Eine Person sitzt in einem Rollstuhl © Colourbox Foto: Petra D

Morbus Pompe: Stoffwechselstörung führt zu Muskelschwäche

Stand: 24.11.2020 17:05 Uhr

Morbus Pompe ist eine vererbbare Stoffwechselkrankheit, die mit Muskelschwäche einhergeht. Die Krankheit kann in allen Lebensaltern auftreten.

Morbus Pompe zählt zu den sogenannten Glykogenspeichererkrankungen - einer Gruppe sehr seltener angeborener und vererbbarer Stoffwechselerkrankungen. Der Namen der Erkrankung geht auf ihren Entdecker, den holländischen Pathologen Joannes Cassianus Pompe, zurück. Er hat die Erkrankung 1932 erstmals beschrieben.

Gestörter Abbau des Glykogens in den Organen

Ursache der Erkrankung ist ein gestörter Abbau von Glykogen und eine daraus resultierende übermäßige Anhäufung des Glykogens in verschiedenen Organen, insbesondere in der Muskulatur, im Herz und in der Leber. Glykogen ist die Speicherform des Zuckers im Körper. In bestimmten Zellen - wie zum Beispiel in der Muskulatur, im Herzen, aber auch in der Leber - kann Energie durch den Aufbau von Glykogen gespeichert und durch dessen Abbau wieder bereitgestellt werden. Der Auf- und Abbau des Glykogens wird über Enzyme gesteuert. Dort liegt auch die Ursache der Erkrankung: Dem Morbus Pompe liegt eine Störung bei der Bildung des Enzyms saure alpha-Glukosidase zugrunde.

Ursache ist ein Enzymdefekt

Das Enzym alpha-Glukosidase wird zum Abbau des gespeicherten Glykogens benötigt. Mutationen, also genetische Veränderungen im Gen des Enzyms, führen zu einer verminderten Bildung oder reduzierten Aktivität des Enzyms und damit zu einem gestörten Abbau des Speicherzuckers in den Zellen. Die übermäßige Anreicherung von Glykogen in den Zellen führt schließlich zu Funktionsstörungen der betroffenen Organe.

Verläufe von Morbus Pompe sehr verschieden

Der Beginn der ersten Symptome, die Symptomatik an sich und auch der Verlauf der Erkrankung sind sehr unterschiedlich. Die Symptome reichen von leichten Beschwerden wie einer verminderten Ausdauer bei sportlichen Belastungen oder einer Haltungsschwäche bis hin zu schwerwiegenden Organdysfunktionen mit einer Störung der Herz- und Atemfunktion oder schwerster Muskelschwäche. Es werden zwei Verlaufsformen unterschieden.

Infantile Form tritt bereits im Säuglingsalter auf

Bei der schwersten Form des Morbus Pompe - der infantilen Form - treten die Symptome bereits innerhalb der ersten beiden Lebensmonate auf. Diese Form führt in der Regel im ersten Lebensjahr zum Tod. Die Säuglinge zeigen eine ausgeprägte und rasch fortschreitende Muskelschwäche sowie eine Vergrößerung der Zunge. Im Verlauf entwickelt sich bei ihnen eine Atemschwäche sowie eine zunehmende Vergrößerung des Herzens mit Herzrhythmusstörungen.

Häufiger: Beginn im Jugend- oder Erwachsenenalter

Bei der zweiten und häufigsten Verlaufsform treten die Symptome erst im Jugend- oder Erwachsenenalter auf. Im Vordergrund steht hier eine langsam fortschreitende Schwäche insbesondere der Oberschenkel-, Hüft- und Rückenmuskulatur. Sie geht mit Schwierigkeiten beim Sport, Treppensteigen sowie beim Aufstehen aus dem Sitzen oder Liegen einher. Typisch sind auch schnelle muskuläre Erschöpfbarkeit sowie Muskelschmerzen und -krämpfe. Im Verlauf der Erkrankung kommt es nicht selten zu einer Rollstuhlpflichtigkeit. Zudem kann sich, aufgrund einer zunehmenden Schwäche der Atemmuskulatur, die Notwendigkeit einer intermittierenden oder auch dauerhaften Beatmung ergeben. Aufgrund der großen Bandbreite der Beschwerden ist eine Abgrenzung von anderen Muskelerkrankungen schwierig.

