Reem Alabali-Radovan (SPD): Integration und Zusammenhalt
Sie hat einen Senkrechtstart in eine Politik-Karriere hingelegt. Reem Alabali-Radovan trat erst 2021 in die SPD ein, wurde noch im selbem Jahr Bundestagsabgeordnete und Staatsministerin. Jetzt will sie als Spitzenkandidatin der Landes-SPD den Erfolg wiederholen.
Volles Haus am vorletzten Montag vor der Wahl: Rund 400 Menschen sind gekommen, um im großen Saal 1 des Schweriner Capitol-Kinos den Mann zu sehen, den Reem Alabali-Radovan in die Landeshauptstadt geholt hat: "Lieber Herr Bundeskanzler, lieber Olaf, ganz herzlichen Dank für deine Zeit hier in Schwerin", sagt die Bundestagsabgeordnete von der Bühne aus. Es ist ein Dank an den Chef. Alabali-Radovan ist im Bundeskanzleramt als Staatsministerin zuständig für Migration, Flüchtlinge und Integration, nebenbei ist sie auch noch die Beauftragte für Anti-Rassismus.
Boxen für Respekt
Und mit dem "Olaf" hat die 34-Jährige Alabali-Radovan eines gemeinsam: Sie kämpft ums Amt, sie kämpft um ihre SPD mit einem mageren 15-Prozent Umfrage-Ergebnis im Nacken. Aber: die Mutter einer bald zweijährigen Tochter ist es gewohnt zu kämpfen, nicht nur sprichwörtlich. Die Sozialdemokratin ist Hobby-Boxerin beim BC Traktor Schwerin. Boxen ist für sie mehr als nur Faustkampf: "Den Respekt, dieses Begegnen auf Augenhöhe, den ich in der Boxhalle erlebt habe, den habe ich in vielen andern Bereichen nicht erlebt, und auch nicht in der Politik."
Krasse Polarisierung
Insgesamt sei der Ton rauer geworden, auch im Straßenwahlkampf, wenn sie mit ihrem Team und dem Bollerwagen im Wahlkreis Schwerin/Westmecklenburg von Haustür zu Haustür zieht und SPD-Give-Aways verteilt. Der Frust auf die Ampel-Regierung, den bekommt auch die Kandidatin zu spüren. Die Polarisierung sei "krass" und mache ihr Sorgen, sagt Alabali-Radovan. Sie setzt auf die ruhigen Tone. Sich gegenseitig schätzen, auch gewähren lassen, das ist ihr wichtig. 1996 kam sie mit ihrer Familie aus dem Irak nach Deutschland, in die Erstaufnahme-Einrichtung nach Horst. Die Eltern gehörten einer christlichen Kirche an, wollten ihre Heimat unter dem Diktator Saddam Hussein verlassen.
Schwesigs Entdeckung
Die Tochter kämpft sich durch, macht in Schwerin Abitur, studiert Politikwissenschaften und steigt dann auf, vergisst aber nicht ihre Anfänge. "Dieses Gefühl, wie es ist, neu in ein Land zu kommen, neu in eine Gesellschaft zu kommen, in die man sich integriert, das werde ich natürlich nicht vergessen, was da gut funktioniert hat und auch, was nicht gut funktioniert hat, das versuche ich immer in meine Arbeit reinzunehmen." Politisch entdeckt und gefördert hat sie Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD).
Eine selbstbewusste Kandidatin
Schwesig hat Alabali-Radovan 2020 zur Integrationsbeauftragten in Mecklenburg-Vorpommern gemacht und ihren Aufstieg in die Bundespolitik angeschoben. Die Staatsministerin ist auch Vize-Chefin der Landes-SPD. Schwesig hat sich im vergangenen Dezember mächtig für ihre Genossin ins Zeug gelegt, als um die Spitzenkandidatur im Landesverband ging und es Gegenwind gab. Das politische Ziehkind allerdings emanzipiert sich, Alabali-Radovan sagt, für die Unterstützung sei sie dankbar, die sei wichtig, aber: "Es liegt auch an einem selbst."
Lob von der Parteichefin
Die Chancen der Migration zu nutzen, Menschen aus dem Ausland besser zu integrieren, sie zu einem Teil der deutschen Gesellschaft zu machen, vor allem durch Bildung und zeigen, was gut läuft und wo es besser werden muss - das sind Alabali-Radovans Kernanliegen. Das individuelle Asylrecht sei für sie nicht verhandelbar, sagt die Kandidatin. SPD-Parteichefin Saskia Esken, die ihren Wahlkampf bei einem Auftritt in Schwerin unterstützt, sieht ihre Genossin als "Role-Model", als Vorbild: "Sie orientiert sich daran, dass unsere Gesellschaft als Einwanderungsgesellschaft vor allem Integrationsgesellschaft werden muss und dass wir gleichzeitig anerkennen, wie viele Menschen schon mit sehr guten Ergebnissen in unserem Land angekommen sind und ihre Chancen nutzen.
Offene Fragen
Die nächste Chance für Alabali-Radovan ist der 23. Februar. Auch wenn die SPD auf 15 Prozent abrutschen sollte, der Einzug in den Bundestag ist ihr sicher. Denn als Spitzenkandidatin der Landes-SPD löst sich auf jeden Fall das Ticket nach Berlin löst. Offen ist nur, ob sie ihren Wahlkreis direkt gewinnt und ob sie wieder Staatsministerin wird.
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