Rammstein-Recherche: "Eine andere Dimension an Vorwürfen"
Zwei weitere Frauen haben Vorwürfe im aktuellen Rammstein-Skandal gegen die Band erhoben und dabei den Keyboarder Christian Flake Lorenz in den Fokus gestellt. NDR Reporter Daniel Drepper spricht im Interview über die Recherche-Arbeit des NDR und der Süddeutschen Zeitung.
Wie kamen die Kontakte zu den Frauen zustande? Wie schwer fiel es ihnen, über ihre Erinnerungen zu reden - einerseits, weil es lange zurückliegt, andererseits weil da vielleicht lange Verdrängtes wieder hochkommt?
Daniel Drepper: Vor ungefähr sechs Wochen, wenige Tage, nachdem es in den sozialen Medien hoch gekocht ist, haben wir eine erste Berichterstattung gemacht und danach haben sich viele Personen bei uns gemeldet: sowohl Frauen, die sagen, dass sie betroffen seien, als auch Menschen aus dem Umfeld der Band und aus dem Umfeld der Musikindustrie. Das war für uns super wertvoll, weil ohne geht es nicht. Wenn sich Menschen bei uns nicht melden, können wir keine Berichterstattung machen.
Dann haben wir erst einmal erklärt, wie es bei uns läuft. Das ist ein sehr vertraulicher Rahmen. Die Leute können sich in Ruhe mit uns austauschen und erst einmal schauen, wie wir arbeiten. Wir erklären die Vorgehensweisen und dann haben sich zum Glück Menschen dazu entschlossen, dass sie ihre Erfahrungen mit uns teilen wollen. Es ist richtig, dass es für sie nicht ganz leicht ist, weil sie das sehr lange mit sich herumtragen und sie das bis heute belastet. Es ist für sie eine besondere Situation, denn lange Zeit dachten sie, sie seien mit ihren Erfahrungen alleine. Sie wussten nicht, dass es weitere Personen gibt, die angeben, Ähnliches erlebt zu haben. Durch die Berichterstattung wird ihnen erst klar: Es könnte so sein, dass da mehrere Menschen betroffen sind. Für sie ist das ein ganz intensiver Prozess, da noch einmal durch zu gehen.
Gerade wenn die Opfer sich jetzt auch wechselseitig Mut machen und bestärken: Werden die beiden Frauen jetzt, da die Vorwürfe öffentlich im Raum stehen, vielleicht doch noch klagen?
Drepper: Das glaube ich persönlich nicht. Das ist den Frauen natürlich selbst überlassen, aber aus den Gesprächen bisher ging hervor, dass sie eher keine Anzeige stellen würden. Ich glaube aber, dass sie sich vorstellen könnten, als Zeuginnen in laufenden Verfahren auszusagen. Ich glaube, das hängt auch ein bisschen davon ab, wie es jetzt weitergeht in der Berichterstattung und in der Diskussion. Grundsätzlich ist es ja so, dass sich alle Menschen melden können bei der Staatsanwaltschaft Berlin zum Beispiel, die ihr Ermittlungsverfahren immer noch betreibt. Das ist für uns als Journalisten aber nicht unbedingt die erste Priorität. Wir überlassen das den Frauen. Wir machen einfach unsere Berichterstattung und dann müssen wir schauen, was passiert.
Es geht jetzt um ein damals minderjähriges Opfer - und es geht nicht mehr nur um Till Lindemann. Es geht um die Band. Müssen sich die Band und deren Verteidiger jetzt nicht neu zu den Vorwürfen positionieren? Haben die Vorwürfe und die Sache jetzt nicht in doppelter Hinsicht eine neue Dimension?
Drepper: Bisher wirkt es so, als sei die Strategie sehr stark auf Begrenzung der Vorwürfe fokussiert. Menschen äußern sich aus der Band und sagen, Lindemann habe sich von der Band entfernt, es habe keine strafrechtliche Relevanz. Es wird sehr stark runter gespielt und es wird vorgegangen gegen Menschen, die sich öffentlich äußern. Ich glaube schon, dass diese Veröffentlichung die öffentliche Diskussion, aber auch den Umgang mit den Vorwürfen auf der Seite der Verteidigung noch einmal ändern könnte, weil es tatsächlich eine andere Dimension an Vorwürfen ist und das in verschiedene Richtungen hin erweitert.
Das Gespräch führte Markus Schubert.