So wird die Stoffwechselerkrankung diagnostiziert

  • Anamnese: Ausführliche Befragung zur Krankengeschichte und Symptomen
  • Körperliche Untersuchung: Testung der Muskelreflexe, Muskelkraftmessung
  • Laboruntersuchung: erhöhte Kreatinkinase (CK)
  • Elektromyographie (EMG): überprüft die elektrische Aktivität der Muskeln. Die Befunde sind bei Morbus Pompe in der Regel krankhaft verändert. Sie sind aber unspezifisch, da diese Auffälligkeiten auch bei anderen Muskelerkrankungen auftreten.
  • Muskelbiopsie: Dabei wird ein Gewebestück aus einem Muskel entnommen und nach speziellen Färbungen unter dem Mikroskop beurteilt. Bei Morbus Pompe zeigen die Proben typische Veränderungen, die durch die Glykogeneinlagerungen in den Muskelzellen verursacht werden.
  • Bestimmung der Enzymaktivität der sauren alpha-Glukosidase: Sie ist die aussagekräftigste Untersuchung, insbesondere auch für die Prognose der Erkrankung. Bei der infantilen Form werden Werte kleiner als ein Prozent der normalen Aktivität, bei der kindlichen Form Werte zwischen ein und zehn Prozent und bei der Erwachsenenform Werte zwischen zehn und 40 Prozent gemessen. Die Bestimmung erfolgt aus der Skelettmuskulatur oder im Rahmen eines sogenannten Trockenbluttests.
  • Genetische Untersuchung: Zur Sicherung der Diagnose muss eine Genanalyse erfolgen. Dabei werden die Mutationen im Gen der sauren alpha-Glukosidase nachgewiesen. Es sind über 300 verschiedene Mutationen bekannt. Bestimmte genetische Veränderungen führen zu milden, andere zu schweren Verläufen. Betroffene Familien sollten sich genetisch beraten lassen. Denn auch gesunde Eltern können beide den Gendefekt tragen. Bei ihnen beträgt das Risiko, ein Kind zu bekommen, das an Morbus Pompe erkrankt, 25 Prozent.

Lebenslange Therapie ist notwendig

Morbus Pompe macht eine lebenslange Therapie erforderlich. Durch die Zufuhr des fehlenden Enzyms können die Krankheitssymptome verbessert werden. Die Enzymersatztherapie erfolgt mit gentechnologisch hergestellter alpha-Glukosidase. Im Jahr 2006 wurde dafür das Präparat Myozyme zugelassen. Durch die Behandlung kann insbesondere die Herzfunktion als auch die körperliche Entwicklung betroffener Kinder deutlich gebessert werden. Die Enzymersatztherapie kann bei ihnen die beatmungsfreie Lebenszeit und auch die gesamte Lebenszeit erheblich verlängern. Ein Teil der Kinder lernt sogar sitzen oder laufen.

Bei Erwachsenen kann damit eine Stabilisierung und Verbesserung der Muskelkraft und Lungenfunktion erreicht werden. Je früher die Therapie beginnt, desto besser sind die Erfolgsaussichten. Das fehlende Enzym muss regelmäßig alle zwei Wochen im Rahmen einer mehrstündigen Infusion verabreicht werden. Da allergische Reaktionen auftreten können, muss die Behandlung ärztlich überwacht werden.

Ausdauertraining und Krankengymnastik mildern Beeinträchtigungen

Betroffenen wird zudem eine proteinreiche und kohlenhydratarme Ernährung empfohlen. Da das Muskelglykogen nicht als Energiequelle genutzt werden kann, kann mit der Nahrung aufgenommene Glukose oder Fruktose als Energiequelle dienen. Mithilfe eines regelmäßigen Ausdauertrainings und Krankengymnastik gelingt es, Beeinträchtigungen zu mildern.

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Experten zum Thema

Prof. Dr. Christiane Schneider-Gold
Leiterin Neuromuskuläre Ambulanz
Fachbereich Neurologie
Katholisches Klinikum Bochum gGmbH, Standort St. Josef Stift
Klinikum der Ruhr-Universität Bochum
Gudrunstr. 56
44791 Bochum
www.klinikum-bochum.de

Priv.-Doz. Dr. Matthias Boentert
Oberarzt der Klinik für Neurologie mit Institut für Translationale Neurologie
Universitätsklinik Münster
Albert-Schweitzer-Campus 1
48149 Münster
www.ukm.de

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Visite | 24.11.2020 | 20:15 Uhr

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