Gesund vegan: Was macht eine rein pflanzliche Ernährung aus?

Stand: 01.11.2022 20:20 Uhr

Viele Menschen verzichten auf tierische Produkte und ernähren sich vegan. Aber ist eine rein pflanzliche Ernährung überhaupt gesund? Die Wissenschaft liefert Antworten auf die gängigsten Fragen.

von Yasmin Appelhans

Rein vegan lebende Menschen verzichten auf alle tierischen Produkte, sie essen also weder Fleisch noch Milchprodukte oder Eier. Sogar auf Honig und Kleidung aus Leder verzichten sie. Laut einer Befragung im Rahmen der Allensbacher Markt- und Werbeträger-Analyse ernähren sich in Deutschland in diesem Jahr 1,58 Millionen Menschen vegan. Damit sind es fast doppelt so viele wie noch vor sechs Jahren.

Warum sich Menschen für eine vegane Ernährung entscheiden, ist dabei höchst unterschiedlich. Oft geht es um Klimaschutz. Denn durch eine rein pflanzliche Ernährung kann viel CO2 eingespart werden. Auch weil sie sich für das Tierwohl einsetzen, entscheiden sich viele Menschen, vegan zu leben.

Immer wieder spielt aber auch die eigene Gesundheit eine Rolle. Denn eine rein pflanzliche Ernährung hat in manchen Kreisen den Ruf, besonders gesund zu sein. Kritiker einer veganen Ernährung befürchten jedoch Mangelerscheinungen und dass man dadurch weniger leistungsfähig werden könnte.

Vegan: Gesund oder ungesund?

Dass vegane Ernährung per se ungesund ist, sei ein Mythos, sagt Andreas Hahn. Er ist Professor für Lebensmittelwissenschaft und Humanernährung an der Leibniz-Universität Hannover. Bisherige Studien zeigten, dass Menschen, die sich vegan ernähren, mindestens genauso leistungsfähig seien wie Fleischesser. "Wir kennen sogar Hochleistungssportler und Marathonläufer, die sich vegan ernähren und die keinerlei Leistungseinbußen haben. Also in dieser Hinsicht gibt es keinen Grund Fleisch zu essen."

Tatsächlich gibt es in der Sportwelt einige Vorbilder. So ernährt sich zum Beispiel die ehemalige Tennisspielerin Serena Williams seit über zehn Jahren weitgehend vegan. Auch der Formel-1-Rennfahrer Lewis Hamilton und der ehemalige Nationaltorwart Timo Hildebrand sind Veganer. Viele von ihnen versprechen sich von der Ernährung auch positive Effekte auf ihre sportliche Leistung. Denn laut einer Theorie soll die pflanzliche Ernährung helfen, Entzündungen im Körper zu hemmen und Verletzungen schneller heilen zu lassen. Bisher konnte dieser Zusammenhang aber wissenschaftlich noch nicht nachgewiesen werden.

Automatisch gesund ist eine vegane Ernährung auch nicht. Eine ausgewogene vegetarische oder vegane Ernährung bestehe nicht darin, einfach das Fleisch wegzulassen, sagt Hahn: "Sie können sich eben auch mit Pommes und Ketchup vegan ernähren. Aber das hat natürlich mit einer gesunden veganen Ernährung gar nichts zu tun, sondern es kommt wirklich auf die Gesamtheit der Lebensmittelzusammenstellung an."

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Viel Obst und Gemüse, viel Vollkorn

Es ist also wichtig, was genau auf den Teller kommt. Da unterscheidet sich die vegane Ernährung zunächst gar nicht so sehr von allen anderen Ernährungsformen. Zu einem gesunden Speiseplan gehören viele Hülsenfrüchte und anderes Gemüse, viel Obst und viele Vollkornprodukte.

Von einer solchen Ernährung profitieren beispielsweise hilfreiche Mikroorganismen im Darm. Diese wiederum helfen uns Menschen in Bezug auf eine gesunde Verdauung, das Immunsystem und sogar die Psyche.

