"Sultanas Traum": Feministisches Sci-Fi-Buch wird zum Animationsfilm
Der Animationsfilm "Sultanas Traum" von Isabel Herguera verfilmt eine feministische Sci-Fi-Utopie von 1905. Die Kölner Professorin für Animation Herguera stellte ihn im Herbst beim Filmfest Hamburg vor. Nun startet er der außergewöhnliche Film im Kino.
Die Geschichte der Entstehung eines Leinwanddebüts ist oft mindestens ebenso spannend und vielseitig, wie der fertige Film. In "Sultanas Traum" erzählt die 1961 in San Sebastián (Spanien) geborene Professorin für künstlerische Animation an der Kunsthochschule Köln Isabel Herguera drei Geschichten.
Einerseits, wie sie bei einem ihrer Aufenthalte in Indien auf die feministische Sci-Fi-Erzählung von Rokeya Hossain von 1905 stieß, wer diese verheiratete Autorin aus Bangladesh (mit eigenem Feiertag!) überhaupt war und deren Vision, in der Hossain das feministische Land "Ladyland" schuf, wo Frauen alle wichtigen Ämter des Landes bekleiden und die Männer in einem abgesperrten Bereich leben. Die Geschichte trägt den Untertitel "The terrible vengeance on men" (die furchtbare Rache an Männern). Also auf eine Art eine Vorgeschichte zum dem Kinoerfolg des Jahres 2023, "Barbie", nur eben am Anfang des letzten Jahrhunderts.
Erster Animationfilm im Wettbewerb des Filmfests San Sebastián
NDR Kultur hat die Grafik-Professorin und Regisseurin beim Filmfest San Sebastián getroffen, wo "Sultanas Traum" als erster Animationsfilm überhaupt in 71 Jahren um die Goldene Muschel, den Hauptpreis Concha de Oro, konkurrierte. Bei der Preisverleihung erhielt der Film den Drehbuchpreis Irizar für baskisches Kino. In der Festivaljury saßen unter anderem der deutsche Filmemacher Christian Petzold ("Roter Himmel") und die französische Regisseurin Claire Denis.
"Eine Frau, die ein Raumschiff pilotiert"
Sie habe das Buch 2012 in New Delhi entdeckt, erzählt Herguera. "Es hat geregnet und ich hatte mich in eine Kunstgalerie geflüchtet. Dort habe ich das Buch entdeckt, mit einem roten Cover. Es hatte eine wunderschöne Illustration: eine Frau, die ein Raumschiff pilotiert." Der Titel lautete "Sultanas Traum, eine feministische Utopie". Das Buch hatte Begun Rokeya Hossain geschrieben - eine Frau, die keine formale Ausbildung erhalten hatte.
"Dabei habe ich an meine Großmutter mit Jahrgang 1900 gedacht. Und an meine Mutter und andere Frauen, die vor mir gekommen sind. Ich habe mich in einer Sekunde in das Buch verliebt," so Herguera. So ist nun ihr Kino-Langfilmdebüt entstanden, das von der Moin Filmförderung mit gefördert wurde. Zuvor hat die Spanierin bereits Kurzfilme gedreht.
"Die Utopie handelt von Rokeya. Sie wacht eines Tages auf, weil jemand sie einlädt, die ideale Welt der Frauen kennenzulernen. Sie verhüllt sich, doch ihr wird gesagt, das sei in dieser Welt nicht nötig, die Männer seien eingesperrt - als Folge eines langen Krieges". Die Geschichte handele etwa auch von technischen Erfindungen, etwa Solarenergie - und andere Techniken, die heute eingesetzt werden. "Ich war fasziniert, wie hat Rokeya sich 1905 ausdenken können, dass die Sonne Energie generiert? Wie damals Jules Verne?".
Isabel Herguera: "Habe mir früher auch ideale Welt mit Barbie gebaut"
Dass Rokeya praktisch die Filmgeschichte von "Barbie" vor mehr als 100 Jahren vorweggenommen hat, war der Regisseurin beim Verfilmen von "Sultanas Traum" nicht bewusst. Sie hat Greta Gerwigs Film nicht einmal gesehen. "Ich will es aber unbedingt. Ich habe früher auch mit Barbies gespielt und mir meine ideale Welt gebaut. Dort gab es keinen Ken. Meine Welt bestand damals nur aus Frauen", erinnert sie sich im Gespräch in San Sebastián.
Die drei Teile von "Sultanas Traum" sind unterschiedlich gezeichnet und daher leicht voneinander zu unterscheiden. Die Mini-Biografie über die Autorin Rokeya sieht aus wie Scherenschnitte, eine typische Technik aus dem indischen Kino - und erinnert in der Machart an die Filme der Pionierin des Kinos, Lotte Reiniger. "Ich liebe ihr Kino, sie war eine große Inspiration für mich. Ihretwegen haben wir die Figuren so ausgeschnitten, wie sie jetzt im Film zu sehen sind." Am Kinofilm haben viele Frauen in Indien mitgewirkt, unter anderem haben sie für ein Kapitel die traditionelle Henna-Tupftechnik namens Mehndi für temporäre Tattoos genutzt.
Deutschlandpremiere beim Filmfest Hamburg am 5. Oktober
Dass ihr Film nun auf mehreren Festival läuft, zeige: "Die Animation etabliert sich gerade im Mainstream des Kinos", so Herguera. Der Japaner Hayao Miyazakhi habe damals das Eis gebrochen bei der Berlinale und mit der Oscar-Nominierung für "Chihiros Reise ins Zauberland", danach kam "Walz with Bashir". "Langsam wird allen klar, dass Animation ein genauso gültiges Medium ist, um Geschichten zu erzählen, wie das reale Bild". Ihren Studierenden bringt sie vor allem bei, in der Kunst total frei zu sein. "Dafür ist die Kunst da, um das auszudrücken, was man sich sonst nicht traut, in Worten zu sagen."
Am 5. Oktober feierte "Sultanas Traum" Deutschlandpremiere beim Filmfest Hamburg im Kino Passage in Anwesenheit der Regisseurin Isabel Herguera. Seit 7. März läuft "Sultanas Traum" (80 Minuten) bundesweit im Kino.