Morbus Osler: Nasenbluten kann auf Erbkrankheit hindeuten
Morbus Osler ist eine erbliche Gefäßkrankheit, die zur Erweiterung der betroffenen Blutgefäße führt. Häufige Symptome sind Nasenbluten, Blutungen im Magen-Darm-Trakt, Blutarmut und rote Punkte in der Haut.
In Deutschland leiden rund 35.000 Menschen an der Erbkrankheit Morbus Osler, auch hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie (HHT) genannt. Das bedeutet so viel wie "erbliche blutende Gefäßerweiterungen". Tatsächlich ist die Erkrankung gekennzeichnet durch krankhafte Erweiterungen von Blutgefäßen. Diese sogenannten Teleangiektasien können prinzipiell überall im Körper auftreten, finden sich aber vor allem in der Nase, im Gesicht und den Schleimhäuten des Magen-Darm-Traktes. Die Gefäßerweiterungen wirken wie ein Kurzschluss zwischen Venen und Arterien, indem sie die feinen Haargefäße (Kapillaren) umgehen. Da sie sehr verletzlich sind, kann es leicht zu Einrissen und schweren Blutungen kommen. Häufiges, unstillbares Nasenbluten ist das typische Symptom der Erkrankung.
Ursache ist eine Genveränderung
Morbus Osler ist eine genetische Erkrankung, die autosomal-dominant vererbt wird. Das bedeutet vereinfacht, dass jeder Mensch, der das Merkmal trägt, erkrankt - auch wenn eine gesunde Kopie im Erbgut vorhanden ist. Ein allein betroffenes Elternteil mit einer gesunden und einer kranken Erbanlage vererbt die Genmutation statistisch also auf die Hälfte seiner Kinder. Weisen beide Elternteile eine solche Mutation auf, steigt die Wahrscheinlichkeit für das Kind auf 75 Prozent. Hat ein Elternteil keine gesunde Kopie und somit zwei veränderte Erbanlagen, wird jedes Kind betroffen sein.
Die für die häufigsten Typen von Morbus Osler verantwortlichen Mutationen befinden sich auf Chromosom 9 oder Chromosom 12. Liegt die Mutation auf Chromosom 9, führt sie zu einer HHT vom Typ 1, bei der die Erkrankung häufiger auch das Gehirn und die Lungen betrifft. Bei einer Mutation auf Chromosom 12 entsteht eine HHT Typ 2, die Gefäßveränderungen in der Leber verursacht. Morbus Osler kann in jedem Lebensalter auftreten, wird aber am häufigsten in der Pubertät entdeckt.
Symptome bei Morbus Osler: Nasenbluten und Blutarmut
Die allermeisten Betroffenen leiden von der Pubertät an immer wieder unter kaum zu stillendem Nasenbluten. Auch eine Blutarmut (Anämie) mit Müdigkeit und Blässe kann auf Morbus Osler hinweisen. Typisch sind zudem punktförmige Gefäßerweiterungen im Bereich von Mund und Nase. Bei Kindern kann Morbus Osler auch zu neurologischen Störungen wie heftigen Kopfschmerzen oder Lähmungen führen.
Ursache dafür sind winzige Blutgerinnsel oder Bakterien, die aus betroffenen Lungengefäßen ins Gehirn geschwemmt werden und dort kleine Schlaganfälle oder Abszesse auslösen. Mit zunehmendem Alter nehmen die Gefäßveränderungen an der Lunge und damit die Blutungsrisiken zu. Im Laufe des Lebens können auch Gefäßveränderungen im Magen-Darm-Trakt zu schweren Blutungen führen, die Bluttransfusionen nötig machen.
Diagnose: Curaçao-Kriterien, ärztliche Untersuchung, Genanalyse
Die Diagnosestellung bei Morbus Osler erfolgt nach den sogenannten Curaçao-Kriterien. Sind zwei der vier Kriterien erfüllt, besteht der Verdacht auf Morbus Osler, ab drei Kriterien gilt die Krankheit als gesichert. Die Kriterien lauten:
- wiederholtes Nasenbluten
- punktförmige Gefäßerweiterungen im Gesicht, an den Lippen, auf der Zunge, der Nase, den Ohren oder an den Fingerspitzen
- Bekannter Morbus-Olser-Fall in der Familie (Verwandte ersten Grades)
- Gefäßveränderungen im Magen-Darm-Trakt, im Gehirn, in der Lunge oder in der Leber
Zusätzlich können verschiedene Verfahren die Diagnose sichern und Blutungsquellen identifizieren, darunter eine HNO-ärztliche Untersuchung von Nase, Mundhöhle und Rachen, eine Spiegelung des Magen-Darm-Trakts, eine CT- oder Röntgenuntersuchung der Lunge, ein Ultraschall des Herzens oder der Leber sowie eine Kernspintomografie des Gehirns.