Vitamin B12 nur in tierischen Nahrungsmitteln

Trotzdem geht es bei einer veganen Ernährung nicht ganz ohne Ergänzungsprodukte. So lässt sich das lebensnotwendige Vitamin B12 fast nur in tierischen Produkten finden. Denn das Vitamin wird nur von Mikroorganismen gebildet. In hygienisch einwandfreier Nahrung kommt sie praktisch nicht vor. Ebenso wenig in den meisten pflanzlichen Lebensmitteln.

Einige Algenarten enthielten zwar auch kleine Mengen an Vitamin B12, so Hahn. Die reichten jedoch nicht aus, um den Mangel auszugleichen. "Einem Veganer sollte man in jedem Fall dringend nahelegen, ein Vitamin-B12-Präparat zu verwenden", sagt der Ernährungswissenschaftler. Denn sonst drohten zum Beispiel Blutarmut und Schädigung der Nerven bis hin zu einer Demenz.

Auf Eisen und Kalzium achten

Auch auf andere Vitamine, Spurenelemente und Nährstoffe sollten Veganerinnen und Veganer achten. Auf ausreichend Eisen, zum Beispiel aus grünem Gemüse, Vollkorngetreide oder Nüssen. Wer dazu einen Orangensaft mit viel Vitamin C trinkt, hilft dem Körper, das pflanzliche Eisen auch aufzunehmen. Denn Eisen ist zwar auch in pflanzlichen Lebensmitteln in größeren Mengen vorhanden. Aber nicht unbedingt in einer Form, die vom Menschen leicht aufgenommen und gespeichert werden kann.

Grünkohl, Brokkoli und Nüsse sind außerdem ein wertvoller Kalziumlieferant bei einer veganen Ernährung. Denn den Großteil ihres Kalziumbedarfs decken die Menschen in Europa traditionell über Milchprodukte. Zusätzlich gibt es Lebensmittel, die mit Kalzium angereichert sind. Damit könne das fehlende Kalzium ausgeglichen werden, sagt Andreas Hahn: "Die einfachste Variante beispielsweise besteht darin, dass man ein kalziumreiches Mineralwasser verwendet. Dort sind auch relevante Kalziummengen drin. Und sie haben sogar noch den Vorteil, dass sie dann in kalorienfreier Form aufgenommen werden."

Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen mit viel Eiweiß

Linsen, Bohnen und andere Hülsenfrüchte in kleinen Schälchen. © Colourbox Foto: Yuliya Furman
Hülsenfrüchten kommt bei veganer Ernährung eine große Bedeutung zu.

Vegan lebende Menschen sollten auch auf ausreichend Proteine achten. Denn die sind zwar auch in einigen pflanzlichen Lebensmitteln vorhanden, aber im Schnitt bei Weitem nicht so viel wie in tierischen Produkten.

Kürbiskerne, Linsen, schwarze Bohnen und Soja haben vergleichsweise viele Proteine und sind deshalb für die vegane Ernährung besonders wertvoll. Wichtig ist es hierbei, sich nicht auf einzelne Proteinquellen zu beschränken. Denn die meisten proteinreichen pflanzlichen Lebensmittel enthalten nur einige der essenziellen Aminosäuren. Also nur einen Teil der Proteinbausteine, die der menschliche Körper unbedingt braucht.  

Vegane Ernährung nicht überall gesund möglich

Eine gesunde vegane Ernährung erfordert also den Zugang zu möglichst vielfältigen Lebensmitteln. Das ist für uns in Europa kein so großes Problem. In anderen Ländern der Welt sei das aber anders, erklärt Matin Qaim, Professor für Agrarökonomie an der Universität Bonn: "Das Problem ist, dass sie in vielen armen Ländern so stark Saisonalitäten und so stark fehlenden Zugang zu Märkten haben, sodass also arme Menschen irgendwo in unterschiedlichen Teilen des Landes nicht immer und stets in der Lage sind, ausreichend Nährstoffe zu sich zu nehmen, wenn sie sich ausschließlich pflanzlich ernähren." Um sich dort gesund zu ernähren, müssten die Menschen nicht viel Fleisch oder Milchprodukte essen, aber doch hin und wieder kleine Mengen.

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Dieses Thema im Programm:

ARD Gesund | Aktuell | 01.11.2022 | 14:54 Uhr

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