Terror in Israel: Kultureinrichtungen im Norden solidarisch
In mehreren deutschen Städten haben Kundgebungen gegen den Terror der Hamas stattgefunden. Politiker, Vereine und Verbände solidarisieren sich mit Israel. Und auch Kultureinrichtungen im Norden positionieren sich.
Auch in der Kulturwelt ist das Entsetzen über den brutalen Angriff auf Israel mit hunderten Toten groß. Viele Prominente teilten ihre Gefühle in den Sozialen Medien. Der israelische Mandolinist Avi Avital, der im Norden unter anderem beim Schleswig-Holstein Musik Festival ein gern gesehener Gast ist, brachte seinen Schmerz mit einem gebrochenen Herzen in seiner Instagram-Story zum Ausdruck. Der Pianist Igor Levit postete auf seinem Account: "Mein Menschen-Herz ist gebrochen. Mein jüdisches Herz ist gebrochen. Es ist mir kaum möglich, den Schmerz darüber, was den Menschen in Israel passiert, in Worten auszudrücken."
Die jüdische Autorin Mirna Funk, die seit zehn Jahren neben Berlin auch Tel Aviv ihre Heimat nennt, fand ebenfalls mehr als deutliche Worte in ihrer Instagram-Story: "Das ist 'Free Palastine'. (...) Der Spruch bedeutet Massaker, Vergewaltigungen, Köpfungen, Leichenschändungen, Folter. Er bedeutet eben nicht, was die westliche Welt denkt, wenn sie das Wort 'frei' liest." Die israelisch-US-amerikanische Schauspielerin Natalie Portmann zeigte sich ebenfalls entsetzt über die barbarischen Taten an Kindern, Frauen und alten Menschen. Wonder-Woman-Darstellerin Gal Gadot forderte, die Welt dürfe nicht zusehen, wenn solche Terrorakte verübt werden und Schauspielerin Jamie Lee Curtis, die ebenfalls jüdische Wurzeln hat, konstatierte: "Für Juden in aller Welt wird das Leben nie wieder normal sein. Dies ist unsere neue Normalität. Ich habe keine Worte - nur Tränen und Schmerz."
Villa Seligmann: Es geht darum, Anteilnahme und Betroffenheit zu zeigen
Auch zahlreiche Kultureinrichtungen im Norden haben sich bereits positioniert oder planen, auf die aktuelle Lage einzugehen. Eliah Sakakushev-von Bismarck, Geschäftsführer der Villa Seligmann in Hannover, zeigte sich zutiefst erschüttert. Da sich das Haus vornehmlich jüdischer Musik widme, sei man eng mit Israel verbunden und stehe im ständigen Austausch mit zahlreichen Musikerinnen und Musikern dort: "Sie sind zumindest bisher alle in Sicherheit!". Seine Ehefrau, die Geigerin Caroline von Bismarck, habe eine Reise nach Israel absagen müssen. Obwohl sich die Kultureinrichtung politisch normalerweise eher zurückhalte, gehe es jetzt auch darum, Anteilnahme und Betroffenheit zu zeigen. Das Titelbild der Facebook-Seite des Hauses wurde in eine Israel-Flagge geändert.
Jüdisches Museum Rendsburg: Wir fühlen uns nicht bedroht
Das Jüdische Museum in Rendsburg wird geöffnet bleiben, heißt es auf Nachfrage von NDR Kultur. Museumsleiter Jonas Kuhn und seine Mitarbeitenden fühlen sich durch die schrecklichen Ereignisse in Israel nicht bedroht. In seiner mehr als 30-jährigen Geschichte sei das Haus von antisemitischen Angriffen verschont geblieben. Man befinde sich im engen und angenehmen Austausch mit der Polizei. Bei einer Lesung werde es außerdem die Möglichkeit geben, das aktuelle Geschehen in Israel zu diskutieren. Zu Gast ist Igal Avidan, der aus seinem Buch "Und es wurde Licht" lesen wird. Er legt den Fokus dabei auf positive Beispiele, bei denen jüdisch-arabisches Zusammenleben in Israel bereits funktioniert. Avidan wurde 1962 in Tel Aviv geboren, hat in Israel Englische Literatur und Informatik, in Berlin Politikwissenschaften studiert. Seit 1990 arbeitet der Nahostexperte als freier Berichterstatter aus Berlin für israelische und deutsche Zeitungen und Hörfunksender.
