Der Pianist Igor Levit spielt auf der Bühne. © Hannes P. Albert/dpa
Der Pianist Igor Levit spielt auf der Bühne. © Hannes P. Albert/dpa
Der Pianist Igor Levit spielt auf der Bühne. © Hannes P. Albert/dpa
AUDIO: "Gegen das Schweigen": Solidaritätskonzert im Berliner Ensemble (4 Min)

Berliner Solidaritätskonzert von Igor Levit in ARD Mediathek

Stand: 28.11.2023 10:38 Uhr

Pianist Igor Levit hat am Montag ein großes Solidaritätskonzert unter dem Motto "Gegen das Schweigen. Gegen Anstisemitismus" am Berliner Ensemble auf die Beine gestellt. Es steht in der ARD Mediathek - in voller Länge.

von Maria Ossowski

Mit dabei waren etwa Campino, Maria Schrader, Joanna Mallwitz, Wolf Biermann und Michel Friedman. Zuvor hatte Levit in Interviews einen Mangel an Empathie gerade auch im Kulturbetrieb beklagt. In viereinhalb Minuten waren die über 700 Plätze des Berliner Ensembles verkauft. Jede Künstlerin, jeder Prominente des Abends hätte das auch mit einem Soloprogramm geschafft, allen voran der Pianist Igor Levit. Gemeinsam aber haben sie alle in knapp vier Stunden eine überwältigende Kraft entwickelt, nach so vielen Wochen des Schweigens der Mehrheit und der Hassparolen gegen Juden. 

Weitere Informationen
Der Pianist Igor Levit und Cosima Soulez Lariviere spielen gemeinsam auf der Bühne. © Hannes P. Albert/dpa

Igor Levits Solidaritätskonzert "Gegen das Schweigen" in ARD Mediathek

Das Solidaritätskonzert mit Igor Levit, Die Toten Hosen, Maria Schrader, Wolf Biermann, Katharina Thalbach, Cosima Soulez Lariviere und vielen anderen in voller Länge - bis 27. November 2025. mehr

Michel Friedman: "Wochenlang war die große Öffentlichkeit nicht da"

Igor Levit und Michel Friedman begrüßen sich vor dem Beginn des Konzerts. © Hannes P. Albert/dpa
Igor Levit und Michel Friedman (r.) begrüßen sich vor dem Beginn des Konzerts.

Der Publizist Michel Friedman hat mit Levit zusammen in wenigen Tagen diese erste große Solidaritätsveranstaltung der Kulturszene organisiert. "Wir sind heute hier zusammengekommen, weil wir gespürt haben, dass es Menschen in unserem Land gibt, die sagen: Einige sind niemand", so Friedman. "Und weil wir dafür stehen, dass jeder jemand ist und weil wir wissen, wie wir auch irgendwann ein Niemand sein können. Und dass wir uns brauchen und dass wir uns aufeinander verlassen können müssen. Vielleicht ist es dieses Mal nicht so gut gelaufen. Wochenlang war die große Öffentlichkeit nicht da, die Theater und die Kunst haben sehr wenig gemacht, aber heute haben wir was gemacht. Ich habe zwei Kinder. An was soll ich glauben, wenn nicht an uns Menschen? Ich werde heute Abend nach Hause gehen, und morgen ist wieder ein Tag. Und ich werde dafür kämpfen, dass jeder jemand ist."

Mendelssohn trifft auf Campino von den Toten Hosen und die Schauspielerin Katharina Thalbach liest Karl Valentin. Regisseurin Maria Schrader, Liedermacher Wolf Biermann, Fernsehkoch Tim Mälzer, Klarinettist Jörg Widmann und die Dirigentin Joana Mallwitz: Sie alle engagieren sich ohne Gage an diesem Abend und positionieren sich gegen Judenhass.

Veranstaltungen
Foto der Besetzung des Theaterstücks "Fremd" © Kerstin Schomburg Foto: Kerstin Schomburg

Schauspiel Hannover: Uraufführung "Fremd" nach Michel Friedman

Ausgrenzung, Judenhass, Rassismus - dem will die Inszenierung von Stephan Kimmig mit einem Gefühl von Gemeinschaft entgegentreten. mehr

Luisa Neubauer liest "Gegen den Hass" von Carolin Emcke

Die Klima-Aktivistin Luisa Neubauer ließ Carolin Emckes Text "Gegen den Hass". Darin heißt es: "Manchmal frage ich mich, wie sie das können: so zu hassen. Wie sie sich so sicher sein können. Denn das müssen die Hassenden sein: sicher. Sonst würden sie nicht so sprechen, so verletzen, so morden. Sonst könnten sie andere nicht so herabwürdigen, demütigen, angreifen. Sie müssen sich sicher sein. Ohne jeden Zweifel." 

