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Vorwürfe gegen Rammstein: Worum geht's?

Stand: 18.08.2023 12:01 Uhr

Mehrere Frauen haben Vorwürfe gegen Till Lindemann erhoben. Am Hamburger Landgericht erlitt der Rammstein-Frontmann nun eine Niederlage, nachdem er gegen Shelby Lynn vorging, die den Skandal ausgelöst hatte.

Die Vorwürfe gegen Sänger Till Lindemann stehen schon seit Wochen im Raum. Während Rammstein seitdem viel dafür getan hat, gegen die Anschuldigungen vorzugehen und sie klein zu reden, haben sich weitere Frauen bei NDR und "Süddeutsche Zeitung" gemeldet (hier die ausführlichen Ergebnisse der Recherche).

Neue Vorwürfe: Frauen schildern NDR und "SZ" ihre Erlebnisse  

Jasmin Stevens, die eigentlich anders heißt, war 17, als sie Till Lindemann im Dezember 2002 bei einer Autogrammstunde zu seinem Buch "Messer" kennenlernte. Am selben Abend sei sie mit Lindemann und Keyboarder Christian Flake Lorenz zu Lorenz' Landhaus in Brandenburg gefahren. Nach dem Konsum von viel Bier und Schnaps habe sie das Gefühl gehabt, dass ihr Mund extrem trocken gewesen sei. Die Wände hätten gewirkt, als bewegten sie sich auf sie zu. 

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Rammstein auf der Bühne in Odense © picture alliance / Gonzales Photo/Sebastian Dammark | Gonzales Photo/Sebastian Dammark Foto: Gonzales Photo/Sebastian Dammark

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Stevens habe sich stark berauscht in einem der Zimmer im oberen Stockwerk ins Bett gelegt - Flake habe sich dann neben sie gelegt. Sie sei nicht in der Verfassung gewesen, den Keyboarder davon abzuhalten. Sie habe sich lediglich wegdrehen können. Flake, so erinnert sie sich, habe sie dann zurückgedreht und mit ihr Sex gehabt. Sie habe den Sex nicht gewollt, habe aber auch nicht nein gesagt und sich nicht gewehrt. Dem NDR und der "SZ" schildert Stevens, dass sie bis heute unter den für sie traumatischen Erfahrungen leide und deshalb jahrelang in Therapie gewesen sei.

"Solche Schmerzen hatte ich vorher nie und nachher nie"

Neben Jasmin Stevens hat sich eine weitere Frau gemeldet, die von einem mutmaßlichen Übergriff aus den Anfangsjahren der Band erzählt. Die damals 22-jährige Sybille Herder, auch ihr Name ist geändert, erinnert sich an ein Konzert in Gera im Februar 1996.

Damals habe sie Rammstein nach dem Konzert in deren Hotel begleitet und mit der Band in einem Hotelzimmer getrunken und gefeiert. Sie habe dann das Bewusstsein verloren und sei am nächsten Morgen nackt auf dem Fußboden aufgewacht. Neben ihr, so erinnert sie sich, habe Flake gelegen. Herder sagt, ihr Unterleib habe sich an diesem Morgen "wie zerfetzt" angefühlt. "Ich habe vorher Sex gehabt in meinem Leben und habe auch danach Sex gehabt in meinem Leben. Solche Schmerzen hatte ich vorher nie und nachher nie", sagt sie. Ihr Unterleib habe noch viele Tage danach weh getan. Was genau in der Nacht passierte, weiß sie nicht. Genauso wenig weiß sie, wer für die Schmerzen verantwortlich sei.

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Bisher im Fokus: Sänger Till Lindemann

Blaue Flecken und keine Erinnerungen mehr: Nach einem Konzert von Rammstein in Vilnius am 22. Mai, machte Shelby Lynn auf Social Media öffentlich, was ihr auf einer Party der Band passiert sein soll. Mittlerweile berichten mehrere Frauen von einem "Casting-System", über das sie bei Backstage-Partys für Sex mit Lindemann ausgewählt worden seien, ohne dass jemand explizit gesagt habe, dass es dabei um Sex geht.

Einige Frauen behaupten auch, sie seien unter Drogen gesetzt worden. Die Berliner Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann aufgenommen. Das Ermittlungsverfahren sei wegen "Tatvorwürfen aus dem Bereich der Sexualdelikte und der Abgabe von Betäubungsmitteln" eingeleitet worden. Lindemann bestreitet die Vorwürfe.

