Sie löste den Rammstein-Skandal aus: Hausbesuch bei Shelby Lynn
"Ich bin das Mädchen, das bei Rammstein gespiked wurde." Mit diesem Satz auf Twitter löste die Nordirin Shelby Lynn ein Beben aus. Reporterinnen von NDR und SZ haben sie zu Hause getroffen.
Hausbesuch bei Shelby Lynn, der Frau, die sich mutig mit Rammstein angelegt hat. Sie ist 24, Beamtin im öffentlichen Dienst und ein großer Fan der Band, seit sie 15 ist. Für das Konzert in Vilnius wird sie auf eine Party vor der Show eingeladen. Ihr und anderen Mädchen seien dort Drinks angeboten worden. Lynn wurde ausgewählt, den Sänger allein zu treffen, sagt sie. In einer Konzertpause soll sie dann von einem Crewmitglied in einen Raum unter der Bühne geführt worden sein. Laut ihren Schilderungen ist sie dort allein und hat gleich ein ungutes Gefühl.
"Till kommt rein - und ich sage sofort zu ihm: Wenn du hier bist wegen Sex - ich möchte das nicht. Sex ist für mich etwas sehr Besonderes. Da ist er sofort wütend geworden und hat geschrien: Mir wurde gesagt, du wärst einverstanden. Ich habe wiederholt, dass ich nicht möchte. Er hat mich angebrüllt: Das hast du schon gesagt," erzählt Lynn.
Lynn: "Ich bin das Mädchen, das bei Rammstein gespiked wurde"
Eine Zeugin bestätigt gegenüber NDR und SZ, dass sie gesehen habe, wie Shelby Lynn weggeführt wurde. An das, was später auf dem Konzert weiter passiert sei, sagt Lynn, könne sie sich nur bruchstückhaft erinnern. Zurück im Hotel entdeckt sie Blutergüsse an ihrem Körper: "Ich bin fast hundertprozentig sicher, dass ich Drogen bekommen habe, weil ich mich noch nie so gefühlt habe."
Zu diesem Vorwurf lässt Till Lindemann öffentlich über Anwälte kommunizieren: "So wurde wiederholt behauptet, Frauen seien bei Konzerten von 'Rammstein' mithilfe von K.O.-Tropfen bzw. Alkohol betäubt worden, um unserem Mandanten zu ermöglichen, sexuelle Handlungen an ihnen vornehmen zu können. Diese Vorwürfe sind ausnahmslos unwahr."
Youtuberin Kayla Shyx schildert eine ähnliche Erfahrung
Dass bei Rammstein Konzerten gezielt junge Frauen ausgesucht würden, um dem Sänger zugeführt zu werden, schildert Kayla Shyx, eine deutsche Youtuberin: "Nichts wurde mir davon gesagt, dass ich in einer Umkleidekabine mit Alkohol und mit meinem Handy abgegeben, von Till Lindemann ausgesucht werden soll. Und auf diesen Couches saßen dann so acht Mädchen, so nebeneinander aufgereiht und manche von denen waren auch so ein bisschen benommen. Die haben nicht gewirkt, als wären die da. Ich wurde hierher geholt nur aus dem Grund, weil er vielleicht Bock hätte mich zu ficken."
Aus der Sicht der Autorin Reyhan Sahin, bekannt als Rapperin Lady Bitch Ray, ist so ein Umgang mit Frauen in der Musikbranche weit verbreitet: "Das Männer im Musikbusiness sozusagen weibliche Groupies haben und das in verschiedenen Variationen vorkommt, ist für mich überhaupt nichts Neues. Viel erschreckender finde ich, dass es für selbstverständlich gehalten wird, dass solche großen Stars weibliche Groupies haben. Was halt gar nicht geht, ist diese ganze sexuelle Gewalt und dieses sich bedienen an jungen Frauen."
Lindemann inszeniert immer wieder Tabubrüche
Die Vorwürfe mehrerer Frauen an Till Lindemann: Er habe Grenzen überschritten und seinen Status als Star missbraucht. Auch seien sexuelle Handlungen gewaltvoll gewesen. Provokation oder Perversion? Bilder von sexueller Gewalt tauchen auch in Lindemanns Musikvideos auf. Er inszeniert immer wieder Tabubrüche. Bewusst verstörend, wie in dem Porno "Till the end". Das "Ich" in seinen Texten: gelesen als Kunstfigur, als lyrisches Ich. So auch bei seinem umstrittensten Gedicht:
Ich schlafe gerne mit dir, wenn du schläfst.
Wenn du dich überhaupt nicht regst.
(…)
Etwas Rohypnol im Wein (etwas Rohypnol ins Glas).
Kannst dich gar nicht mehr bewegen.
Auszug aus "Wenn du schläfst" von Till Lindemann
Die Vorwürfe, die jetzt im Raum stehen, deuten darauf hin, dass es Überschneidungen zwischen Kunst und Lindemanns Leben geben könnte. "Sexuelle Gewalt gehört zu Till Lindemanns Image dazu. Jetzt mal unabhängig von allen. Und wenn es um Bad Boy und hart sein geht, dann ist es auf einmal eins. Dann ist der Künstler und sein Werk eins. Aber wenn Missbrauchsvorwürfe kommen, wird das dann getrennt. Man dreht sich das so zurecht, wie man es haben will," so Reyhan Sahin.
Viele junge Frauen melden sich bei Shelby Lynn
Lynn sagt, dass Lindemann ihr Nein akzeptiert habe. Ihre Erfahrung hat sie in sozialen Netzwerken geteilt. Viele junge Frauen hätten sich daraufhin bei ihr gemeldet. Sie bekommt große Solidarität, wird aber auch heftig angegriffen, bis hin zu Morddrohungen. "Ich fürchte nichts. Es bricht mir das Herz, für jede Frau, die zum Opfer geworden ist und Schlimmeres erlebt hat. Bringt mich vor Gericht. Ich habe keine Angst. Diese Leute haben viel zu verlieren und zu verbergen. Ich nicht."
Diese junge Frau aus Nordirland hat etwas angestoßen, das der große #MeToo-Skandal in der Musikindustrie werden könnte.