Abenteuer Diagnose: Lambert-Eaton-Syndrom schwächt die Muskeln

Stand: 21.10.2023 19:37 Uhr

Das Lambert-Eaton-Myasthenes-Syndrom, kurz LEMS, ist eine seltene Autoimmunerkrankung, bei der die Kommunikation zwischen Nerven und Muskeln gestört ist. Hauptsymptom ist eine ausgeprägte Muskelschwäche.

von Mirja Klensang

Gehen, Greifen, Blinzeln, Schlucken oder Atmen: Das alles sind Bewegungsabläufe, über die wir uns im Normalfall keine Gedanken machen. Sie passieren automatisch - nicht zuletzt dank gezielter Impulse, die das Gehirn über die Nerven an die Muskulatur weitergibt. Doch schon kleine Fehler in dieser Kette können weitreichende Folgen haben.  

Neuromuskuläre Übertragungsstörung durch fehlgeleitetes Immunsystem 

Ist die Kommunikation zwischen Nerven und Muskeln fehlerhaft, spricht man von einer neuromuskulären Übertragungsstörung. Sie tritt bei verschiedenen Krankheitsformen auf. Die bekannteste ist die Myasthenia gravis mit etwa sechs Betroffenen pro 100.000 Menschen. Deutlich seltener kommt das Lambert-Eaton-Myasthenes-Syndrom (LEMS) vor, weltweit leiden darunter nur etwa fünf von einer Million Menschen. 

Bei beiden Erkrankungen ist das Immunsystem fehlgeleitet. Es bildet Antikörper, die sich gegen körpereigene Strukturen richten - an jeweils unterschiedlichen Stellen an der Schnittstelle zwischen Nerv und Muskel.

LEMS: Antikörper stören Signalübertragung an den Muskel 

Beim LEMS liegt die Schädigung an den Nervenenden, konkret beeinträchtigen die Antikörper die Funktion sogenannter Kalziumkanäle. Dadurch kann ein wichtiger Botenstoff für die Übertragung von Impulsen an den Muskel, das Acetylcholin, nicht in ausreichender Menge freigesetzt werden. Die Folge: Der Muskel ist nicht mehr in der Lage, Bewegungen richtig oder mit Kraft auszuführen. 

Symptome: Muskelschwäche, Sehstörungen, Mundtrockenheit 

Das LEMS führt zu einer Muskelschwäche, die meist in den Hüften und Oberschenkeln beginnt und sich im Verlauf der Erkrankung ausbreitet. Zuletzt werden die Nerven angegriffen, die Kopf, Gesicht, Augen, Nase und Ohren mit dem Gehirn verbinden. Betroffenen fallen Bewegungsabläufe wie Aufstehen, Treppensteigen und das Gehen schwer. Später kann auch das Atmen oder Schlucken Probleme bereiten. 

Weitere Symptome können sein:  

  • Sehstörungen (etwa Doppelbilder) 
  • Mundtrockenheit 
  • Blasenschwäche 
  • Verstopfung 
  • Verminderte Schweißbildung 
  • Muskelschmerzen- und Krämpfe 
  • hängende Augenlider (Ptosis) 
  • eingeschränkte Reflexe 
  • Erektionsstörungen 

Ursachen: Zwei Varianten des LEMS treten auf 

Unterschieden werden mit Blick auf die Ursachen zwei Varianten des Lambert-Eaton-Myasthenes-Syndrom:  

  • Paraneoplastisches LEMS: Bei etwa 40 bis 60 Prozent der LEMS-Patientinnen und -Patienten wird die Autoimmunreaktion durch einen Tumor ausgelöst, häufig von einem kleinzelligen Bronchialkarzinom. Bei der Tumor-bedingten Form des LEMS erkranken die Betroffenen meist mit etwa 60 Jahren, Männer öfter als Frauen. 
  • Idiopathisches LEMS: Das LEMS kann auch als eigenständige Autoimmunerkrankung unabhängig von einem Tumor auftreten. Von dieser autoimmunen Form sind Frauen häufiger betroffen als Männer. Das Erkrankungsalter liegt meist um das 35. oder um das 60. Lebensjahr. 

Diagnose: Laboruntersuchung weist Antikörper im Blut nach 

Deuten Symptome wie Muskelschwäche oder fehlende Reflexe auf eine neurologische Erkrankung hin, kann die Neurologin oder der Neurologe neben neurologischen Untersuchungen der Muskelkraft weiterführende Tests zur Diagnose durchführen.

Bei einem Verdacht auf Lambert-Eaton-Myasthenes-Syndrom gibt ein Elektromyogramm (EMG) Aufschluss über die Muskelaktivität. Es zeigt, ob der Grund für die Muskelschwäche ein Nervenschaden oder eine Störung des Muskels ist. 

Außerdem lassen sich bei LEMS häufig bestimmte Antikörper im Blut der Betroffenen nachweisen (VGCC-Antikörper vom Typ P/Q). In seltenen Fällen bleibt die Laboruntersuchung trotz LEMS unauffällig. 

Da ein LEMS oft in Zusammenhang mit einer Krebserkrankung auftritt, gilt es bei gesicherter Diagnose auch nach einem Tumor zu suchen. Dazu kommen bildgebende Verfahren wie die Computertomografie (CT), die Magnetresonanztomografie (MRT) oder eine Positronen-Emissions-Tomografie (PET) zum Einsatz. 

Therapie: Tumorbehandlung und Kaliumkanalblocker 

Eine Heilung des LEMS ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. Die Therapie zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und ist abhängig von der Variante des Lambert-Eaton-Myasthenes-Syndroms. Ist ein Tumor für die Erkrankung verantwortlich, steht dessen Behandlung im Vordergrund. Durch die Tumortherapie reduzieren sich meist auch die Beschwerden durch das LEMS.  

Zusätzlich kann ein Medikament verabreicht werden, das auch bei der idiopathischen Form des LEMS zum Einsatz kommt.  

Der Wirkstoff 3,4-Diaminopyridin, ein Kaliumkanalblocker, verbessert die Freisetzung des Botenstoffs Acetylcholin an der Schnittstelle zwischen Nerv und Muskel. Die Muskelkraft kann auf diese Weise vorübergehend erhöht werden. Bei dem idiopathischen LEMS kann eine Therapie mit Kortison oder anderen Immunsuppressiva die Beschwerden lindern.  

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Visite | 24.10.2023 | 20:15 Uhr

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