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Rammstein-Sänger Till Lindemann beim Konzert im Hamburger Volksparkstadion © picture alliance/dpa/Rammstein | Jens Koch Foto: Jens Koch

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Erstes Bandmitglied distanziert sich von Till Lindemann

Schon vor einigen Wochen hat sich ein erstes Bandmitglied öffentlich von seinen Bandkollegen distanziert: Schlagzeuger Christoph Schneider hat sich auf seinem Instagram-Account kritisch geäußert. Darin spricht er von einer zunehmenden Distanz zwischen Lindemann und der Band. Lindemann habe sich in den letzten Jahren "seine eigene Blase geschaffen. Mit eigenen Leuten, eigenen Partys, eigenen Projekten."

Er glaube Lindemann zwar, wenn der sage, dass er seinen privaten Gästen stets eine schöne Zeit habe bereiten wollen. "Wie diese Gäste sich das genau vorgestellt hatten, unterscheidet sich jedoch anscheinend in einigen Fällen von seinen eigenen Vorstellungen", so Schneider und weiter: Die "Wünsche und Erwartungen der Frauen, die sich jetzt gemeldet haben, wurden wohl nicht erfüllt ..."

NDR/SZ-Recherchen zeigen System der Anbahnung

Recherchen von NDR und der "Süddeutschen Zeitung" beschreiben ausführlich ein System der Anbahnung. Bei Konzerten der Band wurden Frauen offenbar gezielt für Sex mit Lindemann rekrutiert. Mehr als ein Dutzend Frauen berichten in Gesprächen mit den Reporterinnen und Reportern von NDR und SZ davon, wie sie von mehreren Menschen aus dem Umfeld von Lindemann gezielt angesprochen worden seien, häufig über Instagram oder auf den Konzerten selbst, um zu speziell für Lindemann organisierten Aftershowpartys zu kommen. Mehrere dieser Frauen haben ihre Erzählungen an Eides statt versichert.

Ein Mann im blauen Jackett schaut aus dem Bild © picture alliance Foto: Jens Kalaene
Der Druck auf ihn und seine Band wächst: Rammstein-Frontmann Till Lindemann (hier bei der Verleihung des Deutschen Musikpreises Echo.)

Zudem belegen zahlreiche Screenshots von WhatsApp- und Instagram-Chats sowie Fotos die Aussagen der Frauen. Auf konkrete Fragen von NDR und SZ äußerten sich weder Lindemann noch das Management von Rammstein inhaltlich zu den Vorwürfen.

Shelby Lynn über ihre Begegnung mit Till Lindemann

In einem Interview mit dem NDR und der Süddeutschen Zeitung hat die Nordirin Shelby Lynn von ihren Erfahrungen beim Rammstein-Konzert in Vilnius am 22. Mai erzählt. Sie schildert, wie sie vorher im Internet erfuhr, dass es Partys rund um die Konzerte geben soll - und dass man bei Interesse lediglich eine Frau aus dem Umfeld der Band kontaktieren müsse. Vor Konzertbeginn sei sie zu einer sogenannten Pre-Party eingeladen worden. Dort sei ihr auch Alkohol angeboten worden.

Während einer Konzertpause sei sie in einem kleinen Raum unter die Bühne geführt worden. Dort sei ihr klar geworden: "Oh nein, das ist falsch. Das ist schlecht. Das ist auf jeden Fall eine Sex-Sache!" Als schließlich Till Lindemann den komplett schwarzen Raum betreten habe, hätte sie zu ihm gesagt: "'Till, wenn du wegen Sex hier bist, dann ist das deine Sache. Ich will das nicht machen. Sex ist für mich etwas ganz Besonderes.' Und er wird sehr wütend und er schreit mich an und stürmt durch den Vorhang, um zu gehen. Ich habe eine Minute gewartet, damit er weggeht, den Vorhang geöffnet und er ist immer noch da. Und schreit mich an: 'Nein, du wartest! Du wartest da drin!'"

Die 24-Jährige berichtet auch, dass sie alles nach der Pre-Party "wie vernebelt" und bruchstückhaft erinnere. Später in ihrem Hotel habe sie dann große blaue Flecke an sich entdeckt. "Ich bin zu fast 100 Prozent sicher, dass ich unter Drogen gestanden habe. Denn so habe ich mich in meinem ganzen Leben noch nie gefühlt. Es war ein Gefühl wie nichts anderes jemals!"