Deutscher Bühnenverein: Auch in unserer Gesellschaft Menschenhass entgegentreten
Der Deutsche Bühnenverein, der Bundesverband der Theater und Orchester, verurteilt die Gewalttaten als feige. Die Gewaltexesse gegen die israelische Bevölkerung seien durch nichts zu rechtfertigen und es sei entsetzlich, dass manche die aktuelle Situation zum Anlass nehmen, antisemitische Hetze in Deutschland zu verbreiten, heißt es in einer Stellungnahme. Auch in unserer Gesellschaft müsse Menschenhass und Antisemitismus entschieden entgegengetreten und die Sicherheit von Jüdinnen und Juden gewährleistet werden. Die Theater und Orchester wollen sich weiter für ein Miteinander in der Gesellschaft einsetzen. Viele Häuser, so zum Beispiel das Ernst-Deutsch-Theater in Hamburg, das Theater Lübeck und das Schauspielhaus Hamburg, haben den Aufruf auf ihren Homepages und in den Sozialen Medien geteilt.
Joachim Lux: "Überfall auf Israel ebenso verbrecherisch wie der auf die Ukraine"
Auch Joachim Lux, Intendant des Thalia Theaters in Hamburg, verurteilt den brutalen Überfall auf Israel. Das bedeute für ihn allerdings nicht, dass man der Regierungspolitik Israels in den vergangenen Jahren zustimmen müsse, sie sei im Land selbst mehr als umstritten. Trotzdem stelle eine kritische Haltung zur Politik des Landes keinerlei Rechtfertigung für einen Angriffskrieg und ein Massaker an der Bevölkerung Israels dar, stellt der Intendant klar. Dem Volk gehöre das tiefste Mitgefühl des Hauses: "Man muss gar nicht die besondere Verantwortung Deutschlands bemühen, um den Überfall auf Israel ebenso verbrecherisch zu finden wie den auf die Ukraine." Gleichzeitig werde auch das palästinensische Volk derzeit zum Spielball der Terrormilizen - das sei das zynische Kalkül der Täter, gibt Lux zu Bedenken. Daher gehöre das Mitgefühl gleichermaßen den Bewohnern von Gaza.
Lux empfindet es als politische Pflicht der Kontrahenten, sich nach über 70 Jahren Unfrieden endlich wechselseitig zu respektieren und Frieden zu schaffen. Dabei verweist er auch auf eine aktuelle künstlerische Kooperation zwischen dem Carl Philipp-Emanuel-Bach-Chor und dem Thalia Theater mit der äußerst selten gespielten Aufführung von Arthur Honeggers "König David" am 22. Oktober. Diese sei zwar schon seit längerem in Planung gewesen, werde in diesen Tagen aber zu einem sehr wichtigen Zeichen. Das Oratorium erinnere schließlich nicht nur an den berühmten Gründungsmythos Israels um König David, sondern stehe in einer schwierigen und bedrückenden Zeit zugleich zu einem Bekenntnis zur Existenz des Staates Israel, so Lux.
Allee Theater Hamburg: für gewaltfreien Austausch von Kulturen, Religionen, Weltanschauungen
Das Allee Theater in Hamburg betont: "Wir setzen uns für einen vielfältigen und gewaltfreien Austausch ein: zwischen Generationen, Kulturen, Religionen, Weltanschauungen - kurzum zwischen allen Menschen.”, so Intendant Marius Adam. Beispielsweise mit der literarisch-musikalischen Veranstaltung "Mein Atem heißt jetzt - Czernowitz - Viersprachenlieder erfüllten die Luft” mit Gustav Peter Wöhler und Maria Hartmann. Diese sei zwar schon länger geplant gewesen, wirke durch die neusten Entwicklungen jedoch aktueller denn je. Im Fokus: die jüdische Lyrikerin Rose Ausländer, ihr Leben im 20. Jahrhundert war geprägt von Krieg, Vertreibung und Verfolgung. Sie wurde in Czernowitz geboren und kehrte als 30-jährige zurück an ihren Geburtsort. Die deutsch-jüdische Kulturmetropole erlebte über 50 Jahre eine Blütezeit und ging dann im Zweiten Weltkrieg unter. Der Abend im Allee Theater behandelt die Erinnerungen an Czernowitz ́ große Kultur und an die Menschen, die dort gelebt haben.
Staatsoper Hamburg: Entsetzen über Terror der Hamas
Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Staatsoper Hamburg zeigen sich entsetzt über den Terror der Hamas und die Angriffe auf Israel: "Wir denken voller Mitgefühl an die Opfer und ihre Angehörigen. Antisemitismus in jeder Form lehnen wir entschieden ab und sehen gerade deutsche Kulturinstitutionen in einer historischen Verantwortung.", heißt es in einer offiziellen Stellungnahme. Gerade erst haben am Haus die Proben zu der Oper "Das Tagebuch der Anne Frank" begonnen, die sich besonders an Jugendliche wendet. Die Beschäftigung mit dem Holocaust sei ein wichtiges Thema der künstlerischen Arbeit. Schließlich arbeiten an der Staatsoper Menschen aus vielen Nationen und Kulturen auf und hinter der Bühne zusammen, alle seien solidarisch mit den Opfern von Krieg und Terror.
