Elbphilharmonie: Igor Levits Konzert gegen wachsenden Antisemitismus
"Gegen das Schweigen. Gegen Antisemitismus." - das ist der Titel einer Konzertreihe, die Igor Levit ins Leben gerufen hat. Am Montag hat er zusammen mit Gästen wie Wolf Biermann, Dirk von Lowtzow und Efrat Alony in der Elbphilharmonie gespielt.
Igor Levit eröffnet das Konzert mit Chopin. Es ist ein bewegender Einstieg in einen Abend, der sehr nachdenklich macht. Antisemitismus, Judenfeindlichkeit, gar Judenhass, werde zunehmend spürbar in Deutschland. Das sei nach dem Angriff auf Israel besonders stark zu spüren gewesen, sagt Igor Levit. So kann es nicht weitergehen, habe er sich gedacht.
Engagement gegen Antisemitismus: "Wo sind diese Veranstaltungen?"
Levit erzählt: "Den Abend gibt es, weil Michel Friedman und ich vergangenen Januar in Berlin zusammensaßen und uns fragten: Wo sind eigentlich diese Veranstaltungen? Diese Veranstaltungen, die es nach Anschlägen gegen andere Gruppierungen in der Welt ja gab in Deutschland. Wo sind sie?" Etwas flapsig habe er nach dem ersten Abend in Berlin gesagt, dass daraus nun eine Reihe werde, mit einem Konzert in jedem Bundesland. Ein Mammutprojekt, das so zunächst nicht geplant gewesen sei.
Der Abend in Hamburg ist sehr abwechslungsreich. Nach Chopin spielt er zusammen mit der Sängerin Efrat Alony Jazzvariationen auf Georg Friedrich Händel. Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo liest Briefe von Leserinnen und Lesern vor, die auf Levits Frage, wo die Solidarität zu den Juden in Deutschland bleibe, reagieren. Auch Rockstar Thees Uhlmann und die Rap-Combo Antilopen Gang sind gekommen.
Wolf Biermann: "Das berührt mein Herz"
Tocotronic-Musiker Dirk von Lowtzow spielt Gitarre, genauso wie Liedermacher Wolf Biermann. "Ich wurde als Judenkind geboren, was 1936 ja sehr ungesund war", erzählt Biermann. "Alles, was im Nahen Osten passiert, und als Kollateralkatastrophe hier in Deutschland passiert mit dem Antisemitismus, das berührt mein Herz."
Berührend ist auch ein Vortrag, den der Publizist Michel Friedman hält. Er würde manchmal weinen, angesichts der Lage der Welt. "Aber dann denke ich an Menschen, die vor weniger Zeit etwas Großartiges gedacht haben, etwas Einmaliges, noch nie Dagewesenes - die Menschenrechte: die Freiheit, Gleichheit aller Menschen! Alle, die hier sitzen, sind gleich."
Alle Künstlerinnen und Künstler an diesem Abend verzichten auf ihre Gage. Die Einnahmen werden gespendet. Zum einen an die Stiftung Bornplatzsynagoge, die sich für den Neubau des Gotteshauses einsetzt, das bei den Pogromen am 9.November 1938 zerstört wurde. Außerdem geht Geld an den Verein OFEK, eine Beratungsstelle bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung.
Igor Levit: "Es tut gut, nicht allein zu sein"
Es ist ein ziemlich langer und intensiver Abend - dreieinhalb Stunden mit einer kurzen Pause. Aber erschöpft sei er von solchen Konzerten nicht, sagt Igor Levit. Im Gegenteil: "Kurzfristig sind das Momente, wo die Menschen, die im Publikum sitzen und die, die auf der Bühne stehen, ein Stück weit ihre Batterien wieder aufladen können. Es tut gut, nicht allein zu sein, es tut gut, Emotionen zu teilen. Das ist schon eine ganze Menge. Wenn wir das gemeinsam erreichen können, haben wir schon sehr viel erreicht."
Am Ende gibt es lange stehende Ovationen für alle Beteiligten. Geschwiegen wird an diesem Abend nicht. Es ist ein lauter Appell gegen das Wegsehen.