VIDEO: Rammstein-Skandal - Hausbesuch bei Shelby Lynn (5 Min)

Kein Strafverfahren gegen Lindemann in Vilnius

Die Staatsanwaltschaft Vilnius teilte am 23. Juni mit, dass sie keine Ermittlungen gegen Till Lindemann oder die Band aufnehmen wird. Nachdem Shelby Lynn ihre Erfahrungen in den Sozialen Medien geteilt hatte, war sie von der litauischen Polizei vernommen worden. Danach entschied sich die Polizei gegen eine strafrechtliche Verfolgung - wogegen Shelby Lynn Mitte Juni Beschwerde einlegte. Daraufhin prüfte die Staatsanwaltschaft von Vilnius den Sachverhalt - und entschied nun, dass aufgrund fehlender "objektiver Tatsachenbeweise" keine Strafverfolgung eingeleitet werden wird.

Till Lindemann bei einem Konzert am 24.6.2016 in Odense, Dänemark. © picture alliance / Gonzales Photo/Lasse Lagoni Foto: Gonzales Photo/Lasse Lagoni
AUDIO: Die Rammstein-Kontroverse (57 Min)

Kayla Shyx schildert Erlebnisse bei Rammstein-Konzert

Auch die Youtuberin Kayla Shyx (bürgerlich: Kaya Loska) berichtet über ihre Erfahrungen bei einem Rammstein-Konzert. In einem Video erzählt sie über eine Aftershowparty: "Alles, was in diesem Raum war, waren Alkohol und zwei Couches. Auf diesen Couches saßen acht Mädchen, alle nebeneinander aufgereiht. Manche von denen waren wirklich auch ein bisschen benommen, die haben nicht gewirkt, als wären die da." Ein Mädchen habe dann erzählt: "Er kommt hier auch rein und sucht sich auch hier seine Favoriten aus, mit denen er Sex haben will.' Im Anschluss meinte sie: 'Ihr könnt übrigens alles haben. Ihr könnt trinken, ihr könnt koksen, ihr könnt machen, was ihr wollt. Ich war schon mal bei so einer Afterparty, die bieten euch hier alles an."

Kayla Shyx wurde im Zusammenhang mit ihrem YouTube-Video mittlerweile abgemahnt, wie es in einer Presseerklärung der Kanzlei Schertz Bergmann, die Lindemann in der Sache juristisch vertritt, heißt: "Als Reaktion hierauf gab sie gegenüber unserem Mandanten zu zwei Punkten eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Soweit die geforderte Unterlassungserklärung nicht abgegeben wurde, beantragen wir für unseren Mandanten den Erlass einer einstweiligen Verfügung."

Lindemann geht gegen Vorwürfe vor

Gegen den in Sozialen Netzwerken erhobenen Vorwurf Frauen seien bei Konzerten von Rammstein mithilfe von K.o.-Tropfen oder Alkohol betäubt worden, um Till Lindemann sexuelle Handlungen an ihnen zu ermöglichen, geht der Sänger auch weiter juristisch vor. "Diese Vorwürfe sind ausnahmslos unwahr", heißt es in einer anderen Presseerklärung der Kanzlei Schertz Bergmann.

Nun haben Lindemanns Anwälte ein Gutachten vom Institut für Rechtsmedizin der Uniklinik Köln vorgelegt, das Fotos von Shelby Lynn, die Blutergüsse zeigen, prüft. "Insbesondere sollte beurteilt werden, ob die Verletzungen auf eine körperliche Misshandlung zurückgeführt werden könnten", heißt es in einer Pressemitteilung der Kanzlei. Die Fotos hatte Shelby Lynn neben einem Video über Twitter öffentlich gemacht.

Laut des vom Direktor des Instituts, Herrn Prof. Dr. Markus Rothschild, erstellten Gutachtens legen die Aufnahmen ein Unfallgeschehen ohne Fremdeinwirkung als wahrscheinlichste Ursache nahe, so die Pressemitteilung. "Zwar kann auch hier allein anhand der Verletzungsbefunde eine sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung nicht ausgeschlossen werden. Umgekehrt fanden sich aber auch keine Hinweise auf eine sexualisierte Gewalt", heißt es weiter.

