Bandscheibenvorfall: Operation meist nicht sinnvoll
Rückenschmerzen sind ein weitverbreitetes Leiden. Wenn die Schmerzen ins Bein ausstrahlen, kann ein Bandscheibenvorfall die Ursache sein. Doch eine Operation ist in den meisten Fällen weder nötig noch sinnvoll.
Wann eine Operation sinnvoll ist
Dringend nötig ist eine Bandscheibenoperation nur, wenn nach einem Bandscheibenvorfall die Funktionen von Blase oder Darm betroffen sind, bei deutlichen Lähmungen oder zunehmender Muskelschwäche. Dann muss schnell operiert werden, denn es drohen bleibende Schäden.
Erwogen werden kann eine Operation
- wenn besonders viel Bandscheibenmaterial auf Nerven drückt, zu Schmerzen, Kribbeln und Taubheit führt und der körpereigene natürliche Abbau der Substanz nicht ausreicht, um den Nerv zu entlasten
- wenn sich sehr starke und lang andauernde Schmerzen durch konservative Therapien wie Medikamente, Physiotherapie und manuelle Therapie nicht bessern.
Dann kann eine Operation der Bandscheibe Schmerzen lindern und gefährliche Komplikationen verhindern. Die Operationsverfahren sind heutzutage viel schonender als früher.
Aufbau und Funktion der Bandscheiben
Die Bandscheiben liegen wie Stoßdämpfer zwischen den Wirbelkörpern der Wirbelsäule. Sie verbinden die Wirbel flexibel miteinander und sorgen für Beweglichkeit in alle Richtungen. Jede Bandscheibe besteht aus einem Faserring aus Bindegewebe und einem wasserreichen Gallertkern im Inneren des Rings, dem eigentlichen Stoßdämpfer.
Wie Gelkissen verteilen die Bandscheiben den auf der Wirbelsäule lastenden Druck gleichmäßig auf die Wirbelkörper und sorgen so für die enorme Belastbarkeit des menschlichen Rückgrats. Im Laufe des Tages schrumpft jeder Mensch durch die Belastung im Stehen und Gehen um bis zu drei Zentimeter. Im Schlaf dehnen sich die Bandscheiben dann wieder aus.
So kommt es zum Bandscheibenvorfall
Bei Entlastung nehmen die Bandscheiben wie ein Schwamm Nährflüssigkeit auf und geben sie bei Belastung wieder ab. Einige Faktoren können den Nährstoffaustausch stören und dazu führen, dass die Bandscheiben an Elastizität verlieren:
- erbliche Veranlagung
- Bewegungsmangel
- Übergewicht
- schweres Heben
- einseitige Belastung, zum Beispiel bei langem Sitzen
- abnehmender Flüssigkeitsgehalt des Gewebes durch natürliche Alterung
- Rauchen
Wird der Faserring spröde und speichert der Gallertkern weniger Wasser, werden Bandscheiben flacher und puffern Erschütterungen nicht mehr so gut ab. Vor allem bei immer wiederkehrender Fehlhaltung kann der Faserring einreißen und der Gallertkern wölbt sich nach außen vor - es kommt zur Bandscheibenprotrusion. Durchbricht der Gallertkern den Faserring, handelt es sich um einen Bandscheibenvorfall. Häufig geschieht das im Bereich der Lendenwirbelsäule.
Symptome: Taubheit, Kribbeln, Lähmungen
Welche Beschwerden ein Bandscheibenvorfall auslöst, hängt davon ab, an welcher Stelle er auftritt, ob Nerven oder Nervenwurzeln beteiligt sind und ob es zu einer Entzündung kommt. Bei einem schweren Verlauf kann es zum Ausfall von Nervenfunktionen kommen. Dieser macht sich zum Beispiel in Form von Taubheitsgefühlen, Kribbeln und Lähmungserscheinungen bemerkbar.
Erkrankung bleibt oft unbemerkt
Bei rund 90 Prozent der Bandscheibenvorfälle verschwinden die Beschwerden spontan innerhalb von sechs bis zwölf Wochen. Viele Erkrankte bemerken den Bandscheibenvorfall nicht einmal. In einer Studie an beschwerdefreien Menschen zwischen 24 und 42 Jahren aus unterschiedlichen Berufen fanden Forscher mit Bilddiagnostik bei 60 Prozent der Untersuchten einen Bandscheibenvorfall, der keinerlei Probleme auslöste. Nur in wenigen Fällen entwickelt sich aus akuten Beschwerden ein chronisches Rückenleiden.
Diagnose: CT und MRT erst nach sechs Wochen
Eine sofortige Untersuchung mit CT oder MRT ist nur erforderlich, wenn die Funktionen von Blase oder Darm betroffen sind, bei deutlichen Lähmungen oder zunehmender Muskelschwäche.
