Rammstein: Zwischen Gewaltverherrlichung und DDR-Nostalgie
Gigantische Pyroshows, brachiale Sounds, Gewalt in den Texten: Wer ist die Band Rammstein, die weltweit Stadien füllt - aber gegen die es gerade schwere Vorwürfe gibt. Mehrere Frauen berichten von einem ganzen System des Machtmissbrauchs.
Gegründet hat sich Rammstein 1994 in Berlin. Die Mitglieder Till Lindemann, Christian "Flake" Lorenz, Paul Landers, Richard Kruspe, Oliver Riedel und Christoph Schneider sind allesamt in der DDR aufgewachsen. Frontmann Lindemann hat einen Teil seiner Jugend in Rostock verbracht. Die DDR-Vergangenheit ist zu einem Teil der Band-DNA geworden. Der MDR zitierte zum 60. Geburtstag Lindemanns den Sänger mit den Worten: "In der DDR hatten wir nur wenig, aber es gab ein Gefühl der Solidarität, das ich jetzt vermisse. Heute stecken wir bis zum Hals in Konsum, Egoismus und Individualismus." Für solch nostalgisch-verklärende Blicke auf die ehemalige DDR steht Rammstein immer wieder in der Kritik.
Kritik an Rammstein
Kritik hagelt es darüber hinaus von allen Seiten: Die Band sei zu rechts, die Texte zu gewalttätig, die Videos jugendgefährdend. Rammstein weisen dies stets von sich, die Provokation sei ein Stilmittel. Nur ein Album der Band landete bislang auf dem Index - und das auch nur für kurze Zeit. 2009 veröffentlichte die Band "Liebe ist für alle da". Das Lied "Ich tu dir weh" sowie das Foto einer Folterung im CD-Booklet riefen das Familienministerium auf den Plan. Beides wurde als "verrohend" und "sittenwidrig" eingestuft. Bereits ein Jahr später sorgte das Verwaltungsgericht Köln mit der Begründung der Kunstfreiheit dafür, dass das Album wieder vom Index gestrichen wurde.
"Deutschland" ist erfolgreichste Rammstein-Single
Aus dem kurzfristig indizierten Album stammt auch der Song "Pussy", der als erste Rammstein-Single auf Platz eins der deutschen Charts landete. In dem dazugehörenden Video stellen die Musiker Porno-Szenen nach, mittlerweile gibt es bei Youtube nur noch eine zensierte Version. Auf Konzerten beschießt Lindemann zu "Pussy" das Publikum aus einer Penis-Schaumkanone. Pornografische Darstellungen sind fester Bestandteil der Bühnenshows.
Der kommerzielle Durchbruch gelang Rammstein deutlich zuvor mit ihrem Debütalbum "Herzeleid" im Jahr 1995. Ihre internationale Bekanntheit verdankten sie dann dem Regisseur David Lynch: Zwei Rammstein-Songs schafften es auf den Soundtrack zum Film "Lost Highway". Die erfolgreichste Single bis heute ist "Deutschland" aus ihrem unbetitelten Album von 2019. Das Lied hielt sich 22 Wochen in den deutschen Charts.
Provokation als PR-Masche
Das Erfolgsrezept der Band: donnernde Bässe, brachialer Sound, viel nackte Muskeln und eine opulente Bühnenshow mit echtem Blut und viel Pyrotechnik. Und: Provokation. Im Vorfeld zu "Deutschland" veröffentlichte die Band einen Ausschnitt des Musikvideos, in dem die Mitglieder an Galgen standen, in Kleidung, die an KZ-Gefangene erinnert - im Abspann tauchte das Wort "Deutschland" in frakturähnlicher Schrift auf. Der heraufbeschworene Skandal entpuppte sich als geschickter PR-Trick.
Till Lindemanns Soloprojekte
Das Gesicht von Rammstein ist zweifelsfrei Till Lindemann. Der Frontmann ist auch mit verschiedenen Soloprojekten unterwegs. Für den Herbst 2023 hat er eine Tour durch Deutschland und Europa ohne Rammstein angekündigt - allerdings im Stile Rammsteins. Ungewöhnlicher dagegen ist seine Zusammenarbeit mit Schlagersänger Ronald Kaiser - für ihn hat Lindemann den Text "Ich weiß alles" geschrieben. Das musikalische Metier verlässt er mit seinen bislang drei veröffentlichten Gedichtbänden. Im Zusammenhang mit den aktuellen Missbrauchsvorwürfen gegen den Künstler hat der Verlag Kipenheuer & Witsch die Zusammenarbeit gekündigt. In dem Gedicht "Wenn du schläfst" schreibt Lindemann über Vergewaltigungsfantasien, K.o.-Tropfen und Sex mit schlafenden Frauen. Themen, die vor dem Hintergrund der Anschuldigungen gegen den Sänger besonders heikel anmuten.
Vorwürfe gegen Lindemann
Mehrere Frauen hatten schwere Vorwürfe gegen Lindemann erhoben. Gegenüber dem Norddeutschen Rundfunk und der "Süddeutschen Zeitung" beschrieben sie, wie junge Frauen offenbar gezielt für Sex mit dem Sänger rekrutiert wurden. Weitere Frauen berichteten zudem von mutmaßlichen sexuellen Handlungen, denen sie nicht zugestimmt hätten. Die Band wies die Darstellungen zurück.