Die 102-jährige Margot Friedländer hat im Berlin der Nazizeit diesen Hass kennengelernt und ist dennoch nach langen Jahren der Immigration aus den USA zurückgekehrt. "Als ich zurückgekommen bin in 2010, hätte ich mir nicht vorstellen können, was sich verändert hat. Es war wunderbar, alles war gut. Ich bin entsetzt, was jetzt sich aufgetan hat."

Igor Levit plant mindestens 15 Wiederholungen des Abends 

Eine große poetische Stimme Israels war Jehuda Amichai. Maria Schrader erinnert an ihn mit seinem Gedicht: "Der Ort, an dem wir recht haben". Wolf Biermann widmet sein berühmtes Lied "Ermutigung" den Palästinensern, die mögen sich endlich befreien vom Joch der Unmündigkeit durch die Hamas. Und er warnt: "Du lass nicht verhärten in dieser harten Zeit".

Mindestens 15 Mal will Igor Levit einen Abend dieser Art deutschlandweit organisieren. Er wird hassende Dumpfbacken und die üblichen Ja-aber-Abwiegler nicht klüger machen. Aber er zeigt, wie viel politisches Engagement in der Kulturszene möglich ist. 

Weitere Informationen
Pianist Igor Levit und Sängerin Efrat Alony spielen auf der Bühne der Elbphilharmonie. © Georg Wendt/dpa

Elbphilharmonie: Igor Levits Konzert gegen wachsenden Antisemitismus

Der Abend am Montag war Teil einer Konzertreihe, die der Pianist vor einiger Zeit ins Leben gerufen hat - weil er merkte, dass niemand sonst sie machte. mehr

Amelie Deuflhard, Intendantin der Kulturfabrik Kampnagel, aufgenommen am Rande einer Pressekonferenz. © picture alliance/dpa | Daniel Reinhardt Foto: Daniel Reinhardt

Nahost-Konflikt: "Ich muss mich nicht auf die Seite einer Partei schlagen"

Wie steht es um die Haltung zum Antisemitismus im Kulturbetrieb? Ein Gespräch mit der Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard. mehr

Ulrich Kühn © NDR Foto: Christian Spielmann

Nachgedacht: Antisemitismus ist niemals diskutabel

Seit Tagen ist offensichtlich, dass es in Deutschland manifesten Antisemitismus gibt. Manche sagen, das sei nicht so neu. Ulrich Kühn fragt dennoch: Wie kann das sein? mehr

Ein Schüler meldet sich während des Unterrichts. © picture alliance/dpa Foto: Frank Rumpenhorst

Der einseitige Blick auf Israel: Antisemitismus unter Muslimen

Der Islamwissenschaftler Michael Kiefer fordert pädagogische Präventionsprogramme für Schülerinnen und Schüler. mehr

Holocaust Zeitzeuge Ivar Buterfass spricht zu Schülerinnen über seine Geschichte. © Screenshot
3 Min

Holocaust-Überlebender Ivar Buterfas spricht in Braunschweig

Als einer der letzten Zeitzeugen erzählte der 90-Jährige am Lessinggymnasium von seinem Leben in der NS-Diktatur. 3 Min

Fachtagung der Deutschen Islam Konferenz 2023 im Bundesinnenministerium in Berlin. © picture alliance / epd-bild Foto: Christian Ditsch

Islam Konferenz: Dialog über Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit

Ein wichtiges Ziel der Tagung ist, in den Dialog zu kommen. Ein Gespräch mit der ARD-Korrespondentin Eva Huber. mehr

Jakob Baier © Jakob Baier

Antisemitismus: Das Schweigen der Clubszene zum Nahost-Konflikt

Ein Gespräch mit dem Politikwissenschaftler Jakob Baier, der zum Thema Antisemitismus im Kulturbetrieb forscht. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 28.11.2023 | 07:40 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Klassik

Rock und Pop

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Porträt von Philipp Schmid © NDR Foto: Sinje Hasheider

Philipps Playlist

Philipp Schmid kennt für jede Lebenslage die richtige Musik. Egal ob Pop, Klassik oder Jazz. Träumt Euch zusammen mit ihm aus dem Alltag! mehr

Peter Urban © NDR Foto: Andreas Rehmann

Urban Pop - Musiktalk mit Peter Urban

Spannende Stories, legendäre Konzerte, bewegende Begegnungen: Peter Urban hat viel erlebt und noch mehr zu erzählen. mehr

Mehr Kultur

Charlie Hübner sitzt an einem Tisch. © Thomas Aurin

Charly Hübner als wandelbarer Antiheld in "Late Night Hamlet"

Munteres Late Night Geplauder trifft auf Shakespeare-Drama - so das Setting für den Solo-Abend im Schauspielhaus Hamburg. mehr