"Nosferatu": Robert Eggers über deutsche Wurzeln seines Vampirfilms
US-Regisseur Robert Eggers bringt diese Woche seine Version von Murnaus Stummfilmklassiker "Nosferatu" mit dem gleichnamigen Remake ins Kino. Er hat dafür viel in Norddeutschland recherchiert, wie der passionierte Künstler im NDR Kultur Interview erzählt.
Seit seiner Kindheit will US-Regisseur Eggers ("The Witch", "The Lighthouse", "The Northman") seine Version des Vampir-Stummfilm-Horrorklassikers "Nosferatu" von 1922 ins Kino bringen. Endlich ist es ihm gelungen - mit einem tollen Ensemble rund um Nicholas Hoult, Lily-Rose Depp, Willem Dafoe und Bill Skarsgård als Vampir Orlok. Der neue Horrorfilm ist natürlich auch eine Hommage an Friedrich Wilhelm Murnau.
Fast hätte Eggers Vampirfilm Premiere in Norddeutschland gefeiert, wie der Filmemacher im NDR Kultur-Gespräch erzählt: "Wir haben Wismar und Stade und Lübeck lange in Betracht gezogen, auch Bremen und Gdansk, um Wisborg darzustellen. Der Verleih hat wohl versucht, eine Premiere in Lübeck zu organisieren. Das wäre auch wegen der Dreharbeiten Murnaus am Originaldrehort in Lübeck toll gewesen", meint Eggers. Das habe zwar nicht geklappt, aber "nun haben wir in Berlin Weltpremiere gefeiert, wo das Original uraufgeführt wurde".
"Nosferatu"-Remake: Geschichte der Recherche in Norddeutschland
Murnau hat vor fast genau 103 Jahren seinen Film "Nosferatu - Sinfonie des Grauens" im Kino uraufgeführt, im März 1922 lief er in einem Saal des Berliner Zoos. Gedreht wurde er - als einer der ersten Stummfilme - in Außenaufnahmen unter anderem an einigen Orten in Norddeutschland, darunter in Wismar (das als das fiktive Wisborg diente), ebenso im Salzspeicher von Lübeck, in Stralsund und in Stade.
All diese norddeutschen Orte hat auch der heute 41-jährige US-Regisseur und Drehbuchautor Robert Eggers besucht und dort an Original-Drehorten die Spuren Murnaus recherchiert. "Recherche ist meine absolute Lieblingstätigkeit. Ich bin davon besessen, alles historisch genau so perfekt wie möglich zu erzählen und zu zeigen." Er wisse zwar genau, dass das unmöglich sei, versuche es aber trotzdem.
"Ich habe in allen vorhandenen Schriftstücken aus Murnaus Nachlass recherchiert. Daraus wird klar, dass Murnaus 'Nosferatu - Symphonie des Grauens' nicht expressionistisch angelegt war, sondern der Romantik zuzuordnen ist. Man erkennt in seinem Werk etwa den Einfluss der Maler Caspar David Friedrich und des Norwegers Johann Christian Clausen Dahl."
Murnau habe das getan, was Eggers bei seiner Version von "Nosferatu" beabsichtigt habe. "Wir haben Gemälde aus der Romantik als Inspiration für die historische Genauigkeit unseres Filmes genutzt. Ich habe natürlich noch viel mehr recherchiert. Dafür spricht alleine schon mein riesiger Bücherstapel über die Epoche Biedermeier - über Kleidung, Kultur, Möbel und mehr."
Vampir-Folklore aus Transsilvanien im Fokus
Außerdem habe er sich in die Folkore-Geschichte Transsilvaniens vertieft, "um dem Vampirfilm den Siegel des transsilvanischen Märchens zu verleihen. Das geht weit über die angelsächsische Mythologie über Vampire hinaus, aus der 'Dracula' entstand. Ich habe zwar viel selbst recherchiert, aber auch mit dem rumänischen Schriftsteller und Drehbuchautor Florin Lăzărescu zusammengearbeitet."
