Verschobene Preisverleihung an palästinensische Autorin sorgt für Kritik
Die Verschiebung einer Preisverleihung für die palästinensische Autorin Adania Shibli auf der Frankfurter Buchmesse wird heiß diskutiert. Ein offener Brief von internationalen Schriftstellern kritisiert, dass der "Raum für palästinensische Stimmen in der Literatur" geschlossen werde.
Am Freitag hätte Adania Shibli auf der Buchmesse von dem Verein Litprom für ihren Roman "Eine Nebensache" mit dem Liberaturpreis ausgezeichnet werden sollen. Nach dem Terrorangriff der Hamas verschob der ausrichtende Verein Litprom die Preisverleihung an die palästinensische Autorin.
"Diese Engführung zwischen grauenhaften Morden, Massenmorden, bestialischen Taten und dem Buch einer palästinensischen Autorin finde ich gefährlich und wirklich falsch", sagte Eva Menasse im Gespräch mit NDR Kultur. Menasse zählt zu den Unterzeichnern eines Offenen Briefes von über 1.200 internationalen Kulturschaffenden, Autorinnen und Autoren. Diese kritisieren die Verschiebung der Preisverleihung und dass der "Raum für palästinensische Stimmen in der Literatur" geschlossen werde. Die Nobelpreisträger Abdulrazak Gurnah, Annie Ernaux und Olga Tokarczuk unterschrieben den Brief ebenfalls.
Kritik auch von Salman Rushdie
Bei seinem Besuch auf der Frankfurter Buchmesse äußerte sich Rushdie kritisch zur Verschiebung der Preisverleihung an die palästinensische Autorin. Er kenne ihr Buch nicht, sagte Rushdie, hoffe aber, dass "Verschiebung" kein Euphemismus sei für "«Absage" und die Ehrung bald nachgeholt werde, "zum Beispiel morgen." Am Sonntag erhält Rushdie in der Frankfurter Paulskirche den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
Verein hält an Preisvergabe fest, sieht Verschiebung gerechtfertigt
Der Verein Litprom betonte in einem Statement, dass er an der Preisvergabe für die Autorin festhalte. Die Veranstaltung werde zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt, derzeit sei niemandem zum Feiern zumute. "Die Preisvergabe an Adania Shibli stand zu keinem Zeitpunkt in Frage. Die in Teilen der Presse erhobenen Vorwürfe und Diffamierungen gegen die Autorin und den Roman weist Litprom entschieden und als inhaltlich nicht begründet zurück."
"Eine Nebensache" schildert Ermordung eines Beduinenmädchens durch israelische Soldaten
Der Roman besteht aus zwei Teilen: Der erste basiert auf einer wahren Begebenheit, der Vergewaltigung und Ermordung eines Beduinenmädchens durch israelische Soldaten in der Negev-Wüste im August 1949. Im zweiten Teil versucht Jahrzehnte später eine junge Frau aus Ramallah, mehr über den Vorfall herauszufinden. "Wenn das Buch vor diesem Anschlag preiswürdig war - und ich halte es für ein hervorragendes literarisches Werk - dann ist es das auch nach diesem Anschlag", sagte Menasse im Gespräch mit NDR Kultur. Sie selbst störe gar nicht so sehr die Verschiebung der Preisverleihung an sich. "Ich stelle nur fest, dass das Klima vergiftet ist. Diese Sachen werden nicht mehr mit ruhiger Hand entschieden."
Der Direktor der Frankfurter Buchmesse und Vorsitzende des Vereins Litprom Juergen Boos verteidigte die Verschiebung der Verleihung bei der Eröffnung am Dienstag. Es sei auch darum gegangen, Autoren "vor einer Hetzmasse zu schützen", sagte Boos.
Shibli scheitert mit Verbotsantrag gegen taz vor Gericht
Die taz hatte einen kritischen Artikel zu Shibli's Roman veröffentlicht. Unter anderem hieß es darin: „In diesem Kurzroman sind alle Israelis anonyme Vergewaltiger und Killer, die Palästinenser hingegen Opfer (…). Die Gewalt gegen israelische Zivilisten kommt wohl auch deshalb nicht vor, weil sie als legitimes Mittel im Befreiungskampf gegen die Besatzer gilt.“ Shibli wollte diese und andere Passagen verbieten lassen.
Das Landgericht Hamburg wertete die Äußerungen der taz als zulässige Meinungsäußerung. Es stellte fest, dass Literaturkritik pointiert sein dürfe und es sich bei den beanstandeten Passagen um Inhalte des Buches und nicht um Überzeugungen der Autorin handele.