Usedomer Literaturtage: Olga Tokarczuk auf den Spuren von Thomas Mann
Die Usedomer Literaturtage fanden am Pfingstwochenende ihren Abschluss: In Heringsdorf stellte die Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk ihren Roman "Empusion" vor, während die Theologin Margot Käßmann in Ahlbeck und Zirchow über Dörte Hansens "Zur See" predigte.
"Empusion" heißt das neue Buch von Olga Tokarczuk. Der Titel ist eine Wortkreation aus "Empusa", einer antiken weiblichen Schreckensgestalt, und "Symposion", dem Werk von Platon über ein Gelage philosophierender Männer. Die Schriftstellerin las in Heringsdorf aus dem Buch vor.
Eine "natur(un)heilkundliche Schauergeschichte" von Olga Tokarczuk
In dem Roman geht es um einen jungen Mann, Mieczyslaw Wojnicz, mit dem in einem Lungenkurort eine Art Verwandlung beginnt. Die polnische Literaturnobelpreisträgerin hat ihr Buch auch eine "natur(un)heilkundliche Schauergeschichte" genannt. Moderiert hat den Abend der Kulturhistoriker Manfred Osten.
Einmal setzt Osten gerade an und sagt: "Das Interessante an diesem Buch ist, dass der Held Wojnicz in diesen Wald getrieben, gefesselt und den Tunchis ausgeliefert wird, weil sie jährlich einen Mann…" In diesem Moment unterbricht ihn Tokarczuk: "Bitte Manfred, erzähle nicht diese Schlüsselszene!"
"Empusion": Angelehnt an "Der Zauberberg"
Die Tunchis sind Frauenfiguren, die in dem Dorf, in dem sie die Geschichte angesiedelt hat, aus Naturmaterialien bauen. Was dann passiert, ist wirklich ziemlich gruselig. "Ich hoffe, ich verrate nicht zu viel von diesem Buch", so Tokarczuk. "Ich möchte, dass derjenige, der es in die Hand nimmt, am Ende überrascht ist und sagt: What!?!"
"Empusion" ist überdeutlich angelehnt an den Roman "Der Zauberberg" von Thomas Mann. Ein Schlüsselroman ihrer Jugend, sagt die Autorin. Und dass es natürlich so etwas wie eine Parodie sein soll, die sie geschrieben hat, weil ihr erst beim nochmaligen Lesen das merkwürdige Frauenbild des großen Schriftstellers und Literaturnobelpreisträgers aufgefallen sei.
Das Publikum ließ sich mitreißen. "Das war ein sehr schönes Erlebnis, weil es mich auch in meine Jugend zurückgeführt hat”, erzählt eine Frau beim Rausgehen. "Ich habe auch so gern gelesen und es hat mich auf ganz neue Gedanken gebracht. Der Gedanke, welche Rolle die Frau spielt, ist natürlich hochaktuell."
Margot Käßmann predigt über Dörte Hansens "Zur See"
Szenenwechsel: Beim Pfingst-Gottesdienst mit Margot Käßmann in der Ahlbecker und später in der Zirchower Kirche hält die Theologin und Publizistin eine Literatur-Predigt über Dörte Hansens "Zur See".
Die Literaturgottesdienste sind eine Neuerfindung der Usedomer Literaturtage. "Ich freue mich, dass wir diese Premiere durchgeführt haben und es war wirklich sehr bewegend", sagt Thomas Hummel, der Intendant der Usedomer Literaturtage. "Man hat ja auch an den Besuchern des Gottesdienstes gesehen, dass Margot Käßmann großartige Botschaften für uns hat."
Käßmanns Botschaft zu Pfingsten war vor allem ein Aufruf: "In diesem Jahr hat uns beschäftigt, dass die Mitglieder der christlichen Kirchen weniger als 50 Prozent der Bevölkerung in Deutschland ausmachen. Da möchte ich schon sagen: Wir brauchen auch den Mut, von unserem Glauben zu sprechen, dass es braust wie in der Pfingstgeschichte. Die Menschen sollen sich nicht so schamhaft in die Ecke drängen, sondern sagen: Das hält mich, das trägt mich, das gibt mir Lebenskraft."