Holstentor (rechts) und Salzspeicher (links) in Lübeck © Fotolia Foto: Andreas Edelmann

Lübeck: Steinernes Märchen an der Trave

Stand: 16.08.2021 14:30 Uhr

Gotische Kirchen, enge Gassen, moderne Museen: Lübeck trumpft mit einem riesigen Kulturangebot auf. Gleich drei Nobelpreisträger brachte die UNESCO-Welterbestadt hervor.

von Irene Altenmüller, NDR.de

Lübeck entkommt man nicht. Selbst wer die Stadt an der Trave nie besucht hat, kennt zumindest einige ihrer Wahrzeichen: das weltbekannte Marzipan oder die berühmte Stadtsilhouette mit den sieben Türmen, die zum Frühstück vom Marmeladenglas grüßt. Oder auch das Holstentor, das auf vielen deutschen Zwei-Euro-Münzen prangt. Wer die Altstadt vom Bahnhof aus betritt, passiert zunächst das imposante Tor mit seinen zwei trutzigen Wehrtürmen.

Holstentor (rechts) und Salzspeicher (links) in Lübeck © Fotolia Foto: Andreas Edelmann
Imposante Backsteinbauten prägen das Bild der Lübecker Altstadt.

Hinter dem mächtigen Backsteinbau führt eine Brücke über die Trave auf die Altstadtinsel, die mit ihren rund 1.800 denkmalgeschützten Gebäuden, den verwinkelten Gängevierteln und historischen Gassen zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt. Mächtig ragen die Türme von St. Marien, St. Petri, St. Aegidien und des Lübecker Doms empor, allesamt bedeutende Kirchen der Backsteingotik.

Lübecks Rathaus: Ein steinernes Märchen

Von der 50 Meter hoch gelegenen Aussichtsplattform auf dem Turm der Petrikirche kann man sich einen guten Überblick über die Altstadt verschaffen. Von dort schweift der Blick über ein Meer aus roten Dachziegeln und Backstein - bei schönem Wetter bis nach Travemünde und zur Ostsee. Im Zweiten Weltkrieg wurde St. Petri schwer zerstört und erst 1987 vollständig wieder aufgebaut. Seither dient die Kirche als Kulturstätte für Ausstellungen, Lesungen und Konzerte.

Nur wenige Schritte entfernt liegt Lübecks Marktplatz mit dem Rathaus. Es gilt als eines der schönsten und ältesten Rathäuser Deutschlands und ist eigentlich ein Ensemble verschiedener Bauteile, von denen die ältesten noch aus dem 13. Jahrhundert stammen. Auffallend ist die spätgotische Schauwand mit ihren runden Löchern und der später angebauten Renaissance-Laube auf der Marktseite. Ein historischer Reisebericht bezeichnete das Lübecker Rathaus einmal als "steinernes Märchen".

Machtsymbole in Backsteinform

Blick auf die Lübecker Marienkirche. © NDR Foto: Thorsten Phillips
Die Lübecker Marienkirche steht auf dem höchsten Punkt der Altstadtinsel. Der Turm kann auf Führungen besichtigt werden.

Macht und Selbstbewusstsein des Lübecker Bürgertums fanden ihren sichtbaren Ausdruck aber nicht nur im Rathaus, sondern auch in der direkt neben Markt und Rathaus erbauten Marienkirche. Mit ihrem fast 40 Meter hohen Hauptschiff und den beiden 125 Meter hohen Türmen ist sie eine der größten Kirchen Deutschlands und die erste, bei der die gotische Formensprache in Backstein statt Naturstein umgesetzt wurde. Die monumentale Ratskirche sollte ein sichtbares Gegengewicht zum romanischen Dom am Südzipfel der Altstadtinsel darstellen, der die Macht des Bischofs verkörperte und die Marienkirche in der Höhe noch um einige Meter übertrifft.

Die Aegidienkirche, die Kirche der Handwerker und Kämmerer, und die Jakobikirche runden das Ensemble imposanter Backsteinarchitektur ab. Als Kirche der Schiffer und Seefahrer beherbergt St. Jakobi in einer Seitenkapelle das Wrack eines Rettungsbootes des 1957 gesunkenen Segelschulschiffes "Pamir". Nur sechs der 86 Seemänner überlebten die Katastrophe.

Lübecks stille Hinterhof-Oasen

Blick in den Füchtlingshof, ein altes Gängeviertel in der Lübecker Altstadt. © imago images/imagebroker Foto: Torsten Krüger
In den Gängevierteln lebten früher arme Leute. Heute sind Wohnungen in den stillen Hinterhöfen begehrt.

Trotz der geballten Ladung Backsteinpracht wirkt Lübecks Altstadt nie museal. Das verdankt die Stadt einer städtebaulichen Besonderheit, die einst aus einer Zwangslage entstand: Mit dem Aufstieg zur mächtigen Hansestadt nahm auch die Bevölkerung stark zu. Der Bauplatz innerhalb der Stadtmauern verknappte sich und so entstanden für die ärmere Bevölkerung auf den hinteren Teilen der Grundstücke in Höfen und Gängen schmale, niedrige Häuser, sogenannte Buden. In diesen Gängevierteln, die oft nur durch niedrige Torbögen zu erreichen waren, herrschte früher drangvolle Enge. Typische Beispiele für diese Gänge finden sich rund um die Engelsgrube. Sie verdankt ihren Namen nicht etwa den himmlischen Heerscharen, sondern den englischen Schiffen, die am unteren Ende der Straße festmachten.

