Schauspiel Hannover: Uraufführung "Fremd" nach Michel Friedman
Publizist Michel Friedman hat sein Buch über das Aufwachsen eines jüdischen Kindes in Deutschland "Fremd" benannt. Am Freitag kommt der Text erstmals auf die Bühne - unter Stephan Kimmigs Regie.
"Lerne, überlebe, lerne, hole auf, sie rennen, immer schneller, weiter als du." Probenszene
Mehr lernen, schneller rennen, besser sein als die anderen. Das rät der Vater seinem Kind, das in einem neuen Land ankommen soll, in Deutschland, dem Land der Mörder seiner Familie. Zwei Frauen und zwei Männer sprechen das, was Michel Friedman in ungereimten Versen verfasst hat. Wie Mosaiksteine setzen sich Erinnerungen, die kurz aufscheinen, zu einem Bild der Entfremdung zusammen.
Für den Schauspieler Max Landgrebe, der selbst jüdische Vorfahren hat, die von den Nationalsozialisten verfolgt wurden, ist es ein Herantasten: "Mich leitet der Versuch, zu gucken, was dieser Text in dem Moment, wo ich ihn erfahre, indem ich ihn lese und dann indem ich ihn spreche, mit mir macht und was ich damit assoziiere."
Räume der Angst
Das Heimatlose, das Michel Friedman in "Fremd" beschreibt, spiegelt sich auch im Bühnenraum von Katja Haß wider: eine lange Fensterfront dominiert den Raum, rechts ein Vorhang, ab und an formen Licht und Schatten die Szene zu einem Schulhof, einer Einkaufssituation. Erinnerungen an die engen Schleusen der Passkontrolle zu DDR-Zeiten werden wach.
Räume der Angst des Künstlers Gregor Schneider hätten das Team inspiriert, sagt Regisseur Stephan Kimmig: "Man kann den Text nicht in ungewöhnlichen Theatersets nachstellen, sonst wäre die Poesie sehr schnell kaputt und diese unglaubliche Brüchigkeit, die da drin ist."
"Erst Gewalt, dann Hass, dann Worte, leere Worte, wie lange noch, wie oft noch, hilflos? Nein, nein, schreit es in dir, Stille." Probenszene
Inszenierung erzeugt ein Gefühl von Gemeinschaft
Ausgrenzung, Judenhass, Rassismus - dem will die Inszenierung mit einem Gefühl von Gemeinschaft entgegentreten. Das lotet die Uraufführung aus, indem auch der Zuschauerraum beleuchtet bleibt. Nicht mit dem moralischen Zeigefinger, nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe sollen die Grenzen vom "Sie" und vom "Wir" verhandelt werden.
Da sitzen Menschen, nicht Vertreter einer Religion, sagt Michel Friedman am Rande der Proben: "Man muss verstehen, dass es sich um Menschen handelt. Das, was die Hamas gemacht hat, war genau die Trennung zwischen dem Menschen und dem Juden. Wenn man nur den Juden tötet und wenn es heißt: 'Tötet den Juden' - dann entmenschlicht man den, den man tötet. Man nimmt ihm die Menschlichkeit weg. Das haben die Nazis mit den Nummern gemacht."
Was kann der Einzelne schon tun?, fragt Michel Friedman im Buch. Viel, wie das Beispiel Oskar Schindlers zeige, durch den seine Eltern und seine Großmutter überlebt haben, sagt er in Hannover. Jetzt müsse sich die Gesellschaft stark machen. Welchen Anteil die Theaterbühne dabei übernehmen kann, das wird sich zeigen.
Schauspiel Hannover: Uraufführung "Fremd" nach Michel Friedman
Ausgrenzung, Judenhass, Rassismus - dem will die Inszenierung von Stephan Kimmig mit einem Gefühl von Gemeinschaft entgegentreten.
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Schauspielhaus
Prinzenstraße 9
30159 Hannover