"Nosferatu"-Regisseur Werner Herzog: Filmemacher fürs Extreme
Er ist einer der bekanntesten deutschen Filmemacher: Werner Herzog. Mit 80 Jahren blickt er auf eine lange Karriere, 70 Filme und viele Bücher zurück.
Zu seinen bekanntesten Filmen gehören "Fitzcarraldo", "Aguirre - der Zorn Gottes", "Nosferatu" oder "Bad Lieutenant": Werner Herzog wird gern als ein Mann für Extreme bezeichnet. Der am 5. September 1942 in München geborene Herzog hat sich zumindest in seiner langen Karriere in viele äußerst ungewöhnliche Situationen begeben - wie 1980, als er seinen eigenen Schuh kochte und dann vor Publikum aß. Grund war damals eine verlorene Wette, um Regisseur Errol Morris zu ermuntern, dessen ersten Film "Gates of Heaven" tatsächlich fertigzustellen.
Filmarbeiten oft mit Schmerz, Qual und Risiko verbunden
Filmemachen ist für Herzog ein Prozess, der für ihn - und auch seine Filmcrew - mit Schmerz, Qual und Risiko einhergeht. In dem Dokumentarfilm "In den Tiefen des Infernos" aus dem Jahr 2016 erkundete er aktive Vulkane rund um den Globus. Im ARD-Interview sagte er: "Wenn Sie direkt an einem Vulkankrater sind, der glühende Lava hochschleudert, dann ist das natürlich riskant. Das ist ein bisschen so, wie bei Kriegsberichterstattern. Ich war ja zum Beispiel auch im Kriegsgeschehen. Wenn ich ohne Kamera wäre, hätte ich wahrscheinlich Bedenken. Mit Kamera ist das ganz leicht. Da gibt es kein Empfinden für Gefahr. Die Kamera ist der Schutz. Das ist natürlich magisches Denken und eher auch dumm. Aber dieser Dummheit habe ich mich auch gestellt."
Legendäre Dreharbeiten zu "Fitzcarraldo" mit Klaus Kinski
Legendär sind die schwierigen Dreharbeiten zu seinem Film "Fitzcarraldo": Dazu ließ Herzog ein ganzes Schiff durch den Dschungel von Peru schleppen. Teile des Films hatte er schon mit Mick Jagger und Mario Adorf gedreht, dann musste alles umgeworfen werden und Klaus Kinski wurde verpflichtet. Die Rolle des besessenen Opernliebhabers, der ein Opernhaus im Dschungel errichten wollte, passte wie die Faust aufs Auge. Die Wutausbrüche und Auseinandersetzungen am Set mit Kinski arbeitete Werner Herzog später in dem Film "Mein liebster Feind" auf. Vier Filme drehten Kinski und Herzog zusammen. Über die Beziehung der beiden sagte Herzog: "Er hat mich so sehr gebraucht, wie ich ihn."
Schwierige Charaktere und Extremsituationen im Fokus
Herzog, der selbst eher zurückhaltend, überlegt wirkt, untersucht in seinen Filmen und Büchern oft schwierige Charaktere, Menschen in Extremsituationen. Im ARD-Interview sagte er dazu: "Es geht vielleicht nicht so sehr um Extremsituationen, sondern wie dringe ich zu einer tieferen Wahrheit vor, die in uns selbst steckt."
Seit vielen Jahren in Los Angeles
Seit vielen Jahren lebt Herzog in Los Angeles, viele Filme drehte er auf Englisch. Das amerikanische "Time"-Magazin wählte Herzog 2009 unter die 100 einflussreichsten Personen der Welt. Wegen seiner prägnanten Sprechweise und des unverkennbaren deutschen Akzents tritt Herzog auch immer wieder vor der Kamera auf. Dabei scheut sich der Autorenfilmer, der nie Teil der Hollywood-Glitzerwelt war, nicht vor Ausflügen in sehr populäre Serien wie "Die Simpsons". Jüngst war Herzog in der im Star Wars-Universum spielenden Serie "The Mandalorian" als geheimnisvoller "Klient" zu sehen.
Workshops für junge Filmschaffende
Die Energie fürs Filmemachen und Schreiben scheint Herzog nicht auszugehen. 2022 stellt er seine Dokumentation "Theatre of Thought" über die moderne Hirnforschung vor. Bereits seit einigen Jahren gibt Herzog sein Wissen an junge Filmschaffende weiter, unter anderem in intensiven Workshops. Zu erzählen hat Herzog sicher genug.
Autobiografie "Jeder für sich und Gott für uns alle": Ein Geschenk
Die vielen Geschichten, die um sein fast schon legendäres Leben ranken, hat Werner Herzog auch in einem Buch veröffentlicht. Er nennt es nicht Autobiografie, sondern einfach "Erinnerungen" - aber natürlich mit einem typischen Werner-Herzog-Titel: "Jeder für sich und Gott gegen alle". So hieß schon sein Kaspar-Hauser-Film aus dem Jahr 1974.
Dieses Buch ist ein Geschenk, eine wundersame und ganz verrückte Reise durch das Leben des Regisseurs, geschrieben in seiner ureigenen Sprache, die er zuvor schon in Büchern wie "Vom Gehen im Eis" gefunden hatte. Erst recht, wenn er selber spricht. Beinahe atemlos reiht sich eine Erinnerung an die andere, beginnend in der frühen Kindheit, die von allergrößter Armut geprägt ist, weil die Mutter nach den ersten Bomben auf München flieht, um die Kinder in einem abgelegenen Bergdorf in Sicherheit zu bringen. Schockierende Geschichten von Hunger und Not, zugleich der Beginn seines Grenz- und Draufgängertums mit wilden Raufereien und halsbrecherischen Skisprüngen.
Herzogs Wohnung in München: Später Wohnung von Klaus Kinski
Später kehrt die Familie nach München zurück, in eine Wohnung, in der zeitweise ausgerechnet sein späterer Hauptdarsteller lebte: "Kinski hat sich im Bad eingeschlossen. Unglaublich, dass jemand 48 Stunden toben kann", sagt Herzog. Die Wahnsinnigen, die Grenzgänger: Sie haben den Regisseur immer schon gefesselt. Allein Kinski tobt durch fünf Herzog-Filme.
Gefährliche Grenzbereiche: Werner Herzog lotet sie in allen seinen Spiel- und Dokumentarfilmen aus. Nur beim Schreiben ist der bedingungslose Geschichtenerzähler ganz bei sich.
Also so wie manche Leute ums Leben laufen, so habe ich damals geschrieben. Also eine Situation, wo seltsamerweise alles hinausläuft auf Sprache und nicht so sehr auf Bilder. Aus dem Buch "Jeder für sich und Gott für uns alle"
Auch der Schluss des Buchs hat einen einzigartigen Werner-Herzog-Moment: Er bricht mitten im Satz ab. Grund war, wie er im Vorwort verraten hat, ein Kolibri, der vor seinem Fenster an seinem kalifornischen Wohnsitz aufblitzte wie ein Geschoss, "kupfern und hellgrün glänzend": "Ich entschloss mich in diesem Moment", schreibt Herzog, "nicht weiterzuschreiben. Der letzte Satz bricht einfach dort ab, wo ich gerade angekommen war."
"Radical Dreamer": Dokumentarfilm über Werner Herzog
Am 27. Oktober 2022 kam ein Dokumentarfilm über Werner Herzog ins deutsche Kino: "Radical Dreamer". Der Film hat auf der Film-Biennale in Venedig seine Uraufführung erlebt.