Berliner Solidaritätskonzert von Igor Levit in ARD Mediathek
Pianist Igor Levit hat am Montag ein großes Solidaritätskonzert unter dem Motto "Gegen das Schweigen. Gegen Anstisemitismus" am Berliner Ensemble auf die Beine gestellt. Es steht in der ARD Mediathek - in voller Länge.
Mit dabei waren etwa Campino, Maria Schrader, Joanna Mallwitz, Wolf Biermann und Michel Friedman. Zuvor hatte Levit in Interviews einen Mangel an Empathie gerade auch im Kulturbetrieb beklagt. In viereinhalb Minuten waren die über 700 Plätze des Berliner Ensembles verkauft. Jede Künstlerin, jeder Prominente des Abends hätte das auch mit einem Soloprogramm geschafft, allen voran der Pianist Igor Levit. Gemeinsam aber haben sie alle in knapp vier Stunden eine überwältigende Kraft entwickelt, nach so vielen Wochen des Schweigens der Mehrheit und der Hassparolen gegen Juden.
Michel Friedman: "Wochenlang war die große Öffentlichkeit nicht da"
Der Publizist Michel Friedman hat mit Levit zusammen in wenigen Tagen diese erste große Solidaritätsveranstaltung der Kulturszene organisiert. "Wir sind heute hier zusammengekommen, weil wir gespürt haben, dass es Menschen in unserem Land gibt, die sagen: Einige sind niemand", so Friedman. "Und weil wir dafür stehen, dass jeder jemand ist und weil wir wissen, wie wir auch irgendwann ein Niemand sein können. Und dass wir uns brauchen und dass wir uns aufeinander verlassen können müssen. Vielleicht ist es dieses Mal nicht so gut gelaufen. Wochenlang war die große Öffentlichkeit nicht da, die Theater und die Kunst haben sehr wenig gemacht, aber heute haben wir was gemacht. Ich habe zwei Kinder. An was soll ich glauben, wenn nicht an uns Menschen? Ich werde heute Abend nach Hause gehen, und morgen ist wieder ein Tag. Und ich werde dafür kämpfen, dass jeder jemand ist."
Mendelssohn trifft auf Campino von den Toten Hosen und die Schauspielerin Katharina Thalbach liest Karl Valentin. Regisseurin Maria Schrader, Liedermacher Wolf Biermann, Fernsehkoch Tim Mälzer, Klarinettist Jörg Widmann und die Dirigentin Joana Mallwitz: Sie alle engagieren sich ohne Gage an diesem Abend und positionieren sich gegen Judenhass.
Luisa Neubauer liest "Gegen den Hass" von Carolin Emcke
Die Klima-Aktivistin Luisa Neubauer ließ Carolin Emckes Text "Gegen den Hass". Darin heißt es: "Manchmal frage ich mich, wie sie das können: so zu hassen. Wie sie sich so sicher sein können. Denn das müssen die Hassenden sein: sicher. Sonst würden sie nicht so sprechen, so verletzen, so morden. Sonst könnten sie andere nicht so herabwürdigen, demütigen, angreifen. Sie müssen sich sicher sein. Ohne jeden Zweifel."
Die 102-jährige Margot Friedländer hat im Berlin der Nazizeit diesen Hass kennengelernt und ist dennoch nach langen Jahren der Immigration aus den USA zurückgekehrt. "Als ich zurückgekommen bin in 2010, hätte ich mir nicht vorstellen können, was sich verändert hat. Es war wunderbar, alles war gut. Ich bin entsetzt, was jetzt sich aufgetan hat."
Igor Levit plant mindestens 15 Wiederholungen des Abends
Eine große poetische Stimme Israels war Jehuda Amichai. Maria Schrader erinnert an ihn mit seinem Gedicht: "Der Ort, an dem wir recht haben". Wolf Biermann widmet sein berühmtes Lied "Ermutigung" den Palästinensern, die mögen sich endlich befreien vom Joch der Unmündigkeit durch die Hamas. Und er warnt: "Du lass nicht verhärten in dieser harten Zeit".
Mindestens 15 Mal will Igor Levit einen Abend dieser Art deutschlandweit organisieren. Er wird hassende Dumpfbacken und die üblichen Ja-aber-Abwiegler nicht klüger machen. Aber er zeigt, wie viel politisches Engagement in der Kulturszene möglich ist.