Ansonsten gilt: Beim Verdacht auf einen Bandscheibenvorfall reicht meist eine sorgfältige körperliche Untersuchung aus. Erst wenn die Beschwerden länger als sechs bis zwölf Wochen andauern, ist eine bildgebende Diagnostik mit Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) sinnvoll. Zu frühe Bilddiagnostik birgt die Gefahr, dass Ärzte aus den Bildern falsche Schlüsse ziehen. Oft zeigen sie Veränderungen im Bereich der Bandscheiben, die gar nicht für die Beschwerden verantwortlich sind, und geben Anlass zu unnötigen Operationen.
Verdacht auf Piriformissyndrom
Bei Suche nach der Ursache ist besonders wichtig, dass der Arzt prüft, ob tatsächlich ein Bandscheibenvorfall für die Symptome verantwortlich ist oder aber eine Verhärtung des Piriformis-Muskels zwischen Kreuzbein und Oberschenkel. Beim Piriformis-Syndrom drückt der Muskel direkt auf den Ischiasnerv und verursacht ausstrahlende Schmerzen im Gesäß und Bein sowie Kribbeln und Missempfindungen, ganz ähnlich wie bei einem Bandscheibenvorfall. Experten schätzen, dass viele Bandscheiben-Operationen vermieden werden könnten, wenn das Piriformis-Syndrom vorher richtig diagnostiziert und behandelt würde.
Kombi-Therapie für die Bandscheibe
Die Behandlung von Bandscheibenbeschwerden hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt: Während lange Zeit eine frühe Operation oder aber Ruhe und Schonung empfohlen wurden, setzen moderne Behandlungsmethoden auf eine Kombination aus klassischen Schmerzmedikamenten, Krankengymnastik, Wärmeanwendungen, Massage, Entspannungsverfahren, Muskeltraining und psychologische Unterstützungen.
Periradikuläre Therapie: Spritzen an den Nerv
Eine weitere Behandlungsmöglichkeit ist die Periradikuläre Therapie (PRT): Dabei spritzt der Arzt unter CT-Kontrolle eine Mischung aus Schmerzmittel und Kortison direkt an die eingeengte Nervenwurzel. Das soll zu einem Abklingen der Entzündung und der Schwellung führen.
Bandscheibe endoskopisch operieren
Operiert werden muss ein Bandscheibenvorfall, wenn schwerwiegende Komplikationen drohen. Auch es trotz ausreichender Schmerz- und Bewegungstherapie keine Besserung gibt, kann eine OP in Frage kommen. Meist wird der aus der Bandscheibe ausgetretene Gallertkern in einem minimal-invasiven Eingriff endoskopisch entfernt. Ziel ist, möglichst schonend nur das störende Gewebe zu beseitigen. Größere Eingriffe mit Entfernung der ganzen Bandscheibe oder Versteifung der betroffenen Wirbel erhöhen das Risiko für Komplikationen und sind meist nicht nötig.
Künstliche Bandscheibe einsetzen
Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine defekte durch eine künstliche Bandscheibe ersetzt werden. Diese Bandscheibenprothesen sind allerdings nur in sehr wenigen Fällen sinnvoll, vor allem bei jüngeren Betroffenen mit einem isolierten Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule. Voraussetzungen für eine Bandscheibenprothese sind stabile Wirbelknochen und intakte Wirbelgelenke. Die einer natürlichen Bandscheibe nachempfundene Prothese soll den Abstand zwischen den Wirbeln sowie deren normale Beweglichkeit erhalten und so die Schmerzen lindern.
Risiken einer Bandscheiben-OP
Nicht immer bringt eine Operation den gewünschten Erfolg. Im schlimmsten Fall leiden die Patienten nach dem Eingriff sogar unter noch größeren Schmerzen als zuvor, da operationsbedingte Nerven- und Gewebeschädigungen sowie Narben und Verwachsungen zusätzliche Beschwerden verursachen können.
Der Weg zur besten Therapie
Experten raten deshalb, vor der endgültigen Entscheidung für einen operativen Eingriff unbedingt die Meinung eines zweiten Spezialisten einzuholen. Im besten Fall entscheiden Patient, Arzt, Physiotherapeut und Psychologe gemeinsam, ob eine Operation sinnvoll ist.
Rückfall nach Operation verhindern
Um nach einer Operation einem erneuten Bandscheibenvorfall vorzubeugen, sollten Betroffene auf drei Dinge achten:
- Rückenmuskulatur trainieren: Starke Muskeln entlasten die Bandscheiben und senken so das Risiko für weitere Bandscheibenschäden.
- Nicht rauchen: Nikotin beeinträchtigt die Durchblutung der Bandscheiben.
- Angstfrei bewegen: Wichtig ist das Zutrauen in den eigenen Körper. Angst führt oft zu Fehlhaltungen, die Rückenschmerzen verschlimmern.