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Berlin unterbindet Mietverträge für Aftershow-Partys

Vom 7. bis 11. Juni haben Rammstein vier Konzerte in München gespielt. Die Band tourt nun weiter durch Europa bevor sie für drei Konzerte in Berlin zwischen dem 15. und 18. Juli zurück nach Deutschland kommt. Angesichts der Vorwürfe gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann hat Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) bekräftigt, dass es in den Liegenschaften des Landes keine Aftershow-Partys der Band geben wird. "Die Mietverträge für die Partys sind nicht beschlossen, das habe ich unterbunden", so Spranger. "Die Konzerte kann ich als solches nicht verbieten, das steht nicht in meiner Hoheit." Sie fügte hinzu, natürlich gelte im Rechtsstaat die Unschuldsvermutung, aber der Staat habe auch die Verpflichtung, Gefahren abzuwehren.

Petitionen fordern Absage von Berlin-Konzerten

Zehntausende Menschen fordern in mehreren Online-Petitionen die Absage der Rammstein-Konzerte im Berliner Olympiastadion. So hat unter anderem die Petition "Keine Bühne für Rammstein" mehr als 58.000 Unterschriften gesammelt. Unterstützung bekommen sie von Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung. Er hält es für fragwürdig, ob die geplanten Rammstein-Konzerte in Berlin im vom Land betriebenen Olympiastadion so stattfinden sollten. "Antidemokratische Diskriminierungen wie Antisemitismus, Frauenverachtung und Rassismus gehen oftmals Hand in Hand", sagte Felix Klein den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Wir sollten die betroffenen Frauen ernst nehmen, genauso wie wir Jüdinnen und Juden ernst nehmen sollten, wenn es um Antisemitismus geht."

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Till Lindemann im Berliner Olympiastadion (04.06.2022). © picture alliance/dpa/Rammstein | Jens Koch

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Rammstein-Büro in Berlin zerstört

Vom 26. auf den 27. Juni wurden mehrere Scheiben des Büros der Band in Berlin beschädigt. Die Polizei bestätigt den Vorfall und hat Ermittlungen eingeleitet. Auf der linksrevolutionären Plattform Kontrapolis gibt es ein vermeintliches Bekennerschreiben einer anonymen Splittergruppe. Hinweise auf die Täter hat es laut Polizei am Ort nicht gegeben. Der Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen, weil ein politischer Hintergrund nicht ausgeschlossen werden können.

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Trotz allem: Rammstein-Alben steigen in den Charts - sechs von acht in Top 100

In den jüngsten Album-Charts Top 100 sind die Musiker trotz allem im Juni wieder mit sechs ihrer bisher acht Studioalben vertreten, alle konnten deutlich hinzugewinnen. Das jüngste Album "Zeit" stiegt von Platz 29 in der Vorwoche auf die 10 in den am Freitag veröffentlichten Offiziellen Deutschen Charts, die das Unternehmen GfK Entertainment in Baden-Baden ermittelt. Vorgänger "Rammstein" stieg von 52 auf 20, das 2001 erschienene Album "Mutter" schaffte es von 61 auf 25. Wieder zurück in den Charts sind drei weitere Alben der Band: "Reise, Reise", "Liebe ist für alle da" und Rammsteins erstes Album "Herzeleid". Mit "Sonne" auf Platz 69 schaffte es auch ein Rammstein-Song zurück in die Single-Charts.

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Bundesfamilienministerin fordert mehr Schutz bei Konzerten

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) forderte im Rahmen der Anschuldigungen Veränderungen in der Musikbranche. Sie hat unter anderem den Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft eingeladen, dem Bündnis "Gemeinsam gegen Sexismus" beizutreten.

Niederlage für Till Lindemann vor Hamburger Landgericht

Till Lindemann hat am Hamburger Landgericht nicht erreicht, was er wollte: Die Nordirin Shelby Lynn, die mit Vorwürfen den Skandal um Rammstein ausgelöst hatte, sollte nach seinem Willen nicht mehr sagen dürfen, dass sie nach einem Konzert unter Drogen gesetzt wurde. Das Landgericht hat das aber abgelehnt, mit der Begründung, dass Lynn keinen konkreten Verdacht gegen Lindemann geäußert hat.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 08.06.2023 | 07:40 Uhr

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