplant.
Von Plänen, die bisherige Brücke durch einen Tunnel zu ersetzen, ist die Senatorin aus Kostengründen wieder abgerückt. Auch der Erhalt der alten Brücke neben dem Neubau ist vom Tisch: Die 1974 errichtete und unter Denkmalschutz stehende Köhlbrandbrücke wird abgerissen, sobald der Verkehr über die neue Brücke rollen kann. Erst danach können dann die ganz großen Containerschiffe die neue höhere Durchfahrtshöhe nutzen. Am 2. April 2024 beschließt der Hamburger Senat den Neubau. Ende April stimmt der Wirtschaftsausschus der Bürgerschaft dem Vorhaben zu. Am 12. Juni 2024 macht die Bürgerschaft den Weg für die neue Brücke frei. Im Oktober 2024 schreibt die Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA) die Planung der neuen Köhlbrandbrücke aus. Im vierten Quartal 2025 soll voraussichtlich feststehen, wie die Brücke aussehe. Ein Planfeststellungsverfahren ist von 2030 an vorgesehen.