Im Zweifel kann auch eine genetische Untersuchung auf die typischen Mutationen durchgeführt werden - auch um weitere betroffene Familienmitglieder zu identifizieren, bevor Symptome auftreten.
Behandlung mit Laser: Heilung auf Dauer nicht möglich
Das Nasenbluten kann so starke Ausmaße annehmen, dass es zu einer ausgeprägten Blutarmut (Anämie) kommen kann, die Bluttransfusionen erforderlich macht. Vorbeugend können Nasensalben verwendet werden, im Blutungsfall kann eine Nasentamponade helfen. Die Gefäßerweiterungen können durch eine Laserbehandlung verödet werden. Eine Heilung auf Dauer ist bislang noch nicht möglich. Um die Blutungsneigung zu vermindern, können auch Tranexamsäure-Tabletten verordnet werden. Blutende oder entstellende Gefäßerweiterungen im Gesicht lassen sich ebenfalls per Laser entfernen.
Auch im Magen-Darm-Trakt können die Gefäßerweiterungen Ursache für häufig wiederkehrende Blutungen sein. Zur Abklärung kann eine Magen-Darm-Spiegelung durchgeführt werden. Gefäßerweiterungen können dabei mithilfe von Laser, Unterspritzungen oder elektrischer Verödung behandelt werden.
Lebensbedrohlich: Wenn Leber, Lunge oder Gehirn betroffen sind
Größere Gefäßerweiterungen in anderen Organen wie Lunge, Leber oder Gehirn bleiben oft lange unbemerkt und können durch plötzliche Blutungen oder Organversagen lebensbedrohlich werden. Gefäßkurzschlüsse (Shunts) in der Lunge leiten sauerstoffarmes Blut an den Lungenbläschen vorbei direkt zurück zum Herzen, sodass dem Körper zu wenig Sauerstoff zur Verfügung steht. Atemnot, Leistungsabfall und eine verminderte Sauerstoffsättigung im Blut sind mögliche Folgen. Diese Symptome können mit Anzeichen von Asthma verwechselt werden.
Entlastung bringt die operative Entfernung der knotigen Gefäßerweiterungen in der Lunge. Treten die Gefäßfehlbildungen in der Leber auf, kann das zu einer Überlastung des Herzens führen. Betroffene bemerken zunächst meist Abgeschlagenheit und mangelnde körperliche Belastbarkeit. Als therapeutischer Ansatz steht zunächst die medikamentöse Verbesserung der Herzfunktion im Vordergrund. Im weiteren Verlauf kann in einigen Fällen eine Lebertransplantation notwendig werden.
Krebsmedikament Bevacizumab hemmt Gefäßneubildung
Seit dem Jahr 2008 wird der für diese Indikation nicht zugelassene Antikörperwirkstoff Bevacizumab zur Behandlung von Morbus Osler im Rahmen individueller Heilversuche eingesetzt. Das Medikament ist eigentlich zur Behandlung von Darmkrebs, Brustkrebs und einigen Lungenkrebsarten zugelassen und blockiert den Wachstumsfaktor VEGF, der für die Gefäßneubildung, die Versorgung und das Wachstum des Tumorgewebes notwendig ist. Da nicht nur die Bildung von Tumorgefäßen, sondern auch andere Gefäßsprossungen gehemmt werden, wird das Medikament auch bei der Augenerkrankung Makuladegeneration eingesetzt.
Bevacizumab-Therapie erfolgt intravenös
Da der Wirkstoff für die Behandlung von Morbus Osler nicht zugelassen ist, erfolgt diese als sogenannter Off-Label-Use. Bevacizumab wird gut vertragen - und die eher seltenen Nebenwirkungen wie Neigung zu hohem Blutdruck und Übelkeit sind gut beherrschbar. Das Medikament wird intravenös verabreicht - in der Regel sechsmal im Abstand von zwei Wochen. Die Wirkung hält durchschnittlich etwa 9 bis 18 Monate an. Bei 70 Prozent der behandelten Patienten können die Beschwerden deutlich gelindert werden.
Expertin und Experten zum Thema