Israel-Flagge am Oldenburgischen Staatstheater
Das Oldenburgische Staatstheater zeigt sich solidarisch mit allen Kolleginnen und Kollegen, die zum Beispiel aufgrund ihrer israelischen Herkunft oder freundschaftlichen und familiären Verbindungen betroffen seien und daher zum Teil aktuell nicht an den Proben teilnehmen können. Vor dem Haus werden zurzeit die israelische und die ukrainische Flagge gehisst. Auch das Mecklenburgische Staatstheater wird diese Woche aus Solidarität blau angestrahlt werden. In Planung seien außerdem ein Social-Media-Post und ein Magazinartikel für die Homepage.
Schauspiel Hannover: Podiumsgesprächs zwischen Michel Friedman und Sascha Chaimowicz
Das Schauspiel Hannover zeigt sich in den Sozialen Medien ebenfalls schockiert und fordert, die Spirale von Gewalt und Hass müsse schnellstmöglich beendet werden! Gleichzeitig sei man fassungslos in Anbetracht der Wahlergebnisse der AfD bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen. Sowohl der Krieg in Israel als auch der Umgang mit Rechtspopulismus standen daher am Montagabend im Fokus eines erschütternd aktuellen Podiumsgesprächs zwischen Michel Friedman und Sascha Chaimowicz im Rahmen der neuen Gesprächsreihe "Wir müssen reden". Die Erkenntnis: Demokratie und Frieden seien längst keine Selbstverständlichkeiten mehr. Das Theater sei ein Ort für Austausch, Diskussion und Kontroversen. In diesem Sinne wolle das Schauspiel Hannover auch weiterhin mit künstlerischen Mitteln für Demokratie, Dialog und Frieden eintreten.
Internationale Tage Jüdischer Musik dem Frieden gewidmet
Das Usedomer Musikfestival wird die Internationalen Tage Jüdischer Musik, die in diesem Jahr wieder im November stattfinden werden, dem Frieden für Israel und damit dem Schutzraum der Juden widmen. Aktuell prüfe das Festival, ob beteiligte Künstlerinnen und Künstler betroffen sind. Die Sparte Schauspiel des Theater Lübeck versuche gerade, kurzfristig eine Gesprächsveranstaltung mit einer israelischen Regisseurin auf die Beine zu stellen. Auch das Staatliche Museum Schwerin reagiert kurzfristig und zeigt anlässlich der Kriege in Israel und der Ukraine und aus Solidarität mit den Menschen vor Ort die virtuelle Ausstellung "Kunst gegen den Krieg" mit Werken von Käthe Kollwitz aus der Schweriner Sammlung.
Hochschule für Musik und Theater Rostock: Sorge um Kolleginnen und Kollegen
Auch die Hochschule für Musik und Theater Rostock (hmt) hat ein Statement auf ihrer Homepage veröffentlicht, denn sie verbinde seit über zwanzig Jahren eine künstlerische Partnerschaft mit der Jerusalem Academy of Music and Dance (JAMD), aus der enge persönliche Kontakte gewachsen sind. Entsprechend sei die hmt in der derzeitigen politischen Situation in großer Sorge um die Kolleginnen und Kollegen der JAMD, wie auch um deren Söhne und Töchter, die in die Armee eingezogen wurden. Man sei in Gedanken bei ihnen und hoffe auf eine baldige Befriedung der Region, ist auf der Homepage zu lesen.
Kampnagel: Verharmlosung dieser Gewalt inakzeptabel
Auch die Hamburger Kulturfabrik Kampnagel hat sich auf ihrer Homepage zur aktuellen Lage geäußert. Die Einrichtung verurteile den terroristischen Angriff der Hamas auf Israel und die Ermordung und Entführung von Zivilist:innen aufs Schärfste. Weiter: "Jegliche Form der Unterstützung und Verharmlosung dieser Gewalt weisen wir als vollkommen inakzeptabel zurück." Das Mitgefühl gelte den Angehörigen der Opfer und allen Menschen, die von der Gewalt in der Region betroffen sind. Darüber hinaus sei bereits in Planung, das Thema programmatisch in Form von Veranstaltungsformaten zu verarbeiten, so die Sprecherin des Haus gegenüber NDR Kultur.