Plattdeutsch trifft auf Kölsch: Timsen und Niedecken im Duett
Wolfgang Niedecken singt auf Kölsch, Timsen von Santiano auf Platt. Für beide bedeutet der Dialekt ein Stück Heimat, ein Begriff, den sie sich zurückerobern wollen. Nun singen sie einen kölschen Song auf Plattdeutsch.
Zwei Männer mit Hits in ihrer Muttersprache: Wolfgang Niedecken von BAP und "Timsen" von Santiano. Nun haben sie gemeinsame Sache gemacht. Denn Sprache, Dialekt, das ist für sie ein wichtiges Stück Identität.
Dialekt wird zum Trend
"Jeder braucht etwas, wo er sich fallen lassen kann, wo er sich zu Hause fühlt. Sprache bietet auf jeden Fall Heimat", sagt Wolfgang Niedecken. Das sei schön wichtig.Und Hans-Timm Hinrichsen, besser bekannt als Timsen, fügt hinzu: "Ich finde Dialekt, Mundart, Plattdütsch, das ist auch Identifikation." Die beiden verstehen sich.
Als der Norddeutsche Timsen eine CD in "seiner Muttersprache" machen wollte, rief er den Kölsch-Sprachler an - und begeisterte ihn für sein Plattdeutsch. Gemeinsam haben sie den alten BAP-Hit "Aff und zo" aus dem Jahr 2001 neu interpretiert. Damit liegen sie voll im Trend.
Junge Leute interessieren sich für Platt
Christian Richard Bauer ist Schauspieler und Spezialist für niederdeutsche Sprache. Er stellt immer wieder fest, dass Mundart sogar auf TikTok und an Unis Zulauf hat. Ständig bekomme er Anfragen, von jungen Leuten, die ihre Masterarbeit über Platt schrieben oder an einer Doku darüber arbeiteten. "Irgendwas muss da sein", stellt er fast überrascht fest.
Mit dem Ohnsorg Theater erfand Christian Richard Bauer "Platt2Go" fürs Netz, mit humorigen Sketchen - etwa über die ganze Schönheit des Schimpfens.
Dialekt ist ehrlich und direkt
Eine wahre Botschafterin ihrer Muttersprache ist auch Ina Müller. Sie drückt Gefühle aus und das geht auf Platt ganz wunderbar, wie Christian Richard Bauer weiß: "Plattdeutsch ist musikalischer, es ist direkter und es ist bildhafter." Vor allem ist es nicht so akademisch. Er vergleicht das Platt mit einem Wildbach, das Hochdeutsch mit einem begradigten Fluss.
Platt gesungen oder gesprochen, das hat auch mit dem aktuell oft missverstandenen Begriff "Heimat" zu tun. Den beiden Musikern ist das durchaus bewusst. "Wenn die Rechten den Heimat-Begriff für sich reklamieren, dann muss man sagen: 'Nee, nee, der gehört nicht Euch'", sagt BAP-Sänger Niedecken. Timsen verbindet mit dem Begriff sowieso vor allem das Gefühl von Geborgenheit und einen Ort, wo die Menschen zueinander stehen.
Dialekt erzählt viel über die Menschen, die ihn sprechen
Emotionen wie Leid, Glück oder Liebe lassen sich in jedem Dialekt ausdrücken, aber regional mit eigenen Ausprägungen. "Das Verb lieben wäre leven", erklärt Niederdeutsch-Spezialist Bauer. Doch das sagt man nicht. Stattdessen heißt es: Ich heff die leev. "Du merkst, welche Leute diese Sprache geprägt haben. Das sind Leute, die nicht so viel reden und die auch nicht so emotional sind, wie beispielsweise die Spanier."
Im alten neu-getexteten BAP-Hit "Aff und to" wechselt Kölsch mit Plattdeutsch. Da prallen Welten aufeinander, könnte man meinen. Doch ob Platt oder Kölsch - es bleibt die Erkenntnis: Mundart, das ist die Sprache der Seele.
