Dietmar Bartsch (Linke): Entscheidender Kampf ums Direktmandat
Dietmar Bartsch hat den Auftrag, den Linken in Rostock das Direktmandat zu sichern. Von seinem Erfolg könnte der Einzug seiner Partei in den Bundestag abhängen.
Eigentlich wäre Dietmar Bartsch um diese Zeit im Urlaub. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, einer Journalistin, würde er gern Sonne tanken. Im Alter von 66 Jahren muss man auf seine Energiereserven achten. Doch Bartsch, hoch wie ein Leuchtturm, ragt aus einer Menge junger Menschen empor und dankt für ihren freiwilligen Einsatz. Sein Büro hatte via Instagram freiwillige Helfer für den Haustürwahlkampf gesucht und sie haben sich gemeldet. Bartsch erklärt die Regeln: freundlich sein, zuhören, Probleme und Fragen notieren. Und los.
Haustürwahlkampf und "Mission Silberlocke"
Ausgerechnet er, der schon ans Aufhören gedacht hat, Zeit zu Hause in Prerow und mit seinen Enkeln verbringen wollte, klingelt nun an Haustüren. Als er noch Vorsitzender der Linken und Spitzenkandidat war, blieb für sowas keine Zeit. Da machte er Wahlkampf in Talkshows und auf den Marktplätzen Deutschlands. Doch dieses Jahr ist alles neu. Gregor Gysi und Bodo Ramelow haben ihn überredet, noch einmal zu kandidieren: Die Umfragewerte der Linken lagen bei drei Prozent. Ein Wiedereinzug in den Bundestag erschien unwahrscheinlich. Also starteten sie die "Mission Silberlocke".
Alte Herren retten die Linken auf Instagram
Die Herausforderung: Jeder der drei alten Herren, zusammen sind sie 210 Jahre alt, muss sein Direktmandat, also die meisten Stimmen in seinem Wahlkreis, gewinnen. Dann zieht die Partei, unabhängig von der Fünf-Prozent-Hürde, garantiert wieder in den Bundestag. Womit wohl kaum jemand rechnete: Die Marketingidee scheint aufzugehen. Die drei drehen Tik-Tok- und Instagram-Videos, die sie unter jungen Leuten so populäre machen, wie nie zuvor. Sie füllen mit ihren Wahlkampfauftritten Hallen und die Umfragewerte der Linken lagen zuletzt bei sieben Prozent.
"Hype für die Linke ist Wahnsinn"
Doch Bartsch gibt sich bescheiden: "Ja, wir haben einen Beitrag geleistet, der vor allen Dingen Aufmerksamkeit generiert hat." Doch etwas anderes sei bei der wachsenden Popularität entscheidend: "Durch die Abstimmung im Deutschen Bundestag, dass die Union zusammen mit der AFD gestimmt hat, gibt es bei vielen Jungen den Impuls zu sagen: Nein, so nicht. Dadurch gibt es derzeit diesen Hype für die Linke - das ist Wahnsinn."
Wachsende Kinderarmut: "Zeichen falscher Politik"
Bei den gemeinsamen Auftritten der "Silberlocken" in Rostock hatten sie Hunderte Interessierte wieder nach Hause schicken müssen. Während Gysi und Ramelow auf der Bühne mit Anekdoten zu punkten versuchen, übernimmt Bartsch eher die Rolle des Moderators. Seine Körpergröße und Unaufgeregtheit verleihen ihm dennoch Präsenz. Statt mit lustigen Geschichten versucht er, das Publikum mit Ur-Linken Themen zu überzeugen. Vor allem die wachsende Kinderarmut, während die Zahl der Milliardäre in Deutschland steigt - für ihn ein "Zeichen falscher Politik".
Einzug in Bundestag auch ohne Direktmandat wieder möglich
Das Deutschlandticket für neun Euro, keine Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, Heizen und Wohnen dürfen kein Luxus sein - linke Forderungen, bei denen auch viele Rostocker in den Gesprächen mit Bartsch mitgehen können. Er fühle sich durch die Begegnungen an der Haustür bestätigt. Ob das für das Direktmandat reicht? Ungewiss. Doch inzwischen könnte es auch ohne einen Rostocker Wahlsieg für die Linken reichen, um im kommenden Bundestag wieder vertreten zu sein. Als Listenplatz-Erster in Mecklenburg-Vorpommern wird Bartsch auch dann wieder einziehen.
Motivation: Damit über Diplomatie und Abrüstung geredet wird
Dabei gäbe es noch so viel anderes zu tun. Er liebt Sport und geht gern zu den Fußballspielen des FC Hansa Rostock. Woraus zieht er noch die Kraft für die Politik? "Damit über Themen wie Kindergrundsicherung, wie Diplomatie und Abrüstung geredet wird. Alle sagen, wir müssen aufrüsten. Der Russe steht kurz vor Rostock. Ich teile das nicht, sondern die Richtung muss eine andere sein. Ich gucke mir meine Enkel an und sage: Komm' Dietmar, einmal kämpfst du noch!"
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