Deborah Feldman stellt neues Buch "Judenfetisch" in Hannover vor
Mit dem Buch "Unorthodox" über ihren Ausstieg aus einer Sekte ultraorthodoxer Satmarer wurde Deborah Feldman bekannt. Am Montagabend hat sie ihr neues Buch "Judenfetisch" im Literarischen Salon in Hannover vorgestellt.
Der Andrang war groß in der Universität Hannover. So groß sogar, dass die Lesung von Deborah Feldman in einen größeren Hörsaal verlegt werden musste. Dort hörten etwa 300 Gäste der jungen Autorin gespannt zu. Eigentlich ging es um ihr neues Buch "Judenfetisch". Doch um die aktuellen Ereignisse in Israel kam sie natürlich nicht herum. Erstarrt sei sie, als sie vom Ausbruch des Krieges erfahren habe, erzählte sie. Ein Gefühl der Ohnmacht, gepaart mit der Sorge um Freunde und Bekannte. Und dann: Wut. "Diese Menschen, die im Süden bei diesem Musikfestival gefeiert haben, die waren säkulare Juden", erklärte Feldman. "Die Einheiten, die diese Grenze zu Gaza eigentlich schützen sollten, die wurden kurzfristig in die West Bank versetzt, wo die Orthodoxen in ihren Siedlungen feiern wollten. In dem Land Israel gibt es schon eine klare Trennlinie, und manche Menschen werden anscheinend für weniger schützenswürdig als andere gehalten."
Mit Erzählen der Machtlosigkeit entgegenwirken
Eine Analyse, die Feldman selbst zu schaffen macht. Denn natürlich weiß sie, dass derlei Ansichten und Einsichten von einigen Teilen der jüdischen Gesellschaft kritisch gesehen werden. "Ich habe echt Schwierigkeiten gehabt, mich wieder zu fassen, und hierher zu kommen. Aber, ich versuche immer irgendwie gegen diese Machtlosigkeit anzugehen," so die Autorin. "Das einzige, was ich persönlich als Individuum machen kann, ist: Ich kann erzählen, ich kann diskutieren. Ich würde zu vielen Leuten einen Gefallen tun, wenn ich damit aufhöre." Daraufhin applaudierte die Menge.
Feldman: "Identitäten werden uns heute leider immer noch auferlegt"
So wurde aus der Lesung eine kritische Analyse der jüdischen Gegenwart. Ihre klare Haltung beeindruckte die Zuhörerinnen und Zuhörer im Saal. Es gab zwar ein paar Mal Zwischenapplaus, doch ansonsten herrschte konzentrierte Stille. Die war auch nötig, denn Deborah Feldman trug ihre Gedanken klar, aber auch schnell vor. Was es nicht immer leicht machte, ihren Ausführungen zu folgen. So wehrte sie sich in ihrem Buch gegen eine ihrer Ansicht nach aufgestülpten Identität als Jüdin: "Ich bin Jüdin nur entsprechend der Bezeichnung. Meine Identität existiert eigentlich nur im Akt ihrer Zuschreibung". Da habe sich seit dem zweiten Weltkrieg wenig verändert. "Auch damals hatten die Menschen kaum eine Wahl, ihre Identitäten selbst zu bestimmen. Heute werden sie einem im Namen der Wertschätzung und Pluralität leider immer noch auferlegt", meint Feldman. "Ein Mensch sollte frei sein, seine Identität in der Mehrheitsgesellschaft auszuleben. Aber sollte er oder sie nicht auch frei sein, diese abzustreifen, wenn ihm oder ihr danach ist?"
Feldman wirft unbequeme Fragen auf
Eine von vielen Fragen, die Deborah Feldman stellte. Sie will anecken, sie will Menschen bewegen. Und wenn sie sagte "meine Großeltern haben nicht überlebt, damit wir uns das Leben verwehren", ist das nicht nur ein Seitenhieb in Richtung ihrer ultraorthodoxen Vergangenheit. Es ist auch eine Aufmunterung, sich mit einer jahrtausendealten Religion der Gegenwart zu stellen, statt sich mit Verweis auf Traditionen allem gegenüber abzuschotten. Mit ihrem Buch "Judenfetisch" setzt Feldman den Bohrer an dicke Bretter. Das ist ihr bewusst. "Das dauert manchmal Jahre und Jahrzehnte. Aber dann fängt es an. Und ich weiß aus meiner eigenen Erfahrung, dass Bücher mit einem sowas machen können", so Feldman bei der Lesung. "Sie können einen über lange, lange Zeit verändern. Ich habe gehofft, dass ich mit so einem ganz kleinen Schmetterling doch etwas verändern kann."
Durchmischte Reaktionen im Publikum
Nach kaum 80 Minuten war der Abend mit Deborah Feldman schon vorbei. Das Publikum nahm viele Gedanken mit nach Hause. Eine Dame aus dem Publikum meinte: "Ich habe mich vorher ehrlich gesagt noch nie so konkret oder so differenziert mit Israel befasst. Irgendwie hat mir das doch auch mal die Augen geöffnet." Einer anderen Zuhörerin war das noch nicht genug Tiefgang: "Wir haben gerade gesagt, dass wir es nur angerissen fanden und uns noch nicht so ganz klar ist, worum es in dem Buch tatsächlich geht, außer um die ganzen Fragen. Wir müssen uns da nochmal mit beschäftigen." Ein Zuhörer äußert sich beeindruckt: "Das, was sie hinter sich hat, den Sprung aus einer Welt, die, wie sie selbst sagt, nicht mehr in unsere passt, nun in unsere heutige - das find ich ganz spannend."