Komfortabler waren die Häuser der Stiftshöfe, die reiche Bürger für Handwerker-, Schiffer- oder Kaufmannswitwen in den Hinterhöfen einrichteten. Heute sind die kleinen Häuser der Gänge und Höfe liebevoll restauriert. Viele Fassaden sind mit Efeu oder Kletterrosen bewachsen, vor den Eingängen laden Holzbänke zwischen Pflanzkübeln mit Margeriten und Hortensien zum Träumen ein - stille, verwunschene Oasen inmitten der Stadt.

Buddenbrookhaus und Thomas Mann

Das Buddenbrookhaus in Lübeck © picture alliance / Arco Images Foto: F. Scholz
Das Buddenbrookhaus in Lübeck gehörte einst den Großeltern von Thomas Mann.

Dagegen wohnten die wohlhabenden Bürger direkt an den Straßenfronten in eleganten Häusern mit gotischen, barocken und klassizistischen Fassaden. Ein Beispiel ist das Buddenbrookhaus in der Mengstraße. In dem repräsentativen klassizistischen Bau, der den Großeltern des Literaturnobelpreisträgers Thomas Manns gehörte, spielen wesentliche Szenen des berühmten Romans. Heute ist das Haus ein Museum. In der Ausstellung erfahren Besucher Wissenswertes über die berühmte Schriftsteller-Familie und ihren bekanntesten Sohn, Thomas Mann.

Günter Grass und Willy Brandt - zwei weitere Nobelpreisträger

Die Hansestadt Lübeck kann sich noch zweier weiterer Nobelpreisträger rühmen. Das Günter-Grass-Haus in der Glockengießerstraße widmet sich dem bekannten Schriftsteller, dessen Wahlheimat die Hansestadt war, und zeigt unter anderem Druckgrafiken und Skulpturen des 2015 verstorbenen Literaturnobelpreisträgers.

Nur wenige Schritte weiter, in der Königstraße, vermittelt das Willy-Brandt-Haus Eindrücke vom Leben und Wirken des 1992 verstorbenen früheren Bundeskanzlers, der in ärmlichen Verhältnissen in Lübeck aufwuchs und 1971 den Friedensnobelpreis erhielt.

Lebendiges Lübeck: Museen und Konzerte

Etliche weitere Museen warten in Lübeck auf einen Besuch. Gemälde und Plastiken aus dem 19. und 20. Jahrhundert, darunter Werke von Caspar David Friedrich und Edvard Munch, sind in den klassizistischen Kaufmannshäusern Behnhaus und Drägerhaus ausgestellt.

Das Museumsquartier St. Annen beschäftigt sich mit der Geschichte der Hansestadt vom Mittelalter bis heute und zeigt bedeutende Kunstgegenstände aus verschiedenen Epochen. Speziell der Hansezeit ist das Europäische Hansemuseum gewidmet. In dem modernen Neubau ist eine archäologische Grabungsstätte integriert, die Reste der alten Lübecker Burg zeigt. Außerdem zählt eine sanierte mittelalterliche Klosteranlage zum Museum.

Mit der Natur und Geologie der Region beschäftigt sich das Museum für Natur und Umwelt direkt hinter dem Dom. Ein Highlight sind die über zehn Millionen alten Walskelette. Weitere Museen, die einen Besuch lohnen, sind das Theaterfigurenmuseum, das allerdings noch bis 2022 umgebaut wird, sowie das Industriemuseum Herrenwyk. Wer sich für historische Schiffe interessiert, kann außerdem einen Abstecher zum Museumshafen an der Untertrave einplanen.

Bekannt ist Lübeck außerdem für eine rege Musikszene. Klassische und moderne Konzerte finden unter anderem in der Musik- und Kongresshalle, der MuK, statt, darunter auch alljährlich das Eröffnungskonzert des Schleswig-Holstein Musik Festivals.

Traditionsrestaurant "Schiffergesellschaft"

Bei allem Augen- und Ohrenschmaus sollte bei einem Stadtrundgang aber auch der Magen nicht zu kurz kommen. Wer sich nicht bereits mit Lübecker Marzipan den Bauch vollgeschlagen hat, findet im ehemaligen Versammlungshaus der Seefahrer, der "Schiffergesellschaft" regionale Küche. Am Eingang des historischen Backsteinbaus fällt der Blick auf zwei Medaillons mit zwei Schiffen - eins im Wind, eins gegen ihn. Darunter steht die in Lübeck gern zitierte Maxime: "Allen zu gefallen, ist unmöglich". Die eigentliche "Schiffergesellschaft", die das Restaurant verpachtet, gibt es noch heute. Aufgenommen wird, wer das "Kapitänspatent auf Großer Fahrt" besitzt.

Travemünde - Lübecks maritimer Stadtteil

Kulturell und kulinarisch bestens gesättigt, kann der Besucher zum geruhsamen Teil des Städtetrips übergehen. Nur etwa zehn Kilometer entfernt bietet sich das Dummersdorfer Ufer für einen Verdauungsspaziergang mit Blick aufs Wasser an.

Von dort ist man schnell in Travemünde, Lübecks Badewanne und Bühne zur Ostsee. Die lange Strandpromenade lädt zum Flanieren ein. Vom Strandkorb aus blickt man den großen Fähren hinterher, die in Richtung Skandinavien auslaufen oder von dort kommen - Travemünde ist einer der größten Fährhäfen Europas. Und so klingt der Besuch Lübecks und seiner "schönsten Tochter", wie Reiseführer das Ostseebad Travemünde gern nennen, ganz entspannt aus.

Karte: Die Lübecker Altstadt

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