Eggers arbeitet konkret seit mehr als zehn Jahren an dieser Version von Nosferatu, er drehte dann aber zwei andere Filme. "Damals wollte ich Bill Skarsgård für die Rolle des Maklers Thomas Hutter casten, die jetzt von Nicholas Hoult gespielt wird. Aber vor nicht allzu langer Zeit habe ich Bill in dem Film 'Es 2' als Pennywise gesehen und fand ihn echt furchteinflößend. Er ist sehr schlank und sehr groß (1,91 m, Anm. d. Red), da dachte ich mir: Das könnte Orlok sein!"
"Mich freut, dass mich niemand erkennt", freut sich Bill Skarsgård im NDR Kultur-Gespräch, "ich habe mich ja selbst nicht erkannt!", scherzt der Schwede. Das sei auch gut so, denn er habe hunderte Stunden dafür investiert, die aufwendigen Prothesen des Vampirs Orlok zu tragen, und seine Stimme fast eine Oktave herunterzutrainieren.
Max Schreck als Auslöser der Faszination
Der Film ist voller sogenannter Jump Scares, also Schreckmomente fürs Publikum. "Jede Szene endet mit einem Problem - und es wird immer schlimmer. Die Spannung steigt. Das Sounddesign und die Musik tragen zur Spannung bei. Wir haben praktisch nie die Nebelmaschine ausgeschaltet - auch so ein Zeichen dafür, dass wir einen atmosphärischen Gothic-Film gedreht haben", meint Eggers.
Wie ist der US-Filmemacher so früh auf den Stoff gestoßen? Er war erst acht, als er auf den Film stieß: "Ich habe ein Foto von Max Schreck in einem Buch in meiner Schulbibliothek gefunden, darin ging es um Vampire. Da stand nun Max Schreck als Vampir in einem Türrahmen und ich dachte, 'das ist das Coolste, das ich je gesehen habe'. Meine Mutter hat mir damals geholfen, eine VHS-Kassette von Murnaus 'Nosferatu' zu besorgen." Damals habe es kein Internet oder so etwas wie Amazon gegeben. "Wir mussten einen Monat lang auf die Lieferung warten - und dann war es für mich wie Weihnachten, diesen Film auszupacken und seine unglaubliche Atmosphäre zu erleben. Damals kannte ich schon Gruselfilme von Bela Lugosi und einiges mit Christopher Lee. Aber 'Nosferatu' war richtig gruselig!"
Zu den vielen Referenzen in der neuen Fassung an den Stummfilmklassiker gehört die Katze im Film, die häufiger zu sehen ist. Sie heißt Greta - nach der ursprünglichen Hauptdarstellerin von 1922, Greta Schröder, wie Eggers bestätigt.
Gruseln am Set: Dreh mit 5.000 echten Ratten
Ein gruseliges Detail hat Cast und Crew geprägt: Die 5.000 Ratten in einigen Szenen sind echt. "Je echter die Details am Set sind, desto mehr überträgt sich die Spannung und die Authentizität auf das Publikum", begründet Eggers diese Entscheidung. Außerdem würde noch ein Element am Drehort die Bedingungen prägen: "Der Geruch beeinflusst die Schauspieler. Auch die Wölfe am Set waren echt. Wir haben einfach sechs große Straßenabschnitte gebaut, die Wisborg darstellen."
Bill Skarsgård betont: "Je mehr Details am Set stimmen, desto mehr spüren wir das in unseren Rollen. Du kannst an Sets von Robert Eggers Dinge anfassen und anschauen und weißt: 'Das riecht echt, es fühlt sich echt an.' Dieser Grad an Authentizität ist positiv für alle am Set. Dieser Film fühlt sich wirklich folkloristisch und alt an - im besten aller Sinne." Als sei er schon immer dagewesen, so Skarsgård.
Visuell haben expressionistische Klassiker wie "Die Schöne und das Biest" von Jean Cocteau Eggers "Nosferatu" beeinflusst: "Auf jeden Fall war er eine Referenz!". Nicht nur in der Szene mit dem wehenden Vorhang und der Frau im weißen Kleid vor dem offenen Fenster. "Auch der Gargoyle, diese Steinskulptur am Kamin, ist eine Hommage."
"Nosferatu" läuft seit dem 2. Januar